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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gryphius (Sebastian) - G-Schlüssel
tums Glogau, welches Amt er in ausgezeichneter
Weise verwaltete. Er starb 16. Juli 1664 zu Glogau,
mitten in einer Versammlung der Stände vom
Schlag getroffen.
Als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft
hieß G. der Unsterbliche, ^chon in früher Jugend
von herben Unglücksfällen, später von beutesüchti-
gen Feinden und ränkevollen Neidern verfolgt,
durch die Unruhen und Schrecken des Krieges hin
und her gescheucht, in Holland von körperlichen Lei-
den schwer heimgesucht, nährte er in sich einen Geist
der Schwermut, des Tiefsinns und der Herbheit,
der sich auch in seinen Dichtungen widerspiegelt.
Diese Stimmung wurde noch gesteigert durch den
schmerzlichen Anteil, den er an den zerrütteten, ver-
wilderten und gedrückten Verhältnissen des deutschen
Vaterlandes nahm. Tiefe, nur in der Religion Trost
findende Melancholie, gepaart mit Innigkeit und
Feuer, spricht sich namentlich in seinen lyrischen
Dichtungen, in den Sonetten und den "Kirchhofs-
gedanken" aus, während er in Epigrammen und
Satiren die Schwächen und Thorheiten seiner Zeit
mannhaft geißelte. Überall zeichnet er sich durch
den Ernst seiner Gesinnung und wahre Empfindung
aus. Wenn er aber im lyrischen Gebiete an Fleming
und Opitz glückliche Nebenbuhler hatte, so steht er im
17. Jahrh, unter den Deutschen unerreicht als dramat.
Dichter da und kann als Vater des kunstmähigen
Trauerspiels in Deutschland betrachtet werden. Seine
Tragödien "Leo Armenius" (1646), "Katharina von
Georgien" (1647), "Cardenio und Celinde", "Papi-
nianus" (beendigt 1663) sind, obgleich teilweise in
der Nachahmung Senecas und des Niederländers
Vondel befangen und in Übertreibungen und Aben-
teuerlichkeiten ausartend, doch Dichtungen von eigen-
tümlicher Größe, voll Phantasie und Schwungder
Sprache, und zeichnen sich durch ein wahrhaft tra-
gisches Element aus. In seinem "Carolus Stuar-
dus" (1649, überarbeitet 1663) wird der Versuch
gemacht, ein zu seiner Zeit noch frisches histor.
Faktum zu dramatisieren. Viel höher als die mit
Cbören versehenen kunstmäßigen Tragödien stehen
seine in Prosa geschriebenen, echt volkstümlichen,
ganz aus dem Leben geschöpften, in Stoff und An-
lage gleich ausgezeichneten Lustspiele: "Peter
Squentz" (gedichtet gegen 1650; Neudruck Halle
1878), welchem die Episode aus Shakespeares "Som-
mernachtstraum" zu Grunde liegt, "Horribilicribri-
far" (gleichfalls gegen 1650; Neudruck Halle 1876),
eine Verspottung der bramarbasierenden Soldaten
und der gelehrten Pedanten, und vor allem "Die
gelibte Dornrose", ein köstliches, in schles. Dialekt ge-
schriebenes humorvolles Bauernspiel, das mit einem
kunstmähigen Singspiel, "Das verlibte Gespenste"
(beide neu hg. von Palm, Bresl. 1855), verflochten ist.
Auch schrieb G. Festspiele, bearbeitete Dramen aus
dem Holländischen, Italienischen und Französischen
und dichtete in lat. Sprache ein religiöses Epos "Der
Ölberg", übersetzt von Strehlke (Weim. 1862). Ziem-
lich vollständige, aber unkorrekte Ausgaben seiner
Dichtungen erschienen zu Vreslau 1657, Leipzig
1663 und (von Christian G. besorgt) zu Breslau
und Leipzig 1698. Seine Lustspiele, Trauerspiele
und lyrischen Gedichte wurden neu hg. von H. Palm
(in der Bibliothek des "Litterarischen Vereins",
Stuttg. 1878-82), von Tittmann (in den "Deutschen
Dichtern des 17. Jahrh.", Bd. 4 u. 14, Lpz. 1870 u.
1880) und von H. Palm (in Kürschners "Deutscher
Nationallitteratur"', auch mit einer Auswahl der
Gedichte, Stuttg. 1883). Neudruck der Sonn- und
Feiertags-Sonette von H. Welti (Halle 1883). -
Vgl. Klopp, Andreas G. als Dramatiker (Osnabr.
