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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Glöckchen; Glocke; Glockeisen; Glocken; Glockenapparat; Glockenblume; Glockenbojen; Glockenexhaustor

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Glöckchen – Glockenexhaustor

Glöckchen, s. Glockenschlag.

Glocke (aus mittellat. clocca), ein hohles metallenes Gerät in Gestalt eines stumpfen, unten auswärts gebogenen Kegels, mit einem Klöppel versehen, welcher durch Anschlagen an die Glockenwand einen Schall hervorbringt. Das zu den meisten G. und fast immer zu größern Kirchenglocken benutzte Metall, Glockenmetall, Glockengut oder Glockenspeise genannt, ist meist eine Legierung aus ungefähr 80 Teilen Kupfer mit 20 Teilen Zinn, also eine ziemlich zinnreiche und deshalb harte Bronze. Sonstige Metalle, der Legierung zugesetzt, vermögen niemals eine Veredelung derselben zu bewirken, erzeugen aber fast immer erhöhte Sprödigkeit. Da in ältern Zeiten die Meinung verbreitet war, daß durch einen Zusatz von Silber zur Glockenspeise der Klang der G. ein schönerer und reinerer werde, pflegte das gläubige Volk beim Gießen einer Kirchenglocke Silbergegenstände gleichsam als Opfergabe darzubringen. In neuerer Zeit hat man jedoch in England durch Gießen von vier G. aus verschiedenen Legierungen (die erste aus reinem Glockengut, die andern mit steigendem Silberzusatz) bewiesen, daß das Silber den Ton der G. keinesfalls verbessert, sondern verschlechtert. Da ferner trotz der sorgfältigsten Analysen in alten G. sich kein Silber nachweisen ließ, ist anzunehmen, daß die Öffnung des Schmelzofens, in welche die gläubige Menge ihr Silber hineinwarf, gar nicht zu der eigentlichen Schmelzmasse führte.

Über das Gießen der Glocken s. Formerei.

Jede größere G. hat oben einen Kreuzhenkel, die sog. Krone, mit welchem sie im Glockenstuhl (s. d.) befestigt wird. Gewöhnlich ist für die zu gießende G. das Gewicht und die Tonhöhe vorgeschrieben und die Abmessungen der G. müssen dieser Vorschrift entsprechen. Die Tonhöhe wird durch die Größe der G. und durch die Stärke des Schlagrings (desjenigen Teils, an den der Klöppel schlägt) bestimmt. Je größer die G. ist, desto tiefer ist im allgemeinen ihr Ton. Meist sind auf den Kirchtürmen ganze Geläute, d. h. eine größere Anzahl von G., vorhanden, die untereinander in einem bestimmten Tonverhältnis stehen, sodaß das Geläute aller G. harmonisch zusammenklingt. Die G. eines vierstimmigen Geläuts geben den Grundton, die Terz, Quinte und Oktave an; ihre Durchmesser verhalten sich wie die Zahlen 2, 1 3/5, 1 1/3, 1; ihre Gewichte ungefähr wie 8, 4 1/10, 2 4/10, 1.

Stahlglocken, zuerst von der Bochumer Gußstahlfabrik geliefert, haben in neuerer Zeit in Fabriken eine nicht seltene, für Kirchenbauten aber nur vereinzelte Anwendung gefunden. Bronzeglocken bleiben jahrhundertelang brauchbar; Stahlglocken sind dem Rosten unterworfen. Dieser Umstand muß Bedenken gegen ihre Anwendung für kirchliche Zwecke erwecken.

Stahlstabgeläute, billiger als G., sind in Nordamerika und England vereinzelt angewendet worden, in Deutschland nur in Bergwerken. Ihr Ton ist zwar sehr rein und hell, aber nicht weit genug vernehmbar.

In Deutschland bestehen etwa 85 Glockengießereien; Hauptplätze dafür sind Nürnberg, München, Berlin, Dresden, Augsburg, Würzburg, Kempten.

