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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Getreidepreise
.yöbe zoeichen indcsscn die Preise in den eiilzelnen
fahren nach oben und unten je nach den Ernteergeb-
nissen mehr oder minder erbeblich ad, und zwar
pflegen diese Schwanlungen stärker zu sein, als es
der Ernteausfall zu rechtfertigen scheint. Man bat
diese letztere Thatsache in die Form eineö allgemein
gültigen, ziffermäßigen Gesetzes zu kleiden gesucht
Mngsche Regel), welches indessen durcb die neuern
Erfahrungen nickt bestätigt worden ist. Indessen ist
zuzugeben, daß die furcht vor Mangel oder Über-
fluß (auf feiten der Nachfrage oder des Angebotes)
die Preise vielfach stärker hinausschraubt oder berab-
drückt, als es im Interesse der Allgemeinbeit als
wünschenswert bezeichnet werden mich.
Für die Beurteilung der G. kommt serner in Be-
tracht, daß selbst das Brotgetreide außer zur menfck-
licken Nahrung vielfach auch zu weniger dringlichen
Zwecken Verwendung findet, in weichein Umfange
es mebr oder minder leicht entbebrt oder durcb
andere Produkte erfetzt werden tannlViebsütterung,
Branntweinbrennerei, Stärkefabrikation j. Man-
nigfach gestalten sich die Beziehungen, in denen die
Preise der einzelnen Getreidearten zueinander steheu.
^o läßt sich zu menschlichen Ernährungszwecken
Noggen dllrch Weizen oder Mais, zu tierischen Hafer
durch Roggen oder Gerste und umgekebrt bis zu
einem gewisseil Grade ersetzen, freilich wirken
die.Nonfumtionsgewohnheitcn einem solchen Aus-
gleich entgegen.
Über die zeitliche Entwicklung der G. erteilt nach-
stebende Übersicht Auskunft, wclcke dieselben für
Berlin in Mark für die Tonne angiebt-.
ßens die Preise niedriger als im westlichen. Die
allgemeine Steigerung der G. von 1891 steht mit
der russ. Mißernte dieses Jahres im Zusammenbang,
wübreno der ungewöhnlich starke Preisfall in den
fahren 189.'" und 1894 auf die damalige übermäßige
Produktion in fast alleil Getreideausfuhrlänoern
zurückznfübren ist. Neuerdings lbis Mai 1895) find
die Preife mit Rücksicht auf die weniger günstigen
Ernteaussichten wieder erheblich gestiegen.
Eine Frage von großer volkswirtschaftlicher Trag-
weite, welcl^c il. a. bei Beurteilung der Wirkungen
der Getreide;ölle (s. d.) eine wichtige Rolle spielt,
geht dabin, ob und inwieweit die Schwankungen
der G. in den Mehl- und schließlich auch in den
Brotpreisen zum Ausdruck gelangen. Zuverlässiges
Material zur Beantwortung dieser Frage liefern,
außer den Ermittelungen des kaiserl. Statistischen
Amtes isür Roggen und Mehl), die seit einigen Jah-
ren seitens des städtischen Statistischen Amtes zu
Berlin veranstalteten Erbebungen über die Brot-
preise, dieselben baben bezüglich der Preisbildung
in Berlin zu nacbstebenden Ergebnissen gefübrt. Die
Preise, und zwar sür Roggen (Korn) und Roggen-
mcbl die Großbandels-, für Brot die Kleinhandels-
preise, sind in Mark sür 100 K3 angegeben:
Jahre
Weizen i Roggen Gerste Hafer
1651-1700
1701 - 1750 l
1751-1800
1801-50 i
1851-80 I
1881-90 !
1891
1892 '
1893
1894
74,50
84,78
125,32
185,80
211,00
176,20
224,21
176,41
151,51
136,13
53,40
62,72
101,42
136,00
161,40
146,00
211,23
176,34
133,55
117,75
54,64
52,92
108,40
127,20
153,00
152,80
?
?
?
