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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Griechische Sprache

reiche Äolismen hervor. Im attischen Drama herrscht in den dialogischen Partien der attische Dialekt, aber mit Beimischung von Epismen und Dorismen der Dichtersprache; diese dichterische Beimischung wird stärker in den anapästischen Stücken; in den melischen endlich (Chor- und Bühnengesängen) erhält die Sprache eine der dor. Lyrik verwandte, aber leichtere dor. Färbung.

In der Prosa tritt zuerst der ion. Dialekt auf (Logographen, Herodot). Von der Zeit des Peloponnesischen Krieges an aber kam die attische Mundart als allgemein griech. Schriftsprache in Gebrauch und stand nun in ähnlicher Weise über den Volksmundarten, wie die hochdeutsche Schriftsprache über unsern Lokaldialekten steht, doch ohne sie ganz aus dem Schriftgebrauch zu verdrängen. Im 4. Jahrh. v. Chr. wurde das Attische die Umgangssprache am macedon. Hofe und verbreitete sich mit der macedon. Herrschaft im Orient und in Ägypten. Es entwickelte sich jetzt eine neue Form des Attischen, die man die koinē (κοινή, «die Gemeinsame») nennt und die sich von dem reinen Attisch weniger in formeller, um so mehr in lexikalischer und syntaktischer Beziehung unterscheidet. Im Gebrauch der Gebildeten und der Schriftsteller entfernte sich die koinē weniger vom Attischen, als im Mund des niedern Volks außerhalb Griechenlands. (S. Alexandrinischer Dialekt.) In Griechenland selbst lebten die alten Volksmundarten, von der Schriftsprache mehr oder minder beeinflußt, fort, wenn auch aus dem schriftlichen Gebrauch immer mehr zurückgedrängt; doch scheinen die meisten von ihnen schon bald nach Christi Geburt ganz erloschen zu sein. Die neugriech. Volksdialekte beruhen mit Ausnahme des Zakonischen auf der koinē. (S. Neugriechische Sprache und Litteratur.)

Das Griechische ist unter den indogerman. Sprachen eine der altertümlichsten. Hinsichtlich des Vokalismus und der Syntax des Verbums hat keine andere Sprache den Stand der indogerman. Grundsprache so treu festgehalten. In andern Beziehungen läuft dem Griechischen meist das Indische den Rang ab.

In der grammatischen Erforschung des Griechischen haben die Alten schon nicht Unerhebliches geleistet. Aristoteles und die Stoiker suchten die sog. Redeteile auf und schufen in der Hauptsache die grammatische Terminologie, die noch heute bei allen Kulturvölkern üblich ist. Die alexandrinischen Philologen der letzten Jahrhunderte v. Chr., wie Aristarch, erwarben sich durch ihre im Interesse der Textkritik angestellten sprachlichen Untersuchungen Verdienste. Das erste systematische Lehrgebäude der Grammatik verfaßte Dionysius Thrax, aus der Schule Aristarchs (etwa 100 v. Chr.); auf seiner «Grammatik» beruht die traditionelle Schulgrammatik des gesamten Occidents. Doch umfaßte das System der Grammatik des Dionysius noch nicht alle Teile der Grammatik: es fehlte neben der Laut- und Formenlehre noch die Syntax. Diese schuf Apollonius Dyscolus (2. Jahrh. n. Chr.), von dem vier syntaktische Schriften erhalten sind. Sein Sohn Älius Herodianus, der vorzugsweise auf dem Gebiet der Lautlehre thätig war, ist der letzte hervorragende Grammatiker der Griechen. Die grammatischen Leistungen der Byzantiner beschränken sich von nun im wesentlichen auf Auszüge aus den ältern Werken. Erst mit dem Wiedererwachen der klassischen Studien im 14. Jahrh. begannen die sprachwissenschaftlichen Forschungen wieder. Unter den griech. Gelehrten, die damals die Kenntnis des Griechischen in Italien verbreiteten, ist Emanuel Chrysoloras hervorzuheben, der 1395 Lehrer des Griechischen in Florenz wurde. 1476 erschien die griech. Grammatik des Konstantin Laskaris (der erste griech. Druck) und blieb lange in Ansehen. In Deutschland und den Niederlanden wurde das Studium des Griechischen durch Reuchlin, Erasmus und Melanchthon begründet; des letztern griech. Grammatik (1518) blieb bei uns über ein Jahrhundert die herrschende. 1654 trat an ihre Stelle Wellers «Grammatica graeca nova», der 1705 die «hallische» und 1730 die «märkische» Grammatik folgten. Neben diesen Schulbüchern sind auch streng wissenschaftliche Untersuchungen zur griech. Grammatik zu verzeichnen, wie die von Devarius (1558), Vigerus (1632) und Fischer (1750).

