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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Garibaldi

zwungen. Aus Tunis durch den franz. Gesandten verdrängt, wurde er nach der Insel Maddalena nördlich von Sardinien zurückgeschickt, auf deren Nebeninsel Caprera er sich 1854 ankaufte, um als Landwirt zu leben, nachdem er in einer Seifen- und Lichterfabrik zu Neuyork und dann als Schiffskapitän im Stillen Ocean sich ein kleines Vermögen erworben. Die auf Italiens Einheit und Freiheit abzielende Politik Cavours bewog den bisherigen Mazzinisten 1856, dem Italienischen Nationalverein, der eine Einigung Italiens unter den Savoyern anstrebte, beizutreten und im Feldzug 1859 an der Spitze seiner Alpenjäger, die er aus lombard. und mittelital. Freiwilligen gebildet hatte, den Truppen Piemonts voranzueilen (23. Mai). Empört über den Frieden von Villafranca, trat G. in den Dienst der provisorischen Regierung von Toscana über, wurde aber durch Cavour aus polit. Rücksichten von einem beabsichtigten sofortigen Vorgehen gegen den Kirchenstaat, Neapel und Venedig zurückgehalten. Als piemont. General 1860 zur Disposition gestellt, zog er sich mißmutig ganz aus dem öffentlichen Leben wieder nach Caprera zurück, nachdem er in der Kammer umsonst gegen die Abtretung von Nizza und Savoyen Einsprache erhoben. Seine Freunde aber riefen ihn noch 1860 aufs neue ins polit. Leben, indem sie ihn zur Führung des «Zugs der Tausend» nach Sicilien bewogen, wo er 11. Mai landete und 14. die Diktatur übernahm; nach Einnahme der Insel (19. Aug.) setzte er aufs Festland über und zog 7. Sept. in Neapel ein. Nachdem er am Volturno 1. Okt. die neapolit. Truppen besiegt hatte, vereinigte er sich mit dem von Norden her rechtzeitig angerückten Heere Victor Emanuels Ⅱ., an dessen Seite er 7. Nov. in Neapel unter dem Jubel des Volks einzog, worauf er seine Diktatur niederlegte und 9. Nov. nach Caprera zurückkehrte. Diese Verjagung der Bourbonen ist G.s bedeutendste Leistung und bezeichnet den Höhepunkt seines Lebens. Die spätern Vorstöße des ruhelosen Hauptes der Aktionspartei auf Rom von 1862 und 1867 scheiterten. Der Unternehmung von 1862 geboten die Truppen der ital. Regierung, gegen deren Willen sie begonnen worden, bei Aspromonte Halt; G. selbst, schwer verwundet, wurde nach Spezia abgeführt, von Victor Emanuel Ⅱ. aber schon 5. Okt. 1862 begnadigt. Den Vorstoß von 1867 suchte die ital. Regierung zu verhindern, indem sie G. in Sinalunga festnehmen und nach Caprera zurückbringen ließ; G. jedoch kehrte auf einer Barke in tollkühner Fahrt mitten durch das ital. Geschwader hindurch nach dem Festlande zurück, um 3. Nov. 1867 die schwere Niederlage von Mentana durch die franz. Truppen zu erleiden. G. wurde aufs neue in Haft nach Spezia gebracht, aber auch jetzt wieder bald nach Caprera entlassen. Am ital. Feldzug von 1866 nahm G. als Führer von 20 Bataillonen Freiwilliger teil, wurde aber 3. Juli von den Österreichern am Gardasee geschlagen. Am 15. Aug. trat er zurück und begab sich wieder nach Caprera. Hier gab er, nach dem Mißlingen seines zweiten Angriffs auf den Kirchenstaat, seinem Widerwillen gegen die Klerikalen in den schwachen Novellen «Clelia, ovvero il governo del monaco», «G. Cantoni, il volontario» und «I Mille» Ausdruck, bereitete auch der ital. Regierung mehrfach Schwierigkeiten durch seine Ermunterung der Irredentisten (s. d.), schadete sich aber dann wesentlich durch seine Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg. Seine nicht aufgegebene Begeisterung für die Republik trieb ihn nach deren Erklärung in Frankreich auf den dortigen Kriegsschauplatz, wo er seit Okt. 1870 in Burgund einen ergebnislosen Kleinkrieg führte und im Jan. 1871 sich von einer preuß. Brigade in Dijon festhalten ließ, statt dem von Manteuffel bedrängten General Bourbaki zu Hilfe zu kommen. G., der schon während des Krieges das Landvolk durch die üble Mannszucht seiner Freischar und durch die Hervorkehrung seiner Abneigung gegen die kath. Kirche gereizt hatte, erfuhr dann, von Bordeaux in das Parlament gewählt, wegen der im Felde bewiesenen Unzulänglichkeit dort eine so schlimme Behandlung, daß er alsbald zurücktrat und wieder nach Caprera ging, von wo er Erklärungen für die Pariser Commune erließ. In der ital. Kammer, welcher er mit Unterbrechungen seit 1860, als Vertreter von Rom seit 1874 angehörte, sprach er vereinzelte Male in seiner bündigen Weise, namentlich gegen die Abtretung von Nizza und Savoyen, trat aber nicht besonders hervor; doch nahm die Regierung auf seinen Antrieb die Tiberregulierung und Bonifikation des Agro Romano in Angriff; den Eid auf die Verfassung leistete G. 1875 trotz seiner republikanischen Gesinnung. G. starb 2. Juli 1882 zu Caprera und wurde dort hinter seinem Hause beigesetzt; sein Grab ist ein wahrer Wallfahrtsort der Italiener.

