Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

830

Harnstoffchlorid - Haro

zu reinigende salpetersaure Salz des H., das man in wässeriger Lösung mit Baryumcarbonat zersetzt. Man dampft hierauf die filtrierte Lösung, die H. und Baryumnitrat enthält, ein und entzieht dem trocknen Rückstand den H. mittels starken Alkohols. Er krystallisiert in langen glänzenden farblosen Prismen und besitzt einen kühlenden, salpeterähnlichen Geschmack. Er löst sich sehr leicht in Wasser, weniger leicht in Alkohol und ist unlöslich in Äther. Er schmilzt bei 132° und zersetzt sich bei noch höherer Temperatur unter Bildung von Ammoniak, Melanurensäure, Biuret und Cyanursäure. Beim Erhitzen mit Wasser über 100°, beim Kochen mit Alkalien oder Säuren oder durch Fermente spaltet er sich wie alle Säureamide in seine Bestandteile Kohlensäure und Ammoniak; durch salpetrige Säure wird er in Kohlensäure, Stickstoff und Wasser zerlegt. Obwohl der H. vollkommen neutral reagiert, bildet er doch sowohl mit Säuren als auch mit Basen Salze. Außerdem liefert er aber auch mit Salzen, z. B. mit Chlornatrium, Silbernitrat, Quecksilberchlorid, krystallinische Verbindungen.

Harnstoffchlorid, s. Chlorkohlensäure.

Harnstoffruhr, s. Azoturie.

Harnstoffvergiftung, s. Harnvergiftung.

Harnstrenge oder Harnzwang (Strangurie), ein heftiger und schmerzhafter Drang zum Urinieren, bei dem jedoch trotz aller Anstrengung unter schneidenden und brennenden Empfindungen jedesmal nur einige Tropfen Harn entleert werden. Die H. ist meist ein Symptom des Blasenkatarrhs und erfordert die gegen diesen angezeigte Behandlung (s. unter Harnblase). Eine leichtere Form der H. kommt bei Männern als sog. kalte Pisse zuweilen nach dem Genusse von schlechtem Bier und jungem Wein vor und wird gewöhnlich durch reichliches Trinken von kohlensaurem Wasser oder schleimigen Getränken schnell beseitigt. - H. der Pferde, gleichbedeutend mit Harnverhaltung, s. Kolik der Pferde.

Harnträufeln, s. Enuresis.

Harntreibende Mittel oder diuretische Mittel (Diuretica), solche Arzneimittel, welche die Menge der Harnabsonderung zu vermehren im stande sind und welche deshalb in allen jenen Fällen Anwendung finden, wo es sich darum handelt, pathol. Flüssigkeitsansammlungen in den Geweben und Höhlen des Körpers (wie bei der Wassersucht, Brustfellausschwitzung u. dgl.) zur Aufsaugung zu bringen und vermittelst der Harnwerkzeuge aus dem Körper nach außen zu entfernen. Man bedient sich hierzu gewöhnlich der Digitalis, des Coffeïns, des Kalomels, der Meerzwiebel, des essigsauren Kalis, des Diuretins u. a.

Harnvergiftung oder Harnstoffvergiftung des Blutes (Uraemia) tritt ein, wenn die Absonderung des Harns durch die Nieren unterbrochen wird und dadurch gewisse schädliche Auswurfsstoffe, insbesondere der Harnstoff, im Blute zurückgehalten werden; sie wird am häufigsten bei der Brightschen Nierenkrankheit, bei manchen akuten Infektionskrankheiten und bei der Eklampsie der Gebärenden beobachtet. Die Symptome bestehen außer mehr oder minder vollständiger Harnverhaltung und vorausgegangener Albuminurie (s. Eiweißharnen) in Kopfschmerzen, Schwindel und Angstgefühlen, Erbrechen und Übelkeit, wozu sich meist sehr bald Schlafsucht, Delirien und tiefe Betäubung (urämisches Koma), allgemeine Krämpfe oder lähmungsartige Zustände gesellen; dabei nehmen der Schweiß und das Erbrochene oft einen deutlich urinösen Geruch an und die Haut ist nicht selten von einem zarten weißlichen reifähnlichen Beleg von Harnstoff bedeckt (Uridrosis). Die H. tritt meist ziemlich plötzlich ein und führt in schweren Fällen gewöhnlich nach wenigen Stunden oder Tagen durch Gehirn- oder Lungenlähmung zum Tode; nur leichtere Grade der Krankheit gehen in Genesung über. Die Behandlung besteht in Anwendung stark harntreibender und abführender Mittel, Eisumschlägen auf den Kopf und Dampfbädern oder oft wiederholten feuchten Einpackungen des ganzen Körpers. - Vgl. Leube, Die Behandlung der Urämie (Wiesb. 1883); Landois, Die Urämie (Wien 1889).

