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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gymnasium
ment ins Auge gefaßt; Trotzendorf stellt schon das
praktische Ziel hin, daß die Knaben gerüstet wer-
den, "danach in hohen Fakultäten zu studieren".
Joh. Sturm in Straßburg berücksichtigte bei seiner
Forderung einer guten Darstellung vorzugsweise
die weltlichen Bedürfnisse der gelehrten Bildung.
Alle aber stimmten darin überein, daß lateinisch
Sprechen und Schreiben in ungebundener und ge-
bundener Rede vor allem zu erstreben und darauf
aller Unterricht zu beziehen sei. Daher nenut man
diese Schule die Lateinische Schule. Zahlreiche
Schulen dieser Art wurden im evaug. Deutschland
neu begründet oder durch neue Schulordnungen
umgestaltet. Auch die kath. Kirche hat sich den Ein-
wirkungen dieser Organisationen nicht entzogen.
Besonders die Jesuiten erkannten, daß sie die prot.
Ketzerei am besten mit den Waffen der Pädagogik be-
kämpfen würden, und machten den unentgeltlichen
Unterricht der Jugend zu einer ihrer Aufgaben.
In der Einrichtung ihrer Schulen, bestimmt durch
die i'Ätio Ltuäioi'um von 1599, haben sie die Zcdoik
iNtinN festgehalten, in der das Griechische noch
mehr als bei den Protestanten zurücktritt und der
Muttersprache erst spät ein bescheidener Platz ein-
geräumt wird. Schnell haben sie sich der Schulen
in den meisten kath. Ländern bemächtigt. Auch
nach der Auflösung des Ordens 1773 blieben sie
Lehrer und nach ihrer Wiederherstellung gewannen
sie in vielen Ländern bald wieder sichern Boden.
Dem allmählich einreißenden roh mechan. Lehr-
verfahren und der einseitigen Lateindressur arbeite-
ten die Methodiker des 17. Jahrh., Natichius
und Comenius, entgegen, jener, indem er von der
Muttersprache ausging und deutsch geschriebene
Grammatiken forderte, diefer, indem er daneben
Wort- und Sachkenntnis durch Anschauung zu ver-
mitteln und zu erleichtern fuchte. Denn in jener
Zeit hatten bereits Ausländer, wie Montaigne und
Zocke, auf die Befeitigung des Formalismus und
der überbürdung des Gedächtnisses gedrungen.
Dazu kam das Bedürfnis einer mehr hösifchen Bil-
dung für die jungen Edelleute, dem die damals ent-
stehenden Ritterakademien dienten. In jener Zeit
verlangte man auch zuerst, daß den Realien mehr
Eingang in den Schulen verschafft werde. Der
hallische Pietismus hat sich das zu nutze gemacht;
er überlieferte diese Realien in der spielenden Form
der Rekreationcn und wußte damit gleich den Je-
suiten die höhern stände zu gewinnen. Der Bei-
fall lockte zur Nachahmung, und im 18. Jahrh, über-
wucherte dieser Encytlopädismus so sehr, daß man
alles Wissenswürdige in den Schulen lehrte, daß
dabei aber oft durch die Überladung mit Wissen die
gründliche Bildung der geistigen Kräfte vernach-
lässigt wurde. Angeregt durch Rousseau, drang
dieser Pädagog. Realismus weiter, es entwickelte
sich seit Basedows Vorgang die Institutserziehung,
in der mitunter das Nützlichkeitsprincip obenan ge-
stellt, Erleichterung des Lernens, Abkürzung der
Schulzeit und trotzdem Mannigfaltigkeit des Wissens
versprochen wurde. So war die lat. Schule von ver-
schiedenen Seiten gefährdet und drohte zu entarten.
In solchen Verirrungcn war es not, zu der alten
Einfachheit zurückzukehren und das bewährte non
mnItN) 86cl inultum wieder zur Geltung zu bringen.
Hier haben durch Lehre und Schrift scg-cnsreich einge-
wirkt Gesner in Göttingen und Ernesti in Leipzig.