52,94
52,52
96,50
136,00
155,20
144,40
165,03
149,44
157,02
131,23
Hauptsächlich infolge des mit der wachfenden Be-
völkerung sich steigernden Bedarfes bei beschränkter
Anbaufläche, zum Teil allerdings auch infolge des
Sinkens des Geldwertes find die Preife im Laufe
der Jahrhunderte gestiegen. Erst seit den letzten
Jahrzehnten ist durch die außerordentliche Entwick-
lung der Transportmittel und die dadurch herbei-
geführte Verminderung der Frachtkosten fowie durch
die vermehrte Intensität und Extensität des An-
baues (s. Getreideproduttion) ein erheblicher Druck
auf die G. ausgeübt worden. Übrigens wareil na-
mentlich ill den frühern Jahrhuuderlen bei mangel-
bast entwickeltem Getreidehandel die Preisschwan-
tungen innerhalb der einzelnen Zeiträume sowie die
ortlichen Unterschiede ungemein schroffe. Die ört-
lichen Abweichungen in der Gegenwart beweisen,
daß die verschiedeilen Angebots- lind Nachfrage-
verhältnisse der einzelneil Gegenden auch in der
neuern Praxis sich noch nicht binlänglick aus-
gleicheil lasseil. So kosteten in dem Iabrzebnt 1881
-90 1000 kss Weizen in Königsberg 175), in Stutt-
gart dagegen 215, in Lindan gar 220 M., und all-
gemein find in dem östl. Pl'odl/ftionsgebiete Preu-
Noggen
Jahre Noggcnmehl
^ Roggenbrot
Vierteljahre
1891
II
III
IV
11,68
12,46
14,11
15,54
16,47
17,22
19 44
21,88
20,39
20,31
20,97
23,11
15,10
14,42
15,66
16,95
21,19
20,56
21,84
23,5 l
24,07
24,28
24,07
25,75
17,40
16,08
16,67
17,84
23,68
22,13
22,97
24,69
27,23
26,80
27,13
27,54
17,64
20,13
22,94
23,78
24,76
27,66
31,28
32,49
28,47
30,26
33,18
34,74
20,66
19,76
15,94
13,51
! 29,49
26,44
21,75
18,19
37,26
32,12
25,10
23,95
unter Noggcnml'hl
s! Roggen
1888 Mehl .
!,! Brot. .
s! Roggen
1889^! Mebl .
>,z Brot. .
s Roggen
1890 'Mehl .
^ Brot. .
s^ Roggen
^lMehl .
!,! Brot. .
ji Roggen
1892.' Mehl .
^ Brot. .
Unter Roggen ist "Lieferungsqualität"
ugutes, gesundes Nr. 0/1" verstanden.
Zur Veranschaulichung des Zusammenhanges der
Preise dient die umstehende graphische Darstellung.
Auf dem Netz sind durch die senkrechten Linien die
Monate oer fünf in ^vrage kommenden Jahre, durch
die wagerechteu die Preife, von ^ M. zu ", M. ab-
gestuft, bezeichnet. Die Darstellung lehrt, daß die
Veränderungen, welche die Roggenpreifc im Laufe
des beobachteten Zeitraums erfahreil haben, auch
auf die Mebl- und Vrotpreife von entschiedenem
Einfluß gewesen ist. Bezüglich der Getreide- und
Meblvreise ist der ^usammenhaug ill der auf- und
absteigenden Bewegung ein sehr enger. Bei der Ge-
staltung ver Brotpreise sind neben den Preisen de^
Rohmaterials auch noch sonstige, die Preisbildung
im .Nleinbandel beeinflussende Faktoreil wirtfam,
infolgedessen die Brotprcise stabiler erscheinen als
iene; der allgemeinen Auf- und Abwärtsbewegung
baben indesseil auch sie sich nicht entzieben können,
^iede wcfentliche und nachhaltige Erböbnng der G.
fällt fchließlick auch dem Verbraucher zur Last; jede
ebeilsolche Erniedrigungkommt auch ibm zu gllte. Eine