Harnverhaltung oder Anurie (Ischuria), die Unmöglichkeit, Harn zu lassen, beruht entweder darauf, daß in den Nieren überhaupt kein Harn abgesondert wird, wie das am häufigsten bei der Nierenentzündung und bei der Cholera vorkommt, oder daß die Harnleiter durch Konkremente verstopft (s. Harnsteine) oder durch Geschwülste zusammengedrückt sind, oder daß eine Blasenlähmung (s. Harnblase) vorhanden ist, oder die Harnröhre durch narbige Verengerungen verschlossen und unwegsam gemacht wird. (S. Striktur.) Die H. der alten Männer ist gewöhnlich durch eine krankhafte Vergrößerung der Vorsteherdrüse bedingt, durch welche der Blasenhals und der Anfangsteil der Harnröhre verlegt und verschlossen wird; bei Frauen kann der Druck der schwangern Gebärmutter auf den Blasenhals mehr oder minder vollständige H. zur Folge haben. Jede längere H. ist als ein bedrohlicher Zustand zu betrachten, der schleunige ärztliche Hilfe erfordert. Die Behandlung hat zunächst für die Entleerung des angesammelten Harns vermittelst des Katheters (s. d.) oder sonstiger chirurg. Maßnahmen zu sorgen und sodann das Grundleiden zu beseitigen.

Harnverhaltung der Pferde, s. Kolik der Pferde.

Harnwege, die der Harnentleerung dienenden Organe (Harnleiter, Harnblase und Harnröhre).

Harnwerkzeuge, soviel wie Harnapparat (s. d.).

Harnwinde, schwarze, eine gefürchtete und sehr gefährliche Pferdekrankheit, die sich durch plötzlich eintretende Lähmung des Hinterteils, Schwanken und Zusammenstürzen charakterisiert, außerdem aber dadurch, daß das Tier einen blutigen, stark eiweißhaltigen Harn entleert. Ursache des Übels ist plötzlich eintretende starke Erkältung (Fröhner), während die Disposition zu der Krankheit durch gewisse diätetische Fehler bedingt wird. Jedenfalls tritt H. ausschließlich bei solchen Pferden auf, die, zuvor an regelmäßige Arbeit gewöhnt, auf einmal mehrere Tage absolute Ruhe haben. Deshalb kommen weitaus die meisten Fälle von schwarzer H. im Anschlusse an die Festtage, Weihnachten, Ostern und Pfingsten vor (Osterkrankheit, Pfingstkrankheit). Behandlung: Sofortiges Verbringen in den Stall, womöglich Hängegurte, Aderlaß, Frottieren des ganzen Körpers mit Kampferspiritus und Terpentinöl (15:1) und hierauf Einhüllen in wollene Decken. Innerlich Glaubersalz (400 g mit Mehl als Latwerge). Die Rekonvalescenten müssen allmählich wieder an die Bewegung gewöhnt werden.

Harnzucker, die bei Diabeteskranken im Harne vorkommende Zuckerart (Traubenzucker, s. d.).

Harnzwang, s. Harnstrenge.

Haro, Bezirkshauptstadt in der span. Provinz Logroño (Altcastilien), amphitheatralisch auf zwei