Geschichtliches. Schon früh bediente man sich der Cymbeln, Schellen und Handklingeln zu religiösen Gebräuchen. In Ägypten wurde das Osirisfest durch Glockenspiel verkündet; bronzene Glöckchen ↔ wurden in Assyrien gefunden, solche von Gold trugen Aaron und die Hohenpriester der Juden am Saum des Oberkleides ihrer Amtstracht, und in Athen bedienten sich der G. die Kybelepriester bei ihren Opfern. Auch die Römer kannten für die Ankündigung öffentlicher Versammlungen den Gebrauch von G. (tintinnabula) und nach Sueton ließ Augustus eine solche vor dem Tempel des Jupiter aufhängen. Für die christl. Kirche lag eine gleiche Verwendung sehr nahe. Doch ist nicht bekannt, daß in den ersten Jahrhunderten die gottesdienstlichen Versammlungen der Christen durch irgend ein tönendes Zeichen angekündigt worden wären. In Klöstern bediente man sich wohl, um die Gebetsstunden (s. Hora canonica) anzusagen, der Tuben oder mit dem Hammer zu schlagender Holz- oder Metallplatten. Erst im 6. Jahrh. werden G. ausdrücklich erwähnt im Frankenreiche und auf den brit. Inseln. Zur Zeit Karls d. Gr. waren sie schon ziemlich verbreitet, auch bestand bereits ein Ritus der Glockenweihe (s. d.).

Die ältesten G. waren von geringem Umfang, wurden nicht gegossen, sondern geschmiedet. Das älteste Exemplar ist wohl der sog. «Saufang» im städtischen Museum zu Köln. Erst seit dem Anfang des 14. Jahrh. wuchsen sie zu mächtiger Größe an, nachdem man schon vorher zum Guß übergegangen war. Die berühmten Glockengießerfamilien zu Nürnberg und Augsburg datieren aus dem 14. Jahrh.; im 15. Jahrh. war Ghert van Wou aus Kämpen in Holland, desgleichen die Familie Klinge (Klinghe), die vorzüglich im nordwestl. Deutschland thätig war, berühmt. Die älteste datierte G. ist die des Doms zu Siena von 1159 und in Deutschland die der St. Burkardskirche in Würzburg von 1249. Zu den größten G. gehört die des Kreml zu Moskau von 1533, 4320 Ctr. schwer, welche beim Brande herunterfiel und in der Erde lag, bis sie 1836 auf einen 1 m hohen Granitsockel neben dem «Iwan Welikij» genannten Glockenturm gehoben wurde; ferner die auf dem Turme Iwan Welikij selbst, 1000 Ctr. schwer und 1819 gegossen; die Kaiserglocke auf dem südlichen der beiden Westtürme des Kölner Doms, 543 Ctr. schwer; die Hauptglocke der Peterskirche zu Rom, 380 Ctr. schwer; die G. auf dem mittlern Domturme zu Olmütz in Mähren, 358 Ctr. schwer; die Josephinische G. des Stephansdoms zu Wien, 354 Ctr. schwer; die G. auf Notre-Dame zu Paris, 340 Ctr schwer; die große G. Maria gloriosa, des Doms in Erfurt, 275 Ctr. schwer. Inschriften und Ornamente, zuweilen auch Bildwerke, wurden schon in roman. Zeit auf den G. angebracht. Jene sind fast ausnahmslos religiösen Inhalts oder sie geben Auskunft über den Gießer und den Guß. – Vgl. Otte, Glockenkunde (Lpz. 1858); Zehe, Histor. Notizen über die Glockengießerkunst des Mittelalters (Münster 1857); Schönermark, Die Altersbestimmung der G. (Berl. 1889).

Glockeisen, s. Glocken.

Glocken (als Zeitwort), ein Verfahren, durch das mittels eines erhitzten messingenen Kegels (Glockeisen genannt) faltenreiche Krausen und Besetzungen an Kleidern so geplättet werden, daß eine Reihe halbrunder Bogen entsteht.

Glockenapparat, ein Gichtgasfang, s. Eisenerzeugung (Bd. 5, S. 925a.)

Glockenblume, s Campanula.

Glockenbojen, s. Betonnung.

Glockenexhaustor, s. Exhaustor.