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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Griechische Kunst
kurz nach der Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. in Milet, Priene und Ephesus unternahm, um würdigen Ersatz für die seit den Perserkriegen in Trümmer liegenden Heiligtümer zu schaffen. In ihnen zeigt der ion. Stil, der hier auf Kolossalverhältnisse angewendet ist, seine reichste Entfaltung. Dem Didymaion in Milet und dem Artemisheiligtum in Ephesus stand der als Pseudodipteros angelegte Tempel der Artemis Leukophryene zu Magnesia an Größe nicht nach, wohl aber an Feinheit der Ausführung. Sein Baumeister war Hermogenes, der auch den Apollotempel in Teos baute und seine Grundsätze, daß der ion. Stil dem dorischen vorzuziehen sei, in einer Schrift niederlegte, aus der Vitruv für seine Architekturlehre geschöpft haben soll.
Hinter dem Tempelbau trat im 5. und 4. Jahrh. die Profanarchitektur zurück. Ein Wandel aber erfolgte in hellenistischer Zeit im Zusammenhang mit den Städtegründungen Alexanders d. Gr. und seiner Nachfolger, indem sich nun die Bedürfnisse mehr auf glänzende und zweckmäßige Einrichtung der Nutzbauten und alles zur Bequemlichkeit des Lebens Dienende richteten. Alexandria (s. d.) mit seinen regelmäßigen Straßenanlagen und den gewaltigen öffentlichen und Privatgebäuden wurde vorbildlich für die übrige Welt. In den Anlagen von Wasserleitungen, Bädern, Palästen, Gymnasien, Bibliotheken, Hallen, Theatern, Odeen fanden jetzt die Architekten ihre Hauptaufgaben, und in der unter dem Einfluß orient. Muster aufkommenden Dekoration der Innenräume durch eine Art monumentaler Polychromie, durch Verkleidung der Wände mit bunten Marmorplatten (s. Alexandrinische Kunst) eröffnete sich der Baukunst ein ganz neues Gebiet. Ein einheitliches, wenn auch verhältnismäßig nur bescheidenes Bild einer hellenistischen Stadtanlage hat die Ausgrabung der Burg von Pergamon (s.d.) geliefert, einzelne große Bauten dieser Zeit sind in geringen Überresten in Athen, in Olympia, auf Samothrake und andern Orten erhalten, während von ihren bedeutendsten Schöpfungen, den Anlagen in Alexandria und Antiochia, nichts geblieben ist. - Vgl. Hirt, Die Geschichte der Baukunst bei den Alten (3 Bde., Berl. 1821-27); Hübsch, über griech. Architektur (Heidelb. 1822; 2. Aufl. 1824); Kugler, Geschichte der Baukunst (3 Bde., Stuttg. 1856-59); Reber, Geschichte der Baukunst im Altertum (Lpz. 1866; neue Ausg. 1869); Bühlmann, Die Architektur des klassischen Altertums und der Renaissance (2 Abteil., Stuttg. 1872-77); Handbuch der Architektur, hg. von Durm, Ende u. a. (2. Tl.: Die Baustile, Bd. 1, Darmst. 1881-87); Lübke, Geschichte der Architektur, Bd. 1 (6. Aufl., Lpz. 1884).
