877
Hauptintervention - Hauptmann
Hauptintervention. Wer eine Sache oder ein
Recht, worüber schon zwischen andern Personen ein
Rechtsstreit anhängig ist, ganz oder zum Teil für
sich in Anspruch nimmt, würde diesen Anspruch an
sich nur mittels besonderer Klage gegen jede der
Parteien geltend machen können, wodurch sich die
Möglichkeit widersprechender Entscheidungen ergäbe.
Zur Vermeidung dieser Folge und zur Minderung