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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Germanisches Museum

Stämmen verschieden. Die Kunst des Webens übten die Frauen und erreichten nicht selten darin einen höhern Grad von Fertigkeit. Schmieden war noch kein Handwerk, sondern eine seltene Kunst. Metallwaffen aus Bronze oder Eisen galten als etwas Kostbares. Der gemeine Mann bediente sich noch meist aus Holz und Stein hergestellter Waffen und Geräte; auch die Lanzen hatten nur kurze Eisenspitzen. Das Hans war meist ein rohes Blockhaus, einen einzigen Raum umschließend, daneben eine durch Dünger gegen Frost geschützte kellerartige Winterstube. Durch den Verkehr mit den Römern lernten die Germanen Geld und Wein kennen sowie andere Bedürfnisse und die Mittel sie zu befriedigen.

Die Ehe ward in bestimmten Formen geschlossen, unter denen die Zahlung einer Summe (d. h. eine Anzahl von Kühen oder anderm Vieh) an den Vater oder Vormund die wichtigste war. Das Mädchen ging aus der Gewalt der einen Familie in die der andern über. Der Mann konnte mehrere Frauen haben, hatte aber regelmäßig nur eine in rechter Ehe geworbene Frau. Bei einigen Stämmen durfte die Frau nach dem Tode des Mannes nicht wieder heiraten; bei den Herulern sollen sie sich auf dem Grabe ihres Mannes erhängt haben. Der Abschluß der Ehe, die Übergabe der Braut, fand im Kreise der Verwandten (der Sippe) statt, nicht in der Gerichts- oder Landesversammlung. Die Toten wurden in ältester Zeit begraben, später (schon im 1. Jahrh. n. Chr.) verbrannt, und zwar Vornehme oft mit Kleidung, Waffen und andern Beigaben. (Vgl. Weinhold, Die heidn. Totenbestattung in Deutschland, Wien 1859.) Tempel hatten die Germanen nur wenig, meist verehrten sie die Götter in heiligen Hainen und auf Bergen; ein Baum, eine Quelle, ein heiliges Symbol (ein Holz, ein Stein, ein Schwert) galt wohl als Sitz des Gottes. Es wurden Opfer gebracht und nicht selten auch Menschenopfer; bezeugt sind sie bei den Cimbern und Teutonen und bis ins 8. Jahrh. Es gab Priester und Priesterinnen, aber keinen Priesterstand und keine Priesterherrschaft. (S. Deutsche Mythologie.)

Die Staaten waren klein, die Gewalt lag in der Versammlung der Freien. An der Spitze standen Fürsten, die entweder den Titel Könige führten oder den minder glänzenden eines Führers und Richters (princeps, judex). Der König konnte hoffen, daß sein Sohn ihm einst folge, aber er folgte nur durch Wahl und Anerkennung der Gemeinde. Könige und Fürsten oder auch sonst an Ruhm und Reichtum hervorragende Männer sammelten eine Schar (s. Gefolge) freier Männer um sich, mit denen sie zusammen lebten. Das Gefolge oder Gesinde (so bei den Langobarden) schuldete Gehorsam, hatte neben dem Führer zu kämpfen und sein Los zu teilen, wäre es auch Tod oder Gefangenschaft. Grundsatz des Rechtslebens war: Selbsthilfe des Geschädigten oder Fordernden, aber in vom Staate gebotenen Formen. Das Gericht war die versammelte Gemeinde, der Richter war Vorsitzender; der Kläger machte nicht Anzeige bei dem Richter, damit dieser den Schuldigen lade, sondern hatte ihn selbst zu laden. Das Urteil war kein Urteil über die Sache, sondern darüber, wer den Beweis für seine Behauptung zu erbringen habe und durch welche Beweismittel. Diese waren entweder der Eid mit Eideshelfern (s. d.) oder das Gottesurteil, im besondern das des Zweikampfes. Die Strafen waren Bußen, d. i. Geldstrafen. Mord kam nicht vor Gericht. Der Mord erzeugte die Pflicht der Rache für die Verwandten, aber der Mord des Rächers erzeugte neue Rachepflicht. Um so einem endlosen Morden vorzubeugen, sind schon früh Formen ausgebildet worden, in denen dem Morde Sühne geschafft werden konnte. Der Staat begann so der Rache Schranken zu ziehen, namentlich die verletzte Familie zu zwingen, die vom Thäter gebotene Sühne anzunehmen. Doch fallen davon nur die Anfänge in diese Periode. - Vgl. Gaupp, Die german. Ansiedelungen und Landteilungen in den Provinzen des röm. Westreiches (Bresl. 1844); L. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde (Bd. 1, Braunschw. 1880-90); J.^[Jakob] Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer (Gött. 1828; 3. Ausg. 1881); G. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte (neue Aufl., 8 Bde., Kiel 1874-85); Weinhold, Altnordisches Leben (Berl. 1856); G. Kaufmann, Deutsche Geschichte bis auf Karl d. Gr. (2 Bde., Lpz. 1880-81). (Vgl. auch die Bd. 5, S. 44 a angeführte Litteratur.)