II. Bildnerei. Die älteste sichere Kunde von den Anfängen der griech. Skulptur reicht nicht über das 7. Jahrh. v. Chr. hinauf und knüpft an die Kunstübung auf den Inseln und der kleinasiat. Küste an. Die Überlieferung nennt Künstler von Samos, wo namentlich die Erzarbeit gepflegt wurde, von Kreta, Chios, Naxos, Paros. In Samos waren namentlich die Meister Theodorus und Rhökus durch ihre Bronzewerke berühmt. Keines von diesen hat sich erhalten, wohl aber vermag eine auf Samos gefundene langbekleidete weibliche Marmorstatue eine ungefähre Vorstellung davon zu geben, in welchen Formen sich die Bildnerei damals bewegte. Die Figur ist mit steif herabhängenden Armen und ganz in das Gewand eingewickelt dargestellt; mit großem Fleiß sind jedoch die Gewandfalten durch parallellaufende Linien um die runde Oberfläche herum in den Marmor eingeschnitten. Die Heilige Straße, welche in Milet vom Hafen zum Apollotempel führte, war mit Marmorstatuen von sitzenden Priestern und Priesterinnen eingefaßt (jetzt im Britischen Museum in London). Unter ihnen geben die einen an Formlosigkeit jener aus Samos nichts nach, in den andern jüngern offenbart sich aber schon das reger erwachte Verständnis für die Natur der Formen. Das Gewand läßt, sich enger anschmiegend, die einzelnen Glieder in ihrer Gestaltung sichtbar werden, ebenso folgen die Falten bereits, wenn auch noch schematisch und steif gezeichnet, der Bewegung des Körpers. Diese Figuren leiten zu der Kunst von Chios über. Plinius nennt vier Generationen von dortigen Bildhauern: Melas, Mikkiades, Archermus und dessen Söhne Vupalos und Athems, welche letztern in der zweiten Hälfte des 6. Jahrh. v. Chr. lebten. Von Archermus sagt die Überlieferung, daß er zum erstenmal die Nike (Siegesgöttin) geflügelt dargestellt habe; eine solche wurde mit einer allem Anschein nach zu ihr gehörigen Inschrift, die Mikkiades und seinen Sohn Archermus als Künstler nennt, auf Delos gefunden. Die Figur ist mit großen Flügeln ausgestattet und mit langem Gewände bekleidet, das in breiter Masse auf die Basis herabfällt und so der Figur als Stütze und Träger dient, während die weit ausschreitenden Beine frei in der Lust schweben. So ist bis zu einem gewissen Grad der Eindruck eines wirklichen Fliegens. erreicht. Das Wagnis, dieses Motiv, das schon im Bronzerelief und in der Vasenmalerei vorgebildet war, in die Rundplastik einzuführen, setzt eine bereits stark entwickelte Beherrschung der Marmortechnik voraus. Diese scheint für die chiotische Kunstschule charakteristisch zu sein. Unter der Herrschaft des Pisistratus war dieses in Chios heimische rege Kunstleben in Athen eingezogen. Eine Reihe von Marmorfiguren, im Bauschutt der Akropolis gefunden (s. Taf. II, Fig. 8), sowie gleichartige aus Delos, zeigen eine auffallend routinierte Behandlung des Marmors; in ihnen nimmt man Werke der chiotischen Schule an. Auf schwierige Unterschneidungen des Marmors, elegante Glättung derOberfläche, auf eine komplizierte Behandlung der Gewandfalten scheinen diese Künstler besonders ihr streben gerichtet zu haben und sie verstanden es, den Eindruck des Zierlichen, der ihren Werken anhaftete, noch durch den Reiz feiner Bemalung zu steigern, die aber nicht die ganzen Figuren bedeckte, sondern nur leicht und an einzelnen Stellen aufgetragen die Schönheit des Marmortones erst recht zur Geltung kommen ließ. Allerdings gab es in Athen auch vor der Zeit des Pisistratus eine Kunstbildnerei. Man arbeitete in einheimischem Material, in weichem Kalkstein und hymettischem Marmor, welche beide nicht eine so feine Durchbildung der Formen, auch nicht eine so feine Farbenbehandlung zuließen, wie sie der bessere, durch die Künstler von den Inseln importierte parische Marmor ermöglichte. Zahlreiche auf der athenischen Akropolis gefundene Bildwerke, wie namentlich die Reste einer kolossalen Giebelkomposition, welche Herakles im Kampf mit dem Triton darstellte, geben Zeugnis von dieser einheimischen Kunstübung, der eine gesunde und kräftige Einfachheit innewohnt. Sie bewahrte sich ihren Charakter auch nach dem Eindringen der Kunst von den Inseln her bei allem, was sie dieser ablernte. Unter den athenischen Meistern, die unter dem Einfluß