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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gasäther - Gasbeleuchtung
Gasäther, Gasolin, Canadol, der zwistben
70-80° siedende Teil des rohen Petroleums, zum
Carburieren (s. d.) von Leuchtgas, znr Wollentfet-
tung und als Leuchtstoff in besonders konstruierten
Lampen verwendet.
Gasbadeofen, f. Gasheizungsvorricl>tungen.
Gasbäder, f. Bad (Bd. 2, S. 254d".
Gasbehälter, f. Gasbeleuchtung lS.566d).
Gasbeleuchtung, die künstliche Beleuchtung
(s. d.) mittels brennbarer Gafe (Leuchtgas), die
man durch trockne Destillation geeigneter Körper,
zumeist von Steinkohlen, in eigenen Anstalten
lG asanft alten) erzeugt und mittels Röbren an
die ^rte ihrer Verwendnng hinleitet.
Geschichtliches. Schon 1727 und 17.^9 bemert-
tenHalcs und Clayton, dasi man anc- Steinkohlen
ein lcncktendes Gas entwickeln könne; allein von
den ersten Laboratoriumsversucbcn an bedürfte es
großer, wichtiger Schritte, bis die G. zu einem In-
dustriezweig ausgebildet wurde und allmäblicb die
Ausdehnung gewinnen konnte, die sie beute besitzt.
W. Murdoch, ein engl. Ingenieur, versuchte zuerst
die Darstellung von Leucbtgas in größerm Maß-
stabe, was ibm mit Hilfe seines Schülers Z. Elegg
auch gelang. Gleichzeitig mit ihnen macbte in Frank-
reich Le Bon Versuche, Leucktgas aus Holz darzu-
stellen und dieses zur praktischen Veleucbtung zu
verwenden; allein er hatte mit seiner sog. T bermo >
lampe keinen eigentlichen Erfolg. Mnrdoch uno
Clegg beleuchteten zuerst einzcll^e Fabriten. Uni
die Beleuchtung auf ganze Städte an^zndehnen,
galt es mannigfache Zweifel und Vorurteile zu
überwinden. Der Vorkämpfer iu dieser Richtung
war Winsor (eigentlich Winzler) aus Znaim. 1<^>^
gelang es dicsenl, einige Straßenlaternen in London
einzurichten. Die erste Gasgcsellschaft in London
s^daitered^ttmpiniv) wurde 1810 vom Parlament
bestätigt, und 1814 ließ das Kirchspiel St. Mar-
gareths in London zuerst feine Öllampen dnrch
Gaslaternen ersetzen, sodaß der 1. April 1814
eigentlich als Tatnm der Einführung der öffent-
lichen Bclenchtnng der Städte mit Gas überhanpt
anzusehen ist. Bald erwarb sich das neue Licht
wegen seiner Vorzüge allgemeine Anerkennnng,
und nachdem namentlich durch Clegg nocb eine
Reihe von technischen Verbesserungen, wie die Rei-
nigung des Gafes dnrch Kalkmilch und ein Gas-
meßapparat, eingeführt war, trat die neue Erfin-
dung mit Erfolg ihren Weg dnrch die eivilisierte
Welt an. In Deutschland war man zu Anfang
des 19. Jahrh, mit der Destillation der Steintohle
und mit dem Gaslicht beschäftigt; Lampadius rich-
tete 1816 in dem königl. Amalgamierwerk bei Frei-
berg, und Prechtl 1817 im Polytechnischen In-
stitut in Wien die G. ein; allein die Ga^industrie
als solche kam zuerst von England 18^<; zu uns,
indem Hannover und Berlin durch die Imporml-
(^0ntiu"iiw1-(^8'/V880< iiNion mit Steintohlengas
versehen wurden. 1828 jedoch trat Blochmann er-
^o(<Mvch der engl. Konkurrenz entgegen und rick-
tete die G. in Dresden ein, und unabbängig von
ihm bauten Knoblauch und Schiele eine Ölgac-fabrit
in Frankfurt a. M. Seitdein bat fich die Gasindu-
strie in Deutfcbland selbständig fortentlvickelt, und
es sind jcjlt fc'lst alle Städte voll einiger Bedeutung
mit G. verfehen.
