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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Großbritannien und Irland (Geschichte 1846-53)

fung und Ersetzung durch Lord Hardinge geführt (April 1844), aber thatsächlich hatte er große Erfolge errungen, denen andere durch die Niederwerfung der Sikh (Febr. 1846) zur Seite traten. Die Engländer waren bis Lahaur ins Pandschab eingerückt und hatten im Frieden die Abtretung des Landes zwischen dem Satladsch und Biaß erzwungen.

Die ersten Maßnahmen der neuen Whigregierung waren nicht von demselben Erfolg begleitet; in der von Ludwig Philipp betriebenen span.-franz. Heiratsangelegenheit (s. Spanien) kam es zu ernsterm Zerwürfnis mit der Pariser Regierung, und erst 1847 errang Palmerston einen Erfolg, indem er die geplante Einmischung der übrigen Großmächte in den Konflikt zwischen der schweiz. Tagsatzung und dem Sonderbund (s. Schweiz) geschickt durchkreuzte. In Irland schien sich die Lage für die Regierung günstig zu gestalten, weil die Repealbewegung bedeutend geschwächt und die Iren selbst gespalten waren durch den Gegensatz der revolutionslustigen "Jung-Irland-Partei" (s. Junges Europa) und dem jetzt maßvoller auftretenden O'Connell, aber die Wirkungen der allgemeinen Hungersnot des J. 1846 zeigten sich besonders furchtbar gerade hier. In umfassendster Weise mußte mit Staatsunterstützung bis zur Höhe von 10 Mill. Pfd. St. vorgegangen werden, wobei der sehr gute Stand der Staatsfinanzen der Regierung zu Hilfe kam. Neben diesen Erfolgen in der Finanzverwaltung standen Reformen für Volksschulwesen, Regelung der Kinderarbeit in Fabriken, die Abschaffung von Strafdeportationen nach Australien. So brachten die Neuwahlen im Sommer 1847 eine wenn auch nur kleine ministerielle Mehrheit, aber sie zeigten zugleich, wie die Schwierigkeiten für die Regierung durch die immer weiter gehende Parteizerklüftung gewachsen waren. Die nur einige 30 Stimmen zählende Mehrheit war aus drei Gruppen zusammengesetzt, den alten Whigs, den Liberalen und den Radikalen unter Cobden. Ihnen gegenüber standen die schutzzöllnerischen Konservativen unter Disraeli (s. Beaconsfield) und die liberal-konservativen Peeliten. Das 23. Nov. 1847 zusammentretende neue Parlament hatte sich neben der irischen Hungersnot zunächst mit den Folgen der großen Handelskrisis zu befassen, die damals England betroffen hatte. Eine bedeutende Anzahl schwerer Bankbrüche, allgemeine Geschäftsstockung und Arbeitsnot bewirkten zugleich einen beträchtlichen Ausfall der öffentlichen Einnahmen. Aber der Versuch des Ministeriums, dem durch eine Erhöhung der Einkommensteuer von 3 auf 5 Proz. zu begegnen, rief einen solchen Entrüstungssturm hervor, daß man den Plan fallen lassen mußte.

Die großen europ. Ereignisse, die der franz. Februarrevolution von 1848 folgten, übten auch ihre Wirkung in England. Das fremde Beispiel setzte die Massen auch hier in Bewegung; in Glasgow, Manchester und andern Orten mußten Pöbelunruhen niedergeschlagen werden, die Chartisten veranstalteten Massenversammlungen und brachten 10. April 1848 in großem Aufzuge eine Monstrepetition mit ihren demokratisch-socialistischen Forderungen an das Parlament. Ihre Wirkung war nur gering, zumal eine große Zahl der Unterschriften sich als gefälscht erwies, vielmehr begann es von dem Zeitpunkte an mit der Chartistenbewegung abwärts zu gehen. Auch in Irland war im Frühling 1848 die Repealagitation wieder von neuem erwacht. Die Leiter des "Jungen Irland" drängten zur revolutionären Losreißung von England und zum Bündnis mit Frankreich, sodaß die Regierung energisch vorgehen und einen Hochverratsprozeß anstrengen mußte. Die Aufregung wuchs, das Parlament genehmigte die Aufhebung der Habeas-Corpus-Akte für Irland, und ein (29. Juli) versuchter offener Aufstand unter O'Brien wurde nach blutigem Zusammenstoß niedergeworfen. Die ganze pomphaft angekündigte irländ. Erhebung war damit zu Ende.

