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Gnesen – Gnetaceen
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gneist'
ganz seinem Lehramt, in welchem er 1858 zum ord. Professor aufrückte. In demselben Jahre begann auch mit seinem Eintritt in das preuß.
Abgeordnetenhaus, dem er seitdem ununterbrochen angehörte, seine parlamentarische Thätigkeit; 1867–84 war er Mitglied des Reichstags. In der
Konfliktszeit stand er auf der Seite der liberalen Opposition und war Berichterstatter über die Militärvorlagen, das Budgetrecht, über das er eine von der
fortschrittlichen durchaus abweichende Ansicht hatte, und andere Verfassungsfragen. Später schloß er sich der nationalliberalen Partei an. 1864 erregte
er als Verteidiger im großen Polenprozesse die öffentliche Aufmerksamkeit. 1875 wurde er Mitglied des Oberverwaltungsgerichts, auch ist er Mitglied
des preuß. Staatsrates. Im Mai 1888 wurde er von Kaiser Friedrich III. geadelt.
G. ist ein geistvoller Jurist, fruchtbarer Schriftsteller und eifriger Förderer aller praktisch-polit. Fragen der Gegenwart. Er hat sich mit regem Eifer an dem
Zustandekommen der Reichsjustizgesetze sowie der kirchenpolit. Gesetze und der neuen evang. Kirchenverfassung Preußens beteiligt. Insbesondere
ausgezeichnet ist er aber durch eine umfassende, an Ort und Stelle gewonnene Kenntnis des engl. Staats- und Verwaltungsrechts, die ihm einen
bedeutenden Einfluß auf die neuere Verwaltungsgesetzgebung Preußens gab; die Grundbegriffe dieser Gesetzgebung sind großenteils von ihm
geschaffen. Von seinen zahlreichen Schriften sind hervorzuheben: «Die formellen Verträge des neuern röm. Obligationenrechts» (Berl. 1845),
«Adel und Ritterschaft in England» (ebd. 1853), «Das heutige engl. Verfassungs- und Verwaltungsrecht», sein Hauptwerk (2 Tle., ebd. 1857–63; 3. Aufl.
des 1. Teils u. d. T.: «Das engl. Verwaltungsrecht der Gegenwart», in 2 Bdn., 1883–84; 3. Aufl. des 2. Teils u. d. T.:
«Selfgovernment, Kommunalverfassung und Verwaltungsgerichte in England», 1871), «Die Lage der preuß.
Heeresorganisation» (ebd. 1862), «Soll der Richter auch über die Frage zu befinden haben, ob ein Gesetz verfassungsmäßig zu stande gekommen?»
(3. Aufl., ebd. 1863), «Budget und Gesetz nach dem konstitutionellen Staatsrecht Englands» (ebd. 1867), «Die Stadtverwaltung der City von London»
(ebd. 1867), «Freie Advokatur» (ebd. 1867), «Verwaltung, Justiz, Rechtsweg, Staatsverwaltung und Selbstverwaltung nach engl. und deutschen
Verhältnissen» (ebd. 1869), «Die konfessionelle Schule» (ebd. 1869), «Die bürgerliche Eheschließung» (ebd. 1869), «Die preuß. Kreisordnung»
(ebd. 1870), «Der Rechtsstaat» (ebd. 1872; 2. Aufl. 1879; italienisch von Artom, Bologna 1884), «Vier Fragen zur deutschen Strafprozeßordnung»
(Berl. 1874), «Gesetz und Budget» (ebd. 1879), «Zur Verwaltungsreform in Preußen» (Lpz. 1880), «Die preuß. Finanzreform» (Berl. 1881),
«Engl. Verfassungsgeschichte» (ebd. 1882; englisch von Ashworth, 2 Bde., Lond. 1886; 2. Aufl. 1889), «Das engl. Parlament» (Berl. 1886; englisch von
Shee, Lond. 1886; 3. Aufl. 1889; italienisch von Colucci, Livorno 1892), «Die staatsrechtlichen Fragen des preuß. Volksschulgesetzes» (Berl.1892),
«Die Militärvorlage von 1892 und der preuß. Verfassungskonflikt von 1862 bis 1866» (ebd. 1893). – Vgl. Walcker, Rudolf von G. (in «Deutsche Denker
und ihre Geistesschöpfungen», hg. von Hinrichsen, Heft 1, Berl. 1888).