1851); Kollewijn, Über den Einfluß des Holland.
Dramas auf G. (Heilbr. 1880); Wysocki, ^när. 6.6t
w ti-HF6äi6 3.1i6uikuä6 au XVII^ Ziecik (Par. 1893).
Christian G., ältester Sohn des vorigen, geb.
29. Sept. 1649 zu Fraustadt, gest. 6. März 1706
als Bibliothekar, Professor und Rektor des Mag-
dalenen-Gymnasiums zu Breslau, schrieb wertlose
lyrische Dichtungen u. d. T. "Poet. Wälder" (Franks,
und Lpz. 1698; 3. Aufl. 1718). Tüchtiger sind seine
wissenschaftlichen Arbeiten, z. B. "Kurzer Entwurf
der geistlicyen und weltlichen Ritterorden" (Lpz. 1697;
1709), "Gedächtnisschriften" (ebd. 1702).
Gryphius, Sebastian, Buchdrucker und Buch-
händler, geb. 1493 zu Reutlingen, gest. 7. Sept.
1556, vielleicht dem Michael Greyff verwandt, wel-
cher 1486-96 daselbst druckte, und ein Bruder des
Franz G., der in Paris bis 1540 in gleicher Weise
thätig war, kam schon jung nach Lyon und druckte
dort von 1524 (1520?) bis 1556 über 300 Bücher.
Seine berühmtesten Werke sind der "Ltwäaui-uL
IWZUH6 8anet9.6" von Sanctes Pagninus (1529)
in hebr. Sprache und eine lat. Bibel von 1550.
G. druckte Hebräisch, Griechisch, Lateinisch, aber
wenig Französisch; mit Vorliebe verwendete er die
Aldinische Kursivschrift. Zu Gelehrten wie Lipsius,
I. C. Scaliger und Sadoletus stand er in freund-
schaftlichen Beziehungen. Sein Sohn Anton G.
setzte das Geschäft mit Eifer in der gleichen Weise
fort. - Vgl. Leubscher, 3ck6äia8in3. äs clariä
6i-7p1iii8 (Brieg 1702).
Gryphofis oder Gryp osi s (grch.), eine krallen-
ähnliche Verkrümmung der Finger und Zehennägel,
entsteht entweder infolge mangelhafter Pflege der-
selben (zu seltenes Verschneiden, enges Schuhwerk
u. dgl.) oder insolge von Verletzungen und Krank-
heiten des Nagelbetts. (S. Nagel.)
Grzymatöw (spr. grschümäloff), Marktflecken
in der österr. Bezirkshauptmannschaft Skalat in
Galizien, nahe der russ. Grenze, links der in den
Zbrucz sich ergießenden Gnila Rzeczka, hat (1890)
4472 meist ruthen. israel. E., Post, Telegraph,
Bezirksgericht (403,2 ^m, 30 Gemeinden, 66 Ort-
schaften, 29 Gutsgebiete, 34390 E., darunter 209
Deutsche, 18 321 Polen, 15537 Ruthenen); Dampf-
mühle und Zuckerfabrik.
Gschatsk. 1) Kreis im östl. Teil des russ. Gou-
vernements Smolensk, eine flache Ebene mit lehmig-
sandigem Boden aus Kalkunterlage, mit wenig Wald,
bat 3923,8 qkin, 115 989 ^. und Ackerbau. -
2) Kreisstadt im Kreis G., 238 km ostnordöstlich
von smolensk, an beiden Ufern des durch die Wa-
susa zur Wolga gehenden Gschat (112 km) und an
der Eisenbahn Moskau-Brest-Litowsk, hat (1888)
7009 E., Post und Telegraph, 2 Kirchen, 1 Pro-
gymnasium für Mädchen, Städtische Bank, Handel
mit Getreide, Leinsamen, auch Talg, Hanf u. s. w.
G. wurde von Peter d. Gr. angelegt und war lange
der Platz, von dem aus das in Petersburg liegende
Militär verproviantiert wurde.
Gschelj, Fabrikbezirk im Kreis Vronnizy des russ.
Gouvernements Moskau, benannt nach dem Kirch-
dorf Gschcli, umfaßt 16 Ortschaften mit 10000 E.
und ist bekannt durch seine Lager von Porzellan-
erde, Thon und Lehm, sowie daraus gefertigte Töpfer-
waren (jährliche Produktion 2,3?? Mill. Rubel).
(5-Schlüssel, s. G (Buchstabe).
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