Von seiner ersten Frau Annita, die er aus Amerika mitgebracht, hatte er zwei Söhne, Menotti und Ricciotti, und eine Tochter Teresita; letztere heiratete seinen Waffengefährten, den Major, jetzt General Canzio. 1860 vermählte er sich mit der Mailänder Gräfin Raimondi, welche Ehe jedoch 1879 geschieden wurde. Eine dritte Ehe ging G. hierauf mit der Amme seiner Enkelin ein, die ihm vorher zwei Kinder, Manlio und Clelia, geboren. Sie pflegte den alten Helden in seinen durch körperliche Leiden getrübten letzten Lebensjahren. Ihr wie seinen 5 Kindern erkannte das ital. Parlament ein Jahrgeld von 10000 Lire zu.

G. hat sich hochverdient gemacht um Italiens Einigung; vor allem ist ihm die Gewinnung Unteritaliens zu danken. Seine Größe liegt darin, daß er die Masse des ital. Volks durch sein eigenes Beispiel zur Versöhnung mit einer freiheitlichen und nationalgesinnten monarchischen Regierung brachte. Sein Mangel an staatsmännischer Einsicht und militär. Begabung, seine Neigung zur Überschätzung seiner Kraft werden aufgewogen durch seine Kühnheit, Thatkraft und Tapferkeit, seine Vaterlandsliebe, die ihn mit unauslöschlichem Haß gegen das Papsttum erfüllten. Unter den G. errichteten Denkmälern sind hervorzuheben: sein Standbild in Lecco (1884; von Confalioneri), in Venedig (1887; von Michieli) und in Nizza (1891; von Etex), sein Reiterstandbild in Verona (1887; Bronzeguß nach Bordonis Modell). – Vgl. Reuchlin, G. und die Alpenjäger (Nördl. 1861); Elpis Melena, G.s Denkwürdigkeiten (bis zum J. 1849 reichend; 2 Bde., Hamb. 1861); dies., G., Mitteilungen aus seinem Leben (2. Aufl., Hannov. 1886); Delvau, G., sa vie et ses aventures 1807‒59 (Par. 1859); Bent, Life of G. (2. Aufl., Lond. 1882); Bordone, G. (Par. 1878); Guerzoni, G. con documenti inediti (2 Bde., Tur. 1882); Mario, G. e i suoi tempi (Mail. 1884); Balbiani, Scene storiche della vita, politica, e militare di G. G. (ebd. 1872); Bordone, G. et l’armée