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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handfeuerwaffen

jahrhundertelang dieser Gedanke nirgends verwertet worden. Durch Kabinettsorder vom 4. Dez. 1840 wurde in Preußen die Herstellung des von Dreyse (s. d.) konstruierten "leichten Perkussionsgewehrs" angeordnet. Die Einrichtung des spätern M/41 war im wesentlichen folgende. (S. Tafel: Handfeuerwaffen I, Fig. 1-4.) Der Lauf mit 15,43 mm Kaliber und 4 Zügen, die auf 732 mm eine Drehung vollenden, endigt hinten mit einem Gewinde, auf das das Verschlußgehäuse a geschraubt ist. Dieser Teil ist zur Bewegung des Verschlusses sowie zur Einlage der Patrone mit einem Längs- und Seitenschlitz versehen. Unten ist der zweckmäßig konstruierte Abzug befestigt. Der Verschluß wird von drei übereinander liegenden Hohlcylindern gebildet: Kammer (Verschlußkolben) b, Schlößchen c und Nadelbolzen e. Der vordere Teil der Kammer wird durch eine Wand abgeschlossen, in der das Nadelrohr zur richtigen Führung der Nadel eingeschraubt ist. Der hohle Teil um das Nadelrohr soll die Reste der verbrennbaren Patronenhülse aufnehmen. Der hintere Kammerteil nimmt das Schlößchen c mit der Sperrfeder d auf und bietet letzterer sowohl beim Spannen wie Inruhsetzen den nötigen Stützpunkt. Für das Eintreten des Abzugsstollens ist in dem Kammerboden ein Ausschnitt bemerkbar. Das Schlößchen bewirkt mit der Kammer, Sperrfeder, Abzugsstollen und Nadelbolzen gemeinsam das Spannen der Spiralfeder und das Vorschnellen der Zündnadel f. Ebenso wie die Kammer zeigt auch das Schlößchen unten einen Einschnitt für den Eintritt des Abzugsstollens. Die Spiralfeder lagert in der Bohrung des Schlößchens, an dessen hinterer Wand sie einen Stützpunkt findet. Ihr vorderes Widerlager bildet eine kreisförmige Verstärkung (Teller) des Nadelbolzens. Die aus einem Messingschaft und einer Stahlnadel zusammengesetzte Zündnadel wird mit ihrem Gewinde in den Nadelbolzen eingeschraubt. Die Sperrfeder d hält den Nadelbolzen und die Spiralfeder im Schlößchen, sich selbst aber mittels der beiden hintern Nasen im Schlößchen fest. Zum Laden muß zunächst das Schlößchen zurückgezogen werden. Nach einem Druck auf die Sperrfeder tritt ihre hintere Nase aus einem Ausschnitt der Kammer, worauf sie nebst dem Schlößchen so weit zurückgezogen werden kann, bis die zweite Nase an der Kammerwand anstößt. Der Teller des Nadelbolzens gleitet mit seiner hintern Abschrägung über den Abzugsstollen. Durch Drehen des Kammerknopfs von rechts nach links wird seine Warze von der rechten Wand des Verschlußgehäuses entfernt und nach links vor den Hülsenausschnitt gebracht. Der Verschluß kann nun zurückgezogen werden, wodurch das hintere Laufende geöffnet wird. Es folgt das Einlegen der Patrone und das Schieben derselben vorwärts in ihr Lager. Zum Schließen wird die Kammer vorgeführt und rechts gelegt. Nunmehr hat man das Schlößchen so weit vorzuschieben, bis die hintere Sperrfedernase in den Ausschnitt der Kammer eingreift. Zieht man nun den Abzug zurück, so verliert der Teller seinen Halt, die Spiralfeder schleudert den Nadelbolzen mit der Zündnadel vor; letztere sticht in die Zündpille der Patrone und bewirkt die Entzündung der Ladung. Durch Zurückziehen der Sperrfeder läßt sich das Gewehr sichern. Die 40,7 g schwere Patrone besteht aus der Papierhülse, der Pulverladung, dem Zündspiegel und dem Geschoß. Letzteres wiegt 31 g und wird von dem Spiegel durch die Züge geführt.

