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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Großbritannien und Irland (Geschichte 1603-1714)

Prinzessin Henriette Marie war. Wenn er so eines Sinnes mit dem Parlament zu sein schien und diesem nach seiner Thronbesteigung in versöhnlichem Sinne entgegentrat, so war doch das Mißtrauen, das Jakob I. gesäet, so weit gediehen, daß das Unterhaus den Krieg auch mit dem neuen Monarchen eröffnete, indem es die seither jedem Kronträger auf Lebenszeit bewilligten Zölle, das Tonnen- und Pfundgeld (s. d.) Karl nur auf ein Jahr zugestand. Karl, der seinen Vater nicht nur durch seine äußere Erscheinung und sein taktvolleres Auftreten, sondern auch durch Feinheit des Geistes, polit. Einsicht und Festigkeit übertraf, hatte jedoch von ihm die übertriebene Idee von der Macht und den Ansprüchen des Königtums geerbt. Bei diesen Anschauungen rief das Vorgehen des Parlaments schroffe Gegenhandlungen hervor, indem Karl auch die unbewilligten Steuern eintrieb. Aber schlimmer noch als diese Rechtsverletzung war, daß der König, der zwei Parlamente in offenem Hader aufgelöst hatte, bei seiner Finanznot einem dritten (1628) weiteste Zugeständnisse in der Bewilligung der "Bitte um Recht" (s. Petition of right) machte mit dem stillen Vorbehalt, sie nicht zu erfüllen. Während der unversöhnliche innere Hader dazu führte, daß Karl elf Jahre lang ohne Parlament zu regieren unternahm, wirkte er auch verderblich auf Englands auswärtige Stellung. Karl sowie sein Freund und Berater Buckingham waren zu einer auch vom Parlament geforderten eingreifenden prot. Politik in dem großen Kampf der beiden Bekenntnisse in Europa entschlossen. Das Parlament aber vereitelte in seiner blinden Erbitterung den Krieg gegen Spanien, wie einen spätern zur Unterstützung der Hugenotten gegen Frankreich; die mit ungenügenden Mitteln unternommenen Versuche Buckinghams mißglückten, und dieser selbst wurde von einem Fanatiker ermordet (1628). Der Krieg im Innern zwang Karl zum Frieden nach außen, er suchte jetzt in parlamentsloser Regierung sich eigene finanzielle Hilfsmittel zu schaffen; dabei ist die Erhebung des sog. Schiffsgeldes (s. d.) in besonders übelm Andenken geblieben. Gewalt, Rechtsverletzung, Tyrannisierung der Gerichte wurden nicht gescheut, und wie in polit. Dingen so suchte der König auch in kirchlichen seine einseitig anglikan. Anschauungen zur Geltung zu bringen, dort von dem kraftvollen Grafen Strafford, hier von dem zelotischen und energischen Erzbischof Laud unterstützt. Aber die schon von Jakob begonnene, jetzt neu unternommene Einführung der engl. Bischofskirche in dem presbyterianischen Schottland rief bewaffneten Widerstand hervor. Gegen die rebellischen schott. Unterthanen mußte Karl die Hilfe der englischen anrufen; aber das Parlament verweigerte sie. In dem dennoch unternommenen Krieg erlag der König, und nun sah er sich genötigt, von neuem ein Parlament zu berufen (3. Nov. 1640), das unter dem Namen des Langen Parlaments (s. d.) zu Berühmtheit gelangt ist. Nachdem es den König seiner Berater beraubt und ihn gezwungen hatte, sich seinen Forderungen zu fügen, erhob es sich schließlich in der "Großen Remonstranz" geradezu zur Beanspruchung eines Parlamentsabsolutismus über Krone und Staat. Der König, der durch Nachgiebigkeit sich den Frieden mit den Schotten erkauft hatte, versuchte durch einen wenig geschickten, obendrein mißglückten Gewaltakt die Führer des Unterhauses gefangen nehmen zu lassen (Jan. 1642). Gleichzeitig schien auch die kurz zuvor von Strafford fester begründete engl. Herrschaft in Irland zusammenbrechen zu sollen. Die Iren benutzten den innern Hader ihrer Feinde, um viele Tausende ihrer Bedrücker zu verjagen und zu töten. (S. Irland.)