Gnesen. 1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Bromberg, hat
558,79 qkm, (1890) 42482 (21671 männl., 20811 weibl.) E., 2 Städte, 91 Landgemeinden und ↔ 73
Gutsbezirke. –

Textfigur:
2) G., poln. Gniezno, Kreisstadt im Kreis G., 48 km nordöstlich von Posen, an
den Linien Posen-Thorn, G.-Öls (160 km) und der Nebenlinie G.-Nakel (75 km) der Preuß. Staatsbahnen, zwischen Hügeln und Seen, ist Sitz des
Landratsamtes, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Posen) mit 5 Amtsgerichten (G., Mogilno, Tremessen, Wongrowitz, Wreschen), eines
Amtsgerichts, Zoll- und Steuer-, Kataster-, Proviantamtes, einer Eisenbahnbau-, Kreisbau- und Wegebauinspektion, eines Generalkonsistoriums und
Domkapitels der Erzdiöcese Gnesen-Posen, einer Reichsbanknebenstelle sowie des Kommandos der 8. Infanteriebrigade.
Die Stadt hat (1890) 18088 (9890 männl., 8198 weibl.) E. (zur Hälfte Polen), darunter 6327 Evangelische und 1351 Israeliten, in Garnison (2598 Mann)
das 49. Infanterie- und das 12. Dragonerregiment, Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, Telegraph; eine evang., 9 kath. Kirchen, darunter den 965
gegründeten Dom mit kostbaren Gemälden, schönen Kapellen, dem prächtigen, von Rauch modellierten Grabmal des heil. Adalbert und vielen andern
Kunstschätzen, eine Synagoge, ein erzbischöfl. Palais; ein erzbischöfl. Priesterseminar, königl. simultanes Gymnasium (Direktor Dr. Schröer, 20 Lehrer,
11 Klassen, 349 Schüler, 1 Vorklasse, 28 Schüler), höhere Mädchenschule, Waisen-, Kranken- und Siechenhaus; Kreissparkasse, Darlehnskasse und
Vorschußverein. Ferner bestehen ein königl. Landgestüt (bedeutende Pferdemärkte), 2 Maschinenfabriken, eine Zuckerfabrik, Lederfabriken, 3
Brauereien, Mehl-, Schneide- und Ölmühlen, Dampfmolkerei und die Friedrichs-Heilquelle mit Badehaus. G. ist Sitz der 5. Sektion der
Schlesisch-Posenschen Baugewerksberufsgenossenschaft. – G. ist eine der ältesten Städte des ehemaligen Königreichs Polen und wurde der Sage
nach 550 vom König Lech gegründet. Um 990 lebte der heil. Adalbert als Bischof hier; zu seinem Grabe wallfahrtete im J. 1000 Kaiser Otto III. und
gründete das Erzbistum; der Erzbischof war als Primas und erster Reichsstand von Polen bei Thronvakanzen Reichsverweser bis zur neuen Wahl. Im
Mittelalter war G. eine Zeit lang Residenz und bis 1320 Krönungsort der Könige. Es erhielt deutsches Recht vor 1262. Von 1655 bis 1656 war G. in den
Händen der Schweden. Wiederholt wurde die Stadt, so 1655, 1760 und 1819, durch Brände heimgesucht. Der Sitz des Erzbischofs ist jetzt in
Posen (s. d.).
Gnetaceen, Pflanzenfamilie aus der Abteilung der Gymnospermen (s. d.) mit gegen 40 meist tropischen
Arten, nur wenige sind in den gemäßigten Zonen, sie bilden in gewissen Beziehungen den Übergang zwischen den Gymnospermen und den
Dikotyledonen, sowohl im Baue des Holzkörpers als auch in der Ausbildung der Blätter; die Blüten sind getrenntgeschlechtig; die männlichen bestehen
aus einer schuppenförmigen Hülle und einem oder mehrern Staubgefäßen; die weiblichen haben gleichfalls ein rudimentäres Perigon und enthalten eine
nackte Samenknospe, die von der Hülle umschlossen wird; diese letztere wird bei der Reife fleischig, wodurch eine beerenartige Frucht entsteht. Beide
Blütenformen stehen meist in Kätzchen, seltener einzeln. Im Habitus sind die wenigen Arten der G. sehr ver-