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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geißelungen - Geisterseherei

Die Ordnung der Cystoflagellaten umfaßt die Leuchttierchen (besonders Noctiluca miliaris Surir.), kleine, mit bloßem Auge eben noch sichtbare Bewohner des Meers, die an ihrem pfirsichförmigen Leibe einen starren Fortsatz und eine bewegliche Geißel tragen. Im Innern der festen Körperhülle bildet das Protoplasma vom Kern aus nach der Peripherie feine, verästelte Stränge, an denen die Körnchenbewegung schön zu beobachten ist; zwischen den Strängen liegt eine hyaline (glashelle) Flüssigkeit. Dieses winzige Wesen vornehmlich ist es, das, in ungezählten Scharen die Oberfläche gewisser Stellen der Meere belebend, das Meeresleuchten hervorbringen hilft. Neben den Noktiluken giebt es indessen noch eine große Anzahl anderer Tiere aus allen Typen, die die Fähigkeit des Selbstleuchtens besitzen und unter Umständen an dem Hervorbringen des Meerleuchtens sich beteiligen (Quallen, Medusen, Würmer, Manteltiere). Die Cilioflagellaten oder Dinoflagellaten haben zwei Geißeln, eine Hauptgeißel am Vorder- oder Hinterende des Körpers, welche vom Körper abstehend das Schwimmen vermittelt, und eine Nebengeißel, die unterhalb jener entspringt, in einer Körperfurche liegt und einen Wellenbewegungen ausführenden Saum besitzt.

Geißelungen kamen zunächst auf als Strafmittel zur Züchtigung von Verbrechern, namentlich auch als kirchliche Strafe in den Klöstern. Als es später in der christl. Kirche für verdienstlich gehalten wurde, den Leib als den Sitz der Sünde möglichst zu kasteien und besonders im Ertragen solcher Schmerzen Christo und den Märtyrern nachzufolgen, verbreiteten sich diese G., von manchen Kirchenmännern, wie z. B. Petrus Damiani (s. d.) empfohlen, aus den Klöstern auch unter den Laien, namentlich in Italien. Das Konstanzer Konzil trat den G. entgegen, ohne sie geradezu zu verbieten; doch erhielten sie sich in Thüringen bis zur Reformation, und in den Klöstern waren sie auch später noch gebräuchlich. (S. Flagellanten.)

Geißelwimper, s. Flimmerbewegung.

Geißfuß oder Kuhfuß, der Name mehrerer Arten Werkzeuge von verschiedener Form und Größe der Schneiden. So nennt man G. in der Technik im allgemeinen eine Art Brechstange, deren gabelförmig ausgeschmiedetes Ende auch zum Ausziehen von Nägeln benutzt werden kann; ferner das Einsatzeisen der Kupferschmiede; bei den Tischlern ein Stemmeisen oder Stechzeug zum Ausstechen einspringender Ecken sowie zur Erzeugung des vertieften Ganges hölzerner Schrauben; bei den Bildhauern einen Meißel zum Ausarbeiten winkliger Höhlungen, Furchen u. s. w.; bei den Gärtnern ein zur Veredelung von Pflanzen benutztes Instrument (s. Gartengeräte, S. 556 a); im Bergbau ein Fanginstrument am Bohrgestänge (s. Bergbohrer). In der zahnärztlichen Technik ist der G. ein nur noch wenig benutztes Instrument, das nach dem Princip des einarmigen Hebels wirkt und zum Ausziehen von Zahnstümpfen und Zahnwurzeln verwendet wird. Es besteht aus einem in einem Holzgriff befestigten, stumpfwinklig gebogenen Stahlstab, der an seinem freien Ende in zwei stumpfe kurze Spitzen ausläuft und so eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Ziegenfuße (daher sein Name) besitzt.

Geißfuß, Pflanzenart, s. Aegopodium.

Geißler, s. Flagellanten.

