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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gilde; Gildemeister

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G.

Gilde, ein altgerman. Wort, bezeichnete im Mittelalter eine Genossenschaft, die im Gegensatz zu den auf Herrschaftsverhältnissen, auf dem Geschlechtsverbande oder dem markgenossenschaftlichen Besitz beruhenden, durch den freien Willen der gleichberechtigten Mitglieder zur Förderung gemeinschaftlicher Zwecke und Interessen gebildet war. In seiner ersten Ausbildung scheint das Gildewesen mit den durch gemeinschaftliche Beiträge veranstalteten Trinkgelagen zusammenzuhängen, die bei den Germanen in Verbindung mit gottesdienstlichen Feierlichkeiten, bei Familienereignissen und andern Anlässen stattzufinden pflegten. Daher hat G. im Dänischen noch die Bedeutung von Mahl oder Gelage behalten. Im Mittelalter erscheinen die G., vorzugsweise Brüderschaften (s. d.) genannt, als Vereine zu kirchlichen und wohlthätigen Zwecken und zu gegenseitiger Unterstützung; ihre Zahl war sehr beträchtlich; in Köln soll es 80, in Lübeck 70, in Hamburg sogar 100 gegeben haben. An Zahl geringer, aber größer an Bedeutung waren die vorwiegend weltlichen G. als eigentliche Schutzgilden, als polit. und als Gewerbsgilden. Die Schutzgilden suchten den vom Staate zur damaligen Zeit in ungenügendem Maße gewährten Rechtsschutz ihren Mitgliedern durch gemeinsame Selbsthilfe zu verschaffen. Neben den durch einen Eidschwur verbundenen Vollgenossen der G. standen bloße Schutzgenossen, zu denen auch die Frauen und sonstigen Hausangehörigen gerechnet wurden. In allen genossenschaftlichen Angelegenheiten übte die G. über ihre Angehörigen eine wirkliche Gerichtsbarkeit; sie unterstützte aber auch ihre Genossen vor dem öffentlichen Gericht, gewährte ihnen Eideshilfe, zahlte bei entschuldbaren Totschlägen das Wergeld u. s. w. In England wurden die G. dieser Art vom Staate anerkannt und in seinen Organismus aufgenommen. In vielen engl. Städten bildete eine «Merchant guild» das eigentliche Gemeinwesen, an welches sich die übrige Bevölkerung als Schutzgenossen oder Hintersassen anlehnte. Dagegen traten im Fränkischen und auch im Deutschen Reich Staat und Kirche anfangs den G., namentlich den durch Eidschwur verbundenen, mit Verboten entgegen. Zu den politischen G. gehörten die Altbürgergilden in manchen Städten Deutschlands als privilegierte Genossenschaften und Träger des Regiments. Die Gewerbsgilden waren teils Handels- oder Kaufmanns-, teils Handwerksgilden. (S. Zünfte.) Die Kaufmannsgilden verfolgten in erster Linie gemeinsame wirtschaftliche Interessen; meistenteils waren sie G. von Detailhändlern, seltener allgemeine Handelsgilden. Auch für das Handelsinteresse und die Sicherung des Rechtsschutzes im Auslande bildeten sich solche Kaufmannsgilden, die ihre höchste Entwicklung in der großen deutschen Hansa (s. d.) ↔ erreichten. Wenn auch die G. als frei gebildete Genossenschaften anzusehen sind, so findet sich doch bei denjenigen, die für gewerbliche Zwecke bestimmt waren, ein Gildezwang, der damit zusammenhing, daß der Betrieb eines Gewerbes als städtisches Amt von öffentlicher Natur betrachtet wurde. Für die Handwerkergilden oder Zünfte ist dies der Zunftzwang, der bei den kaufmännischen Genossenschaften dem Gildezwang im engern Sinne entspricht. Ursprünglich hatte derselbe nur die Bedeutung, daß niemand ein bestimmtes Gewerbe oder eine bestimmte Art des Handels betreiben dürfe, ohne der betreffenden Zunft oder G. anzugehören. Monopolistische Tendenzen waren also mit diesem Zwange anfangs nicht verbunden, und auch in der Folge sind solche, sofern es sich um die Zulassung zu dem Geschäftsbetrieb handelte, bei den kaufmännischen G. weit weniger hervorgetreten als bei den Handwerkerzünften. Mit der Ausbildung des modernen Staats- und Städtewesens verloren die G. ihre ursprüngliche Bedeutung und das Wort kommt in der neuern Zeit nur noch als Bezeichnung kaufmännischer Korporationen vor. – Die in Rußland noch bestehenden G. (Kaufleute erster und zweiter G. und Kleinhändler) sind im wesentlichen nur Steuerklassen. – Vgl. Wilda, Das Gildenwesen im Mittelalter (Halle 1831); Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht (Berl. 1868); Groß, Gilda Mercatoria (Gött. 1883); Pappenheim, Die altdän. Schutzgilden (Bresl. 1885); Hegel, Städte und G. der german. Völker im Mittelalter (2 Bde., Lpz. 1891).

Gildemeister, Joh., Orientalist, geb. 20. Juli 1812 auf Klein-Siemen in Mecklenburg, studierte in Göttingen und Bonn Theologie und orient. Sprachen. Nachdem er darauf behufs Benutzung der Handschriftenbibliotheken ein Jahr in Paris und Leiden zugebracht, habilitierte er sich 1839 zu Bonn als Privatdocent für orient. Sprachen und Litteraturen. 1844 wurde er zum außerord. Professor daselbst ernannt und 1845 als ord. Professor der Theologie und orient. Litteratur nach Marburg berufen, wo ihm 1848 dazu die Stellung als Universitätsbibliothekar übertragen wurde. 1859 wurde er als ord. Professor der orient. Sprachen nach Bonn berufen. Hier starb er 11. März 1890. Von G.s wissenschaftlichen Arbeiten sind zu erwähnen: «Scriptorum Arabum de rebus Indicis loci et opuscula inedita» (Bd. 1, Bonn 1838), eine Ausgabe von Kalidasas «Maghaduta et Çringaratilaka» (ebd. 1840), «Bibliothecae Sanscritae specimen» (ebd. 1847), die zweite Auflage von Lassens «Anthologia sanscritica» (ebd. 1865), «Catalogus librorum manu scriptorum orientalium in Bibliotheca Academica Bonnensi» (ebd. 1864–76), «Sexti Sententiae» (ebd. 1874), «Esdrae liber quartus arabice» (ebd. 1877),

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 2.