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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gemeinfliegen - Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen
Gegensatz zu den besondern Rechten der einzelnen
Staatdn und geogr. Bezirke bezeichnet. Das durch
das neue Deutsche Reich begründete gemeinsame
Recht heißt nicht G. R., sondern Reichsrecht im
Gegensatz zum Landesrecht. Da das Reichsrecht das
Strafrecht, den Civilprozeß und den Konkursprozeh
kodifiziert hat, so erstreckt sich das G. R. nur noch
auf das Staatsrecht, das Kirchenrecht und vornehm-
lich das bürgerliche Recht. Die Geltung des letztern
Teils des G. N. ist übrigens formell aufgehoben in
denjenigen Gebieten, in welchen das Preuß. Allg.
Landrccht gilt, in denen, in welchen franz. Recht gilt,
und im Königreich Sachfen. Das G. R. gilt also noch
in den preuß. Provinzen Schleswig-Holstein und
Lauenburg, Hannover (mit Ausnahme des Fürsten-
tums Eichsfeld und der Niedergrafschaft Lingen, wo
Preuh. Allg. Landrecht gilt), Hessen-Nassau und in
hohenzollern,in Neuvorpommernund Rügen,im Be-
zirk des Amtsgerichts Ehrenbreitstein, im Königreich
Bayern (mit Ausnahme der Pfalz, wo franz. Recht
gilt, sowie den Fürstentümern Ansbach undBayreuth
und den diesen Fürstentümern inkorporierten Lan-
desteilen, wo Preuh. Allg. Landrecht gilt), im König-
reich Württemberg,imGroßherzogtum Hessen-Darm-
stadt (mit Ausnahme von Nheinhessen, wo franz.Recht
gilt), im Großherzogtum Oldenburg (mit Ausnahme
des Fürstentums Birkenfeld), in den beiden Mecklen-
burg, in Braunschweig, in den thüring. Staaten, in
Anhalt, den beiden Lippe, in Waldeck und den drei
Freien Städten Hamburg, Bremen und Lübeck. Für
jedes dieser Rechtsgebiete hat übrigens das G. R.
nur subsidiäre Geltung, d. h. das G. R. gilt so-
weit nicht, als das Landesrecht oder das Recht eines
noch engern Bezirks abweichende Normen aufgestellt
hat. Denn so lose bis zur Gründung des neuen
Deutschen Reichs das gemeinsame polit. Band war,
welches die deutsche Nation umschlang, so lose war
auch das Band des gemeinsamen Rechts. Der Par-
titularismus ging damals dem Reiche vor. Es hat
schwerlich an seinem guten Willen gelegen, daß er
die Wege nicht fand, um den Idealismus zu brechen,
welcher das Ganze zusammenhielt. Aber gerade die-
ser Idealismus hat auch auf diesem Gebiet schöne
Blüten getrieben. Was dem G. R. an formaler Binde-
kraft gebrach, das hat die Wissenschaft des deutfchen
G. R. an innerer Tüchtigkeit wett gemacht. Denn sie
überflügelte nicht nur die Bearbeitungen aller deut-
schen Partitularrechte; soweit diese überhaupt einen
wissenschaftlichen Wert haben, stehen sie auf den
Schultern der Lehrer und Schriftsteller des G. R.
Und diefe hinwiederum stehen hinter den theoretischen
Juristen keiner modernen Nation zurück, ja einen
so glänzenden Namen wie Savigny, der seinen
Ruhm der eigenen Bearbeitung des G. R. verdankt,
hat seit den letzten drei Jahrhunderten keine andere
Nation aufzuweifen. Die Quellen des G. R. sind
das (^0i'i)ii8 .juris eivilig, welches das röm. Recht
wiedergiebt, das Oorpus.siirig cNiionici, welches ein-
zelne Fortbildungen, Abänderungen und Umbildun-
gen des röm. Rechts enthält, nach welchem die mittel-
alterliche Kirche lebte (s. ^oi-pusMi-is), die lidri köu-
äcn-uui bezüglich des Lehnsrechts (s. Lehnswesen),
die Gesetze des frühern Deutfchen Reichs und die ge-
meinfame Übung, wie sie sich in den deutschen Par-
tikularrechten, soweit sie miteinander übereinstim-
mende Normen enthalten, in den Urteilen deutscher
Gerichte und in den Rechtsgeschäften des täglichen
Lebens widerspiegelt und in der jurist. Litteratur des
G. R. dargestellt ist. Das sog. deutsche Privatrecht
ist wesentlich aus dieser letztern Quelle abzuleiten.