In England kam es zum offenen Bürgerkrieg. Mit leidlichem Glück behaupteten sich zunächst die Königlichen unter Führung Karls und seines Neffen Ruprecht von der Pfalz, bis auf Betreiben des Wortführers im Unterhause, Pym, das Parlament sich mit den Schotten verband (1643). Von ausschlaggebender Bedeutung war jedoch die Umgestaltung der Parlamentstruppen unter Führung des jetzt in den Vordergrund tretenden Oliver Cromwell. Bei Marston Moor (1644) erlitt Ruprecht eine Niederlage, 1645 wurde Karls Heer bei Naseby vernichtet. Er flüchtete zu den Schotten, diese aber lieferten ihn dem Parlament aus (Jan. 1647).

Karl setzte seine Hoffnung auf den Zwiespalt im gegnerischen Lager, der jetzt ausbrach und sich stetig verschärfte zwischen der engherzigen presbyterianischen Parlamentsmehrheit und dem religiös tolerantern Independentismus, der vollkommen das Heer beherrschte. Aber seine Hoffnung trog, weil das meuternde Heer gegen London rückte und Stadt und Parlament in seine Gewalt brachte. Des Königs letzter Versuch, nun im Bunde mit den Schotten durch die Erregung eines zweiten Bürgerkrieges (1648) die revolutionäre Macht des independentischen Heers zu brechen, wurde von diesem sofort niedergeschlagen. Da auch das Parlament sich mit dem König in Unterhandlungen eingelassen hatte, so wurden die streng presbyterianischen Mitglieder verhaftet und von den Sitzungen ausgeschlossen (Dez. 1648), sodaß nur ein geringer Rest das sog. Rumpfparlament (s. d.), übrigblieb. Vor allem traf die Rache des Heers den König; er wurde vor einen außerordentlichen Gerichtshof gestellt, verurteilt und 30. Jan. 1649 zu London enthauptet.

Damit war die siegreiche Armee zur alleinigen Herrscherin im Staat geworden, neben ihr das ganz von ihr abhängige Rumpfparlament. Führer der Truppen war Thomas Fairfax, aber der leitende Geist war Oliver Cromwell. Königtum und Oberhaus wurden für abgeschafft erklärt und ein Staatsrat neben dem Rumpfparlament an die Spitze des neuen "Gemeinwesens" (common wealth) gestellt. Den Versuch, von Irland aus eine Herstellung des Königtums zu unternehmen, schlug Cromwell mit blutiger Strenge nieder (1649); ebenso traf er die Schotten, die den Sohn des hingerichteten Königs herbeigerufen hatten, vernichtend bei Dunbar (1650) und den jungen Karl selbst bei Worcester (1651). Damit war Schottland wie Irland dem neuen Freistaat unterworfen, und zugleich erzwang dessen Flotte unter Robert Blake (1651-54) von den Niederlanden die Anerkennung der Navigationsakte (s. d.). Vergeblich waren dagegen alle Bemühungen, im Innern den Zwiespalt zwischen der neuen Heeresgewalt und der im Rumpfparlament dargestellten alten gesetzlichen Macht zu beseitigen. Blind für die bestehenden Verhältnisse, forderte dieses die Summe aller Gewalt für sich. Bei seiner thatsächlichen Machtlosigkeit war die Folge, daß Cromwell es mit Truppenhilfe auseinandertrieb und nun den Versuch machte, mit einem vom Staatsrat berufenen, aus anerkannt independentisch gesinnten Männern gebildeten Parlament zu regieren. Als auch dieser scheiterte, weil extrem-religiöse Schwarmgeister die Führung zu ergreifen begannen, gab Cromwell der