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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Graubündner Alpen - Graudenz
führten. Um der Willkür der Bischöfe und dem über-
greifen Österreichs entgegenzutreten, vereinigten
sich 136? die Gemeinden der Thäler des Domleschg,
Oberhalbstein, Bergell und Engadin mit der Stadt
Chur, dem Domkapitel und dem weltlichen Rat des
Bischofs zu dem sog. Gotteshausbund, der die
bischöfl. Gewalt einschränkte. 1395 bildete sich im
Vorderrheinthal der sog. Obere oder GraueB u n d,
der 1424 zu Trons erneuert wurde. 1436 bildeten
nach dem Aussterben der Toggenburger deren Be-
sitzungen in G. (^chanfigg, Davos, Prättigau) den
Zehngerichtenbund. Diese drei Bünde oder Eidge-
no^ewckaften traten um die Mitte des 15. Jahrh,
wieder unter sich zum Bunde zusammen, wodurch
die bündnerische Staatsentwicklung älterer Zeit
ihren Abschluß fand. Verwaltung und Rechtspflege
übten die Gerichte der einzelnen Gemeinden ganz
selbständig, deren sich oft mehrere, unbeschadet ihrer
Sonderrechte, zu einem sog. Hochgericht vereinigten
und als solche Vereinigung einen eigenen Freistaat
bildeten. 1497 und 1498 schlössen'sich der Graue
und der Gotteshausbund, 15>67 der Zehngerichten-
dund als Zugewandte Orte der Eidgenossenschaft
an. Am Schwabenkriege 1499 beteiligten sich die
Bündner mit größten: Ruhme, und 1512 gewannen
sie durch den großen Pavierzug (s. Schweiz) die Land-
schaften Bormio, Veltlin und Chiavenna, die sie
bis 1797 durch Landvögte regierten.
Die Reformation fand schon 1521 Eingang und
gewann einen glänzenden Erfolg durch die Dispu-
tation in Ilanz 1526. Im Gotteshausbund (der
sich nun vom Bischof befreite) und den Zehngcrich-
ten schlössen sich die Mehrzahl der Gemeinden der
Reformation an, während der Graue Bund größ-
tenteils bei der kath. Konfession blieb. Der Zwie-
spalt zwischen den beiden Konfessionen und der Ein-
fluß fremder Mächte, die sich auf dem für den Alpen-
verkehr so wichtigen Lande befehdeten, gab bäufig
Anlaß zu gegenfeitigen Verfolgungen, sog. Straf-
gerichten fVeltliner'Mord 2O.'Iuli 1620) und zog
das Land in die Wirren des Dreißigjährigen Krie-
ges, welche von 1621 bis 1639 sowohl Österreich wie
Frankreich willkommenen Vorwand znr Besetzung
G.s boten. Zwar gelang es der Staatsklugheit und
Energie von Georg Ienatsch (s. d. und Planta), die
Selbständigkeit des Landes wiederzuerlangen, und
1649-52 gewährte Österreich den Loskauf seiner
letzten Besitzungen in G., mit Ausnahme einiger
unbedeutender Herrschaftsrechte; die Zwistigkeiten
und Strafgerichte setzten sich aber noch bis in das
2. Drittel des 18. Jahrh. fort. An der Spitze der
resorm. oder franz. Partei standen dieSalis, an
derjenigen der kath. oder österr. Partei die Planta.
1797 verlor G. seine ital. Besitzungen, die sich der
Cis alpinischen Republik anschlössen, und 1798 wurde
cs als Kanton Rbätien von Frankreich mit der Hel-
vetischen Republik vereinigt; die dadurch hervor-
gerufenen Reibungen im Volke machten G. 1798
-1800 zum Tummelplatz der sranz^, österr. und
russ. Heere. Durch die Mediationsakte trat endlich
>G. 1803 als 15. Kanton der Eidgenossenschaft bei
und gab sich 1814 nach der Restauration eine Ver-
fassung, auf deren Grundlage die Konstitution von
1820 eingeführt wurde. Danach zerfielen die drei
Bünde in polit. Beziehung in 26 Hochgerichte. Die
souveräne Gewalt stand den Gemeinden zu, die in
letzter Instanz über Gesetze, Verträge u. s. w. ent-
schieden; außerdem bestand ein großer Rat aus 60
-70 Abgeordneten der Hocbgerichte und ein kleiner
Rat aus 3 Mitgliedern. Fester geeinigt und etwas
mebr centralisiert wurde der Kanton durch die Ver-
fassung von 1854, die im wesentlichen noch jetzt gül-
tig ist, ausgenommen, daß 1880 die Initiative und
das Finanzveto eingeführt wurden. Noch mehr ver-
stärkt wurde die Centralisation durch die Verfassungs-
revision vom Okt. 1892, welche das dreigliedrige
Kollcgialsystem der Negierung in ein fünfgliedriges
Departementalfystem mit Volkswahl umwandelte,
die Initiative erleichterte und die "Standeskommis-
sion", eine Vertretung der drei Landesteile neben
der Regiernng, beseitigte. Im Sonderbundsfeld-
zug stand G. auf der Seite der Eidgenossenschaft.