Denn in diese beiden Doktrinen, des röm. und des
deutschen Privatrechts, verzweigt sich die wissenschaft-
liche Bearbeitung des G. R. Während sich die par-
tikulare Gesetzgebung, die wissenschaftliche Bearbei-
tung der Partikularr echte und die gerichtliche Praxis
auf beide Nechtsgebiete erstrecken muß, ist bis
heute eine zusammenfassende Darstellung röm. und
deutscher Nechtsinstitute auf dem Gebiet des G. R.
nicht erzielt. Die Romanisten vertiefen sich neben
der systematischen Darstellung des geltenden röm.
Rechts in die Erforschung und Darstellung der rö-
mischen, die Germanisten in die der deutschen Nechts-
geschichte neben der systematischen Darstellung des
deutschen Privatrechts. Die theoretische Kontroverse,
ob das G. R. seit Auflösung des alten Reichs für
diejenigen Gebiete, in welchen und soweit es in ihnen
gilt, überhaupt die Bedeutung einer diese Gebiete
verbindenden formal gemeinsamen Rechtsnorm hat,
oder ob es sich dabei nur um eine thatsächliche Über-
einstimmung der für das eine Gebiet geltenden
Rechtsnorm und der für das andere Gebiet gelten-
den Rechtsnorm handelt, hat ihreBedeutung feit Ein-
richtung des Deutschen Reichsgerichts verloren.
Denn nach der kaiserl. Verordnung vom 28. Sept.
1879, ß. 2, begründet die Verletzung einer Norm des
G. R., auch wenn es sich um ein Berufungsurteil für
ein kleinstes deutsches Gebiet handelt, die Revision.
> Damit ist dem G. R. eine formell gemeinsame Iudi-
i katur erwachsen. Das G. N. wird ebenso wie die
deutschen Partikularrechte seine formale Gültigkeit
j verlieren, wenn das jetzt in Bearbeitung befindliche
! Bürgerliche Gefetzbuch für das Deutsche Reich (s.d.)
^ in Kraft tritt. Wie aber diefes, soweit die Bear-
beitungen bekannt geworden, seinen Stoff wesentlich
aus dem G. N. entnommen hat, so läßt sich auch
schon jetzt mit Sicherheit vorhersagen, daß die Ein-
führung des Bürgert. Gesetzbuches das Studium
und die Pflege des G. R. nicht überflüssig machen,
daß vielmehr eine wissenschaftliche Behandlung des
neuen Rechts kaum anders möglich fein wird als
durch stetigen Anschluß an das G. R.
Gemeinfttegen oder eigentliche Fliegen
<^In3ciäH6), die gattungs- und artenreichste Familie
aus der Unterordnung der Fliegen, gleichen im Aus-
scben meist der Stubenfliege. Ihre nach unten hän-
genden Fühler tragen am dritten Gliede eine rücken-
ständige Borste, der Rüssel ist in der Regel mit
fleischigen Endlippen versehen, die Schwingkölbchen
bä'ufig von stark entwickelten schuppenartigen An-
fängen ocr Flügel überdeckt. Die Larven sind walzen-
förmig und nähren sich von faulenden tierischen oder
pflanzlichen Stoffen oder fchmarotzen in Tieren oder
Pflanzen. Die Puppen ruhen in der tonnenförmigen
erhärteten letzten Larvenhaut. Zu den G. gehören
u. a. die Blmnenflicgcn, Bohrstiegen, Essigfliegen,
^leischfliegcn, Halmfliegen, Käsefliegen, Raupen-
fliegen, Schmeißfliegen, Stechfliegen, Stuben-
fliegen (s. die betreffenden Artikel).
Gemeingefährliche Verbrechen und Ver-
gehen sind folche, mit deren Begehung die Wahr-
scheinlichkeit einer allgemeinen Gefahr für Menschen
oder Sachen gegeben ist. Nach dem Deutschen Straf-
gesetzbuch gehören hierher: 1) Brandstiftung (s. d.)'
2) Verursachung einer Überschwemmung; 3) De-
likte gegen Eisenbahnen und Telegraphenanstalten
lTransportgefäbrdung durch Beschädigung, falsche
Zeichen und Signale); 4) Zerstörung u. s. w. von
Wegen, von Wasser- und Bergwerksbauten, Störun-