Germanisches Museum, offiziell Germanisches Nationalmuseum genannt, eine Anstalt in Nürnberg, die bestimmt ist, "die Kenntnis der deutschen Vorzeit zu erhalten und zu mehren, namentlich die bedeutsamen Denkmale der deutschen Geschichte, Kunst und Litteratur vor der Vergessenheit zu bewahren und ihr Verständnis auf alle Weise zu fördern". Sie verdankt ihre Entstehung der privaten Thätigkeit des Freiherrn Hans von und zu Aufseß (s. d.). Wiederholt wandte er sich mit seinen Plänen an die Gelehrtenwelt wie an die histor. Vereine. Seine Vorschläge fanden nicht den nötigen Anklang, sodaß er sich entschloß, auf eigene Hand eine Anstalt ins Leben zu rufen, die seine Anschauungen verwirklichen sollte. Nachdem er in bescheidenen Anfängen eine solche angelegt hatte, gelang es ihm, eine Versammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsforscher, die im Aug. 1852 in Dresden tagte, zu veranlassen, die von ihm ins Leben gerufene Anstalt als eine nationale zu erklären, sie den Regierungen und dem Volke zur Unterstützung zu empfehlen. Es bildete sich sofort ein Verwaltungsausschuß, als dessen Vorsitzender sowie als Direktor von Aufseß ernannt wurde. Während der Deutsche Bundestag, die bayr. und andere deutsche Regierungen der Anstalt ihre Anerkennung bald zu teil werden ließen, während das Publikum sich rasch organisierte, um die der Anstalt nötigen Zuflüsse zu sichern, fand das Unternehmen in den gelehrten Kreisen Widerstand, weil dieselben das Programm zu umfassend, unausführbar fanden. In der That zeigte sich auch bald, daß der Gedanke, ein großes Generalrepertorium, ein Personen-, Orts- und Sachregister über das gesamte Urkunden- und Handschriftenmaterial, die gesamte Litteratur, die sämtlichen kultur- und kunstgeschichtlichen Denkmale herzustellen, zunächst beschränkt, wahrscheinlich aber ganz aufgegeben werden müsse. Bald nach der 1866 erfolgten Übernahme der Leitung des Museums durch Aug. von Essenwein (s. d.) wurden die Sammlungen, die nach dem ursprünglichen Plane nur eine Art Illustration jenes Generalregisters bilden, an die Spitze der Aufgaben der Anstalt gestellt. Diese wurde durch eine Satzungsänderung zu einem Deutschen kulturgeschichtlichen Centralmuseum bestimmt, dessen Sammlungen unter Essenweins Leitung in so ungeahnter Weise zunahmen, daß nun auch die Gelehrtenkreise das Museum gern unterstützten.