Geißler, Heinr., Mechaniker, geb. 26. Mai 1814 zu Igelshieb in Sachsen-Meiningen, erlernte die Glasbläserkunst und hielt sich dann längere Zeit in München auf. Nachdem er 8 Jahre in Holland zugebracht, wo ihn die Regierung mit mechanisch-wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte, ließ er sich 1854 in Bonn nieder, wo er eine Werkstätte chem. und physik. Apparate gründete, die bald Weltruf erlangte. Seine Instrumente waren von höchster Vollkommenheit; auch konstruierte er die Geißlerschen Röhren (s. Elektrische Lichterscheinungen) und ein Vaporimeter zur Untersuchung alkoholhaltiger Flüssigkeiten. Die Universität Bonn ernannte ihn 1868 zum Doktor honoris causa. G. starb 24. Jan. 1879 in Bonn.

Geißlersche Röhren, s. Elektrische Lichterscheinungen (Bd. 5, S. 998 a).

Geißraute, s. Galega.

Geist (grch. pneuma; lat. spiritus), in der Philosophie eine angenommene, von der Materie als der ausgedehnten und beweglichen verschiedene, denkende und wollende Substanz. Der G. wird oft auch von der Seele (s. d.) unterschieden, indem die letztere bloß als Princip der Lebendigkeit überhaupt sowie des sinnlichen Empfindens, Fühlens und Begehrens, der erstere als höheres Princip der Intelligenz und des durch diese bedingten Willens aufgefaßt wird; dann schreibt man den Tieren bloß Seele, dem Menschen allein (und etwa höhern Wesen) G. zu. Dieser, von Aristoteles her im Mittelalter und noch bis tief in die neuere Philosophie hinein herrschende Begriff ist seit Hume und Kant stark erschüttert, in der nach kantischen Philosophie vielfach wieder hervorgeholt worden. - Auch versteht man unter G. eine hervorragende Begabung mit Verstand oder künstlerischem Vermögen; man denkt dabei namentlich an das Schöpferische, in Verbindung mit einem höchsten Grade von Bewußtheit. Unter dem G. einer Sache versteht man den tiefern, nur der eindringendern geistigen Betrachtung sich erschließenden Gehalt derselben, ihr schöpferisches Princip, das Gedankliche oder Gedankenähnliche darin. So setzt man auch den G. dem Buchstaben entgegen. - Den Ausdruck G. (guter, böser G.) braucht man auch für die in manchen Religionen verehrten oder einen Gegenstand des Aberglaubens bildenden dämonischen Wesen, s. die Artikel Dämonen, Amschaspand, Dew, Engel, Geisterseherei, Teufel.

Geistchen, s. Federmotten.

Geisterbeschwörung, s. Nekromantie.

Geistererscheinung, s. Geisterseherei.

Geisterklopfen, s. Tischrücken.

Geisterseherei, der Glaube, daß man Geister sinnlich wahrnehmen und mit denselben verkehren könne. Sie wird seit dem frühesten Altertum von fast allen Natur- und positiven Religionen als begründet anerkannt (s. Nekromantie); Geister sichtbar zu machen, d. h. zu citieren, und Geister zu sehen, setzt indessen dem Glauben zufolge bestimmte Bedingungen oder individuelle Qualität voraus. In Deutschland bezog sich der Geisterwahn zunächst fast ausschließlich auf den Teufel und sein Heer und nur als Kontrast hierzu auf die guten Geister, fast gar nicht auf die Geister Verstorbener (Gespenster). Die eigentliche G. wurde erst in neuerer Zeit vor allem durch die Phantastereien von sonst um die Wissenschaft verdienten Männern vorbereitet, hauptsächlich in Scene gesetzt aber von Betrügern und Charlatanen, wie die berüchtigten Grafen Saint-Germain und Cagliostro (s. d.), während der engl. Geistliche John Beaumont nur ein verblendeter Selbstbetrüger war. Er veröffentlichte 1705 ein