Im 19. Jahrh. nahm die griech. Grammatik einen neuen mächtigen Aufschwung in doppelter Richtung, einerseits durch die klassische Philologie, die durch kritische Bearbeitung der aus dem Altertum überlieferten Sprachdenkmäler, durch sorgfältige Beobachtung des Sprachgebrauchs, durch Sammlung der sprachlichen Thatsachen die Kenntnis des Griechischen wesentlich erweiterte, andererseits durch die vergleichende Sprachwissenschaft, die in Bezug auf die Entwicklungsgeschichte der G. S. die wichtigsten Aufschlüsse gewährte. Der erstern Richtung gehören an die grammatischen Werke von Gottfried Hermann, Buttmann, Lobeck, Matthiä («Ausführliche griech. Grammatik», 3. Aufl., Lpz. 1835), Krüger («Griech. Sprachlehre für Schulen», 2 Bde., 5. Aufl., ebd. 1873‒75), Kühner («Ausführliche Grammatik der G. S.», 2. Aufl., 2 Bde., Hannov. 1869‒72; 3. Aufl. bearbeitet von Friedr. Blaß, Bd. 1, ebd. 1892) u. a. Unter den vergleichenden Sprachforschern sind für das Griechische in hervorragenderer Weise thätig gewesen Bensey, G. Curtius, Leo Meyer, Fick, B. Delbrück, Joh. Schmidt, Gustav Meyer, Brugmann, Osthoff, R. Meister, Bechtel, Collitz, Blaß u. a. Wissenschaftliche Grammatiken lieferten in neuester Zeit G. Meyer («Griech. Grammatik», 2. Aufl., Lpz. 1886), Brugmann («Griech. Grammatik» in J. Müllers «Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft», Bd. 2, 2. Aufl., Münch. 1890) und Pezzi («La lingua greca antica», Tur. 1888). Die Homerische Sprache behandelten Monro, «Grammar of the Homeric dialect» (2. Aufl., Oxf. 1891), und Vogrinz, «Grammatik des Homerischen Dialektes» (Paderb. 1889). Von den neuern griech. Schulgrammatiken seien genannt die von Curtius (1. Aufl. 1852; 20. Aufl. bearbeitet von W. von Hartel, Lpz. 1890), Koch (13. Aufl., ebd. 1889), Kaegi (2. Aufl., Berl. 1889) und Bamberg (3 Tle., ebd. 1889).

Die Grundlage der neuern griech. Lexikographie bildet H. Stephanus’ «Thesaurus linguae graecae» (1. Ausg. 1572), der im 19. Jahrh. durch C. B. Hase, W. Dindorf u. a. eine dem jetzigen Stande der Wissenschaft entsprechendere Gestaltung (9 Bde., Par. 1829‒63) erhalten hat. Das vollständigste griech.-deutsche Wörterbuch ist Passows «Handwörterbuch der G. S.» (5. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1841‒57); daneben sind die Lexika von Pape (3. Aufl., 2. Ausg., Braunschw. 1888), Jacobitz und Seiler (3. Aufl., Lpz. 1876; neuer Abdruck 1882‒86) und Benseler (8. Aufl., ebd. 1886), Suhle und Schneidewins «Übersichtliches griech.-deutsches Hand-[folgende Seite]