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Wenngleich die Schußleistungen des Zündnadelgewehrs verhältnismäßig gering waren und viele Vorderlader aus den fünfziger Jahren dieselben wesentlich übertrafen, so kam doch den Leistungen der Waffe im Schnellfeuer kein Vorderlader gleich, wie die preuß. Waffe überdies den gewaltigen Vorteil besaß, daß sie in allen Körperlagen leicht zu bedienen war. Erst die Erfahrungen des Krieges 1866 zeigten, daß überall außerhalb Preußens der Hinterlader unterschätzt worden war und daß eine schneller schießende, in jeder Deckung brauchbare Waffe selbst einer genauer, aber langsamer feuernden gegenüber taktisch überlegen bleibt. Die nächste Folge war die allgemeine Einführung der Hinterladung. Um dieselbe schnell bewerkstelligen zu können, wurden die Vorderlader meist nach dem Klappensystem in Hinterlader umgewandelt. Dadurch, daß man an Stelle der Papierhülse metallene Patronenhülsen anwandte, wie solche in dem amerik. Kriege (1861-65) in größerm Umfange benutzt waren, wurde die Sicherheit gegen das Ausströmen der Pulvergase nach rückwärts erhöht (s. unten). Auch in Frankreich erstrebte man eine möglichst rasche Neubewaffnung mit Hinterladern, nahm indessen wegen Mangels einer fertigen Metallpatrone das Chassepotgewehr (s. d.) mit Papierpatrone an, bei dem der gasdichte Abschluß durch einen Kautschukring erreicht werden sollte. Die Gestrecktheit der Flugbahn wurde durch ein kleines Kaliber (11 mm) vermehrt. Nach dem Vorgänge Frankreichs führten fast alle Staaten bei Aufstellung von Neumodellen das Kaliber 11 mm, zugleich aber die gasdichte Metallpatrone ein. Zu den Modellen dieser Art gehören u. a. das österr. Werndlgewehr M/67, bayr. Werdergewehr M/69, ital. Vetterligewehr M/70, engl. Henry-Martinigewehr M/71, niederländ. Beaumontgewehr M/71, russ. Berdangewehr M/71.

In Deutschland blieb man dem schon bei dem Zündnadelgewehr in Anwendung gekommenen Kolbenverschluß treu, der heutzutage die Alleinherrschaft auf dem Gebiet der H. errungen hat. Der Hauptgegner dieses Systems, der Blockverschluß, der aus einem viereckigen Stück bestand, das zum Laden gesenkt, zum Schießen gehoben wurde (Werder, Henry-Martini), hatte den Nachteil, daß er zum Einführen der Patrone in den Lauf einer Nachhilfe mit der Hand bedürfte, was beim Kolbenverschluß wegfiel.

Wenn auch die Feuergeschwindigkeit des Kolbenverschlusses bei den Systemen der siebziger Jahre (Vetterli M/70, Mauser M/71, Beanmont M/71, Berdan M/71) durch Vereinfachung des Schlosses und durch Anbringung einer Selbstspannvorrichtung erheblich gewachsen war, so erschien es doch taktisch vorteilhaft, diese Feuergeschwindigkeit zunächst nur für gewisse Fälle des Gefechts noch wesentlich zu steigern. Diesem Streben geben die Repetiergewehre (s. d.) Ausdruck. Obgleich aus frühern Jahrhunderten mehrfach Konstruktionen von Repetier- oder Magazinwaffen vorliegen, mußte ihre Kriegsbrauchbarkeit so lange bezweifelt werden, als sie Papierpatronen verwendeten. Es lag hierbei die Gefahr nahe, daß der Patronenvorrat bei dem wenig gasdichten Abschluß des Laufs zur Explosion gebracht würde, was schwere Beschädigungen des Schützen zur Folge haben mußte. Die Herstellung einigermaßen brauchbarer Metallpatronen blieb Vorbedingung zur Konstruktion eines kriegsbrauchbaren Mehrladegewehrs. Nachdem um 1860 in