Sie sind Vorläufer für den Ncubegründer der Alter-
tumswissenschaft, Fr. Aug. Wolf in Halle. Dieser
hat einen eigenen Lehrerstand für das G. gebildet
und dadurch die Theologen befeitigt, die das Lehr-
amt als ein Durchgangsstadium betrachteten. Sein
Verdienst ist es, in seinen Schülern treffliche Lehrer
gebildet zu haben, die das bis dahin noch immer
vernachlässigte Griechisch eifrigst betrieben. Die
beiden alten Sprachen wurden jetzt wieder zum
Mittel- und Schwerpunkte des Unterrichts gemacht;
Inimkniwtig 8wäik im Sinne der Alten sollten eine
Bildung aller Geistes- und Gemütskräfte zu einer
fchönen Harmonie des innern und äußern Menschen
befördern. Der allgemeine geistige Ausschwung
jener klassischen Periode und die hellenistischen Nei-
gungen ihrer großen Dichter und Denker begünstig-
ten diese neuhumanistischen Bestrebungen. Dazu
begann in Preußen seit den letzten Jahren Fried-
richs d. Gr. die Staatsregierung sich des Gymna-
sialwesens ernstlich anzunehmen. Dahin gehört die
Einführung der Reifeprüfungen und der Prüfungen
für die Kandidaten des höhern Schulamtes. Es ist
nicht zu verwundern, daß diese Zwangsmaßregeln
sowie der Übereifer mancher philol. Lehrer und der im
Lehrplane doch noch fortdauernde Encyklopädismus
auch zu übertriebenen Anforderungen an die Jugend
führten. Daher kamen 1836 die Anklagen Lorinsers
über Gefährdung der Gesundheit der Jugend und
über das abnehmende geistige Interesse, durch die
eine Feststellung der Zahl der Lehrstunden für die
verschiedenen Unterrichtsgegenstände hervorgerufen
wurde. Das einseitige Überwiegen der grammatika-
lisch-kritischen Behandlung der Schriftsteller bei man-
chen Schülern G. Hermanns veranlaßte H. Köchly
in Dresden, das histor. Princip bei dem alttlassi-
schen Unterricht in den Vordergrund zu stellen.
In ihrer jetzigen Gestalt beanspruchen die G.
zunächst, für die akademischen Studien vorzubereiten,
ohne deshalb darauf zu verzichten, daß sie auch für
andere höhere Verufsarten eine ausreichende All-
gemeinbildung gewähren können. Das erste Hilfs-
mittel dieser Vorbildung bleiben die Sprachen und
insbesondere die beiden klassischen. Aber bei dem
altsprachlichen Unterricht soll nicht auf die stilistische
Fertigkeit das Hauptgewicht gelegt werden, sondern
auf das genaue Verständnis der besten Schrift-
steller, und dieses Ziel wird nur erreicht, wenn die
rein grammatische Worterklärung bei der Behand-
lung mehr zurücktritt. Und an der Grundlage des
altklassischen Unterrichts wird nicht bloß wegen seiner
formal, ethifch und ästhetisch bildenden Kraft fest-
gehalten, sondern vor allem auch deshalb, weil
Kunst und Wissenschaft der Gegenwart sich wie ein
Vermächtnis der Griechen und Römer aus deren
Kultur heraus entwickelt haben. Doch hat die Mutter-
sprache seit dem 18. Jahrh, größere Beachtung ge-
funden und wird jetzt in der Weise in den Mittel-
punkt gestellt, daß man allen Unterricht, namentlich
auch den altsprachlichen, als der Muttersprache die-
nend auffaßt und danach behandelt. Einige Kennt-
nis der gefchichtlichen Entwicklung unserer Sprache
und genaue Bekanntschaft mit den Werken deutscher
Klassiker ist unabweisbar geworden. Der über-
wiegende Einfluß Frankreichs und seiner Litteratur
hat seit dem Anfange des 18. Jahrh, im G. auch
der franz. Sprache Eingang verschafft. Dagegen
muß der hebr. Unterricht auf dem G. nur als ein
Rost der frühern theol. Aussicht bezeichnet werden.
Neben den Sprachen stehen die andern Wissenschaf-
ten und verlangen ihre richtige Einfügung und Be-
rücksichtigung, die zu finden noch nicht überall ge-