Bei den Abstimmungen über die Revision der eid-
genössischen Verfassung 1872 und 1874 ergaben
sich im Kanton G. verschiedene Resultate, und
zwar 12. Mai 1872 eine Majorität von 11206
Nein gegen 8390 Ja und 19. April 1874 eine Ma-
jorität von 10624 Ja gegen 9422 Nein. Die Zu-
kunft G.s ist bedingt durch den Bau von Eisenbah-
nen, welche Frage die Gemüter in lebhafte Bewegung
zu setzen beginnt; namentlich handelt es sich zur
Verbindung mit Italien um die Erbauung der Bahn
über den Eplügen (s. d.) als Fortsetzung der Ver-
einigten Schweizerbahnen von Chur über Thusis
zum Anschluß an die ital. Bahn in Chiavenna; aber
auch ein verzweigtes Netz von schmalspurigen Thal-
bahnen findet energifche Befürwortung.
Litteratur. Röder und Tfcharner, Der Kanton
G. (1. Abteil., St. Gallen 1838); Archiv für die Ge-
schichte der Republik G., hg. von Th. von Mohr
(Chur 1848 fg.); Planta, Die letzten Wirren des
Freistaates der drei Bünde (ebd. 1857); Theobald,
Das Bündner Oberland lebd. 1861); ders., Natur-
bilder aus den Rhätischen Alpen (2.Aufl., ebd. 1862);
C. von Moor, Geschichte von Kurrhätien und der
Republik G. (3 Bde., ebd. 1869-73); W.vonIuwalt,
Forschungen über dieFeudalzcit im kurischen Rhä'tien
(2 Bde., gür. 1871); von Sprecher, Geschichte der
drei Bünde im 18. Jahrh. (Chur 1872); P. C. von
Planta, Das alte Rhätien (Berl. 1872); ders., Die
kurrhätischen Herrschaften in der Feudalzeit (Bern
1881); Iecklin, Urkunden zur Verfassungsgeschichte
G.s (3Hefte,Zür.1883-86); Planta,Geschichte von
G. in ihren Hauptzügcn (Bern 1892); außerdem
die Specialwerke über einzelne Thäler von Killias,
Lebert, Lechner, Leonhardi, Papon, Rumpf u. a.
Graubündner Alpen, früherer Name des
uördl. Zugcs der Rhätischen Alpen (s. Ostalpen).
Graudenz. 1) Kreis im prensi. Reg.-Bez.
Marienwerder, hat 796,<?2 (Mi, (1890)^63250
(32788 männl., 30462 weibl.) C'.,3 Städte,81 Land-
gemeinden und 83 Gutsbczirke. - 2) G., poln.
(^rn^ilM. Kreisstadt im Kreis G. und Festung
(f. Deutsches Festungssystem),
35 Ivm im SSW. von Marien-
werder und 64 Icin im N. von
^ ^^^^M^l "x Thorn, rechts an der Weichsel,
lß "'M! V l über die eine 1092 in lange
Nebenlinien Konitz-Laskowitz-
G. (91,7 wn), G.-Eoldau-
Illowo (120,5 km) und Thorn-
MarienburgderPreuß.Staats-
bahnen, Sitz des Landratsamtes, eines Landgerichts
(Oberlandesgericht Marienwerder) mit 5> Amtsge-
richten (G., Marienwerder, Mewe, Neuenburg,
Schwetz), eines Amtsgerichts, einer Rcichsbankstelle
(Gesamtvcrkehr 1892: 49,725 Mill.M.), eines Ioü-
18^