Die Fabrikation des Leuchtgases erfolgt in den
Gasanstalten, wo die hierzu geeigneten Gas-
koblen (s. d.) in Gasrctortcn ff. d.) eingeschlossen
und einer Rotglühhitze von über 10s)<^ ausgesetzt
werden. Solche Retorten werden in horizontaler
oder etwas geneigter Lage in Gruppen von 1 bis
10 in die Gaserzeugungsöfen eingebaut. Die Ofen
werden entweder auf einfachen Rosten oder mittels
Gasfeuerung ff. d.) nach dem Regencrativprincip
dnrch Koks lzuweilen auch mit Zuhilfenahme von
Teer) geheizt; ein solcher Regenerativofen sSystem
Schilling-Vnnte) ist auf Tafel: Gasbeleuch-
tung I, Fig. 1 u. 2, abgebildet. In dem Genera-
tor ^, der mit dem Heizmaterial sKoks) gefüllt ist,
wird durch Znführnng von Luft und Wasserdampf
Heizgas erzeugt, welches mit der in der Regenera-
tion N durch die abziehenden Rauchgafe vorgewärm-
ten Luft im Verbrennungsraum ^ znr Verbrennung
kommt, fodah die hier eingebauten Retorten von der
beißen Flamme umspült werden. Jede Netorte wird
in Zwischenräumen von meist 4 stunden mit den
zu vergasenden Kohlen (100^150 KZ pro Retorte)
entweder von Hand oder mit Lademaschinen ge-
füllt. Sobald die Retorte mit dem Deckel lnftdicht
verschlossen ist, beginnt durch die Einwirkung der
Hitze sofort die Vergasung. Ein kleiner Teil der
Dämpfe wird an den glühenden Retortenwänden
zersetzt unter Abscheidung von Retortengrapbit,
welcber sicb allmählich als eine feste Krnste an den
Wandnngen feftfetzt und von Zeit zu Zeit ab-
gestoßen werden mnsi. Zunächst entweicht aus der
Steinkohle bei der Ga^bereitung ein branner ^ualm,
ein Gemisch von Gas, Wasscrdampf und Teerdäm-
pfen. Bei längcrm Erhitzen giebt die Steinkohle
immer mebr Kohlenwasserstoffe, Wasserstoff und
^anerstoff ab, wäbrend ein kohlenstoffreiches Pro-
dutt, der l^astots (s. d.), in der Retorte zurückbleibt.
Aber auch die entweichenden Kohlenwasserstoffe wer-
den in der Retorte weiter durch die Hitze zerfetzt und
bilden unter steter Abspaltung von Wasserstoff
Methan, Äthylen, Aeetylen, Benzol, Naphthalin
u. s. w. Der Sauerstoff der Kohle verflüchtigt sick
als Kohlensäure und Kohlenoryd, der Schwefel als
Schwefelwasserstoff und Schwefelkohlenstoff, der
Stickstoff als Ammoniak und Cyan. Die Gafe und
Dämpfe entweichen durch ein auf dem Mundstück
der Retorte angebrachtes Aufsteigrohr li in eine ge-
meinfchaftliche Vorlage V. Wenn die Vergasung
beendet ist, so wird vor dem Einbringen einer neuen
Kohlenladung der Koks berausgezogen und mit
Wasser abgelöscht. In der Vorlage finden nicht nur
die Destillationsprodukte ihr erstes gemeinschaft-
liches Reservoir, ans welchem Gas und flüssige
Nebenprodukte durch getrennte Leitnngen abgeführt
werden, sondern hier liegt auch der hydraulifche Ver-
fchluß für die Aufstcigröhren, damit beim Offnen
der Retorten das Gas verhindert ist, rückwärts aus-
zuströmen. Um dem Gafe das Austreten aus den
Retorten zu erleichtern
und sowohl die Verluste
zu vermeiden, die durcb
Eutweichen au5 undich-
ten Retorten, al5 jene, die
durch Zersetzung des Ga- '
ses bei längcrm Verwei-
len in der Retorte ent-
stehen, wendet manG a s -
saug er f Erbaustoren) ^g. i. , '
an. Dieselben saugen das
Gas aus den Retorten und drücken es von da wei-
ter durch sämtliche Apparate bis in die Gasbehäl-
ter. Der Gassauger, wie er in vorstehender Fig l.