Neben diesen Vorgängen ruhte die Reformarbeit im Parlament nicht. Die noch bestehenden Schiffahrtsgesetze, die auf die Navigationsakte (s. d.) von 1651 zurückgingen und die einen großen Teil des Handels mit England nur engl. Schiffen vorbehielten, sollten durch Antrag der Regierung vom 15. Mai 1848 beseitigt werden. Der Widerstand, den die Schutzzöllner dem entgegensetzten, war ein so hartnäckiger, daß erst in der folgenden Session der Antrag Gesetz wurde, 28. Juni 1849. Völlig scheiterte im Oberhause der Versuch, den Juden Eintritt ins Parlament zu verschaffen; ebenso einige Anträge des unter Cobden gebildeten Vereins für weitere Parlamentsreform. Die treffliche Finanzverwaltung machte es dem Kabinett möglich, trotz erneuter Unterstützungsgelder an das notleidende Irland alljährlich mit Überschüssen vor das Parlament zu treten. Bot sich hier somit für die konservative Opposition unter Disraelis Führung wenig Gelegenheit zu erfolgreichen Angriffen, so war dies in höherm Maße der Fall gegenüber Palmerstons Leitung der auswärtigen Politik. Nach dem Sturze Ludwig Philipps hatten sich mit dem republikanischen Frankreich zwar die Beziehungen freundlich gestaltet; aber die unverhohlenen Sympathien Englands für die aufständischen Ungarn und für die ital. Einheitsbestrebungen, seine diplomat. Einwirkungen in Neapel und Sardinien verstimmten in Österreich auf das höchste, und da schließlich die Reaktion den Sieg behielt, so empfand man dies allgemein als diplomat. Niederlage Palmerstons. Besonderes Aufsehen erregte sein brutales Vorgehen gegen Griechenland. Als dieses die Entschädigungsansprüche für einen unter engl. Schutz stehenden portug. Juden Pacifico abgewiesen hatte, dessen Wohnung bei einem Pöbelaufstand zerstört worden war, wurden sofort sämtliche griech. Häfen blockiert, und erst die energischen Vorstellungen Frankreichs und Rußlands sowie ein Tadelsvotum des Oberhauses bewogen Palmerston zur Mäßigung. In der schlesw.-holstein. Frage (s. Dänemark, Bd. 4, S. 769), in der er bisher eine abwartende Haltung angenommen, fügte er sich dagegen durch Unterzeichnung der Londoner Protokolle vom 4. Juli und 2. Aug. 1850 ganz den Forderungen der russ. Politik. Zu gleicher Zeit brachen in Canada offene Unruhen aus, und in Indien, im Pandschab, begann eine Erhebung gegen die noch junge engl. Herrschaft. Man hatte Mai 1848 eine gefährliche Verschwörung unter den Sikh entdeckt, die Aufständischen zweimal geschlagen und das zuerst vergeblich belagerte Multan 22. Jan. 1849 genommen. Aber am Dschihlam (Hydaspes) kam es 13. Jan. 1849 zu einer unentschiedenen Schlacht, infolge deren der Oberbefehlshaber Gough durch Sir Charles Napier ersetzt werden sollte. Noch vor dessen Eintreffen gewann jedoch Gough 21. Febr. den entscheidenden Sieg bei Gudschrat, dem die Unterwerfung des Pandschab folgte.

Die größte Aufregung rief ein 30. Sept. 1850 veröffentlichtes päpstl. Breve hervor, das eine Reihe