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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Göttinger Dichterbund - Göttingische Gelehrte Anzeigen

Anzeigen" (s. d.). Die "Union" enthält eine reiche Sammlung wissenschaftlicher und polit. Zeitschriften und Zeitungen nebst einer Auswahl von Broschüren und Büchern aus der schönen und populärwissenschaftlichen Litteratur und bietet zugleich Gelegenheit zu geselliger Unterhaltung. Seit 1893 werden von einigen Docenten der Universität auch Kurse für Damen gehalten.

Geschichte. G. wird als Sitz des Gerichts für den Leinegau 953 erwähnt in einer Urkunde Ottos I.; es erhielt durch Otto IV. städtische Gerechtsame, die Otto das Kind 1232 und Herzog Albrecht 1288 bestätigten. Seit 1261 war der Ort eine Lieblingsresidenz des nach ihm benannten braunschw.-lüneb. Fürstentums und stand als streitbares und wichtiges Glied der Hansa besonders wegen seiner Tuche, die bis nach Nowgorod gingen, in großem Ansehen. Seit 1531 wurden die kirchlichen Verhältnisse im Geiste der Reformation geändert: die Stadt nahm am Schmalkaldischen Bunde teil. Nach einer 7. Juli 1626 begonnenen Belagerung bekam sie 2. Aug. Tilly in seine Gewalt, und sie blieb in den Händen der Kaiserlichen, bis sie im Febr. 1632 wieder an die Schweden unter Herzog Wilhelm von Weimar überging. Infolge dieser Ereignisse ins äußerste Elend versunken, gelangte die Stadt erst wieder durch die Stiftung der Universität zu wachsendem Wohlstand. Auch im Siebenjährigen Kriege geriet G. wiederholt in franz. Hände. Die Jahre von 1770 bis zum Ausbruch der Französischen Revolution bilden die Zeit seines höchsten Glanzes. G. war eine modische Adelsuniversität geworden und erhielt durch den Hainbund (s. Göttinger Dichterbund) auch poet. Ruhm. 1807-13 gehörte G. zum Königreich Westfalen; diese Zeit zeigt ein tiefes Sinken; nach den Freiheitskriegen beginnt ein großer Aufschwung, besonders des Universitätsbesuchs. - Vgl. Zeit- und Geschichtbeschreibung der Stadt G. (3 Bde., Hannov. 1734-36): Pütter, Versuch einer akademischen Gelehrtengeschichte von der Georg-August-Universität zu G. (2 Bde., Gött. 1765-88; fortgesetzt von Saalfeld, Hannov. 1820, und von Österley, Gött. 1838); Rößler, Die Gründung der Universität G. (Gött. 1855); Unger, G. und die Georgia Augusta (ebd. 1861); Göttinger Professoren (Gotha 1872); Mejer, Kulturgeschichtliche Bilder aus G. (Hannov. 1889); Chronik der Georg-August-Universität für 1889/90. Mit Rückblicken auf frühere Jahrzehnte (ebd. 1890); Kalkner, Göttingen ("Städtebilder und Landschaften aus aller Welt", Nr. 8, Münch. 1892): Minerva, Jahrbuch der gelehrten Welt (hg. von Kukula und Trüdner, Straßb. 1893).

Göttinger Dichterbund, ein Bund junger, in Göttingen studierender Dichter, die, wie verschieden sie auch sonst ihrem Charakter nach waren, in ihrer Verehrung für Klopstocks vaterländische Dichtung, ihrer Freiheitsschwärmerei und ihrem, freilich vorwiegend rhetorischen, Tyrannenhaß zusammenstimmten, das franz. Wesen, als dessen Vertreter ihnen besonders Wieland galt, verabscheuten, dagegen die engl. Dichtung, das Volkslied, den altdeutschen Minnesang nachahmten. Als Voß Ostern 1772 nach Göttingen kam, fand er hier schon eine Reihe gleichgesinnter Jünglinge vor, die bei ihren Zusammenkünften unter Boies Vorsitz sich gegenseitig ihre Gedichte vorlasen und kritisierten. Sie standen durch Boies Vermittelung, der als Herausgeber des "Göttinger Musenalmanachs" (seit 1770) einen bedeutenden Briefwechsel unterhielt, in Verkehr mit Ramler, Knebel, Denis, Wieland, Gleim, Jacobi, Michaelis, Dusch, Ebert, Lessing, Weiße u. a. Von den Göttinger Docenten zeigten sich Dieze, Feder, Kästner, Miller und einige andere ihrer Sache gewogen. Bei einem Spaziergange 12. Sept. 1772 nach dem nahe gelegenen Dorfe Weende fanden Voß, die beiden Miller, Fr. Hahn, Hölty in der Nähe einen kleinen Eichengrund, und sogleich fiel ihnen allen ein, den Bund der Freundschaft unter diesen heiligen Bäumen zu schwören. Sie umkränzten die Hüte mit Eichenlaub, tanzten um den Baum herum, riefen den Mond und die Sterne zu Zeugen ihres Bundes an, gelobten sich ewige Freundschaft und legten sich Bardennamen bei. Von nun an wurden die Versammlungen noch regelmäßiger und strenger gehalten und Voß durch das Los zum Ältesten gewählt. Die vom Bunde gebilligten Gedichte wurden in ein gemeinsames schwarzes Buch eingetragen. Bürger stand dem Bunde nahe, ohne eigentliches Mitglied zu sein. Durch die Grafen Christian und Friedr. Leop. von Stolberg, die im Herbst 1772 nach Göttingen kamen, trat der Bund in brieflichen Verkehr mit dem von ihm vergötterten Klopstock. Am 2. Juli 1773 wurde dessen Geburtstag auf Hahns Stube ganz im Sinne des Bundes gefeiert. Oben an der Tafel stand ein Lehnstuhl ledig für Klopstock; seine sämtlichen Werke lagen darauf, Wielands "Idris", zerrissen, darunter. Auf Klopstock wurde ein Vivat, auf Wieland ein Pereat ausgebracht, "Idris" zu Fidibussen verwendet und zuletzt samt Wielands Bildnis verbrannt. Ebenso charakteristisch war der Abschied von den Stolbergs bei deren Weggang von Göttingen 11. Sept. 1773; alles floß in Thränen. Der höchste Ehrentag für den Bund war der Besuch Klopstocks auf seiner Durchreise nach Karlsruhe, Michaelis 1774. Bald darauf zerstreuten sich die Mitglieder des Bundes, dem noch kurz vor der Auflösung der Dramatiker Leisewitz beigetreten war, und trugen die erhaltenen Anregungen in die verschiedensten Gegenden des deutschen Vaterlandes. Den Namen Hainbund, mit dem der Bund auch genannt wird, haben die Bundesglieder selbst nicht gebraucht. Nach dem Vorgange Klopstocks, der sie einmal als den "Hain" grüßen ließ, mögen sie sich diesen Namen beigelegt haben. Der Name, Klopstocks Ode "Der Hügel und der Hain" entlehnt, sollte sie als die Anhänger der german. Bardenpoesie im Gegensatz zu den Nachahmern der Alten kennzeichnen. - Vgl. Prutz, Der G. D. (Lpz. 1841); Sauer, Der G. D. (in Kürschners "Deutscher Nationallitteratur", Tl. 1, Stuttg. 1887; Tl. 2, 1893), und als Hauptquelle: Briefe von Joh. Heinr. Voß (2. Ausg., 3 Bde., Lpz. 1840).

Göttinger Sieben, s. Göttingen.

Göttingische Gelehrte Anzeigen, das älteste der bestehenden kritischen Organe Deutschlands, gingen hervor aus den "Göttingischen Zeitungen von gelehrten Sachen", die Professor von Steinwehr 1739 alsbald nach der Gründung der Universität einrichtete. 1747 übernahm Albr. von Haller unter der noch jetzt fortdauernden Aufsicht der Göttinger Societät der Wissenschaften die Leitung des Blattes, von dem wöchentlich 3 Stücke ausgegeben wurden. Die neue Zeitschrift, die 1753-1833 den Titel "Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen" führte, sollte über möglichst alle neu erscheinenden wissenschaftlichen und sonst hervorragenden Bücher Deutschlands und auch des Auslandes kurz, sachlich und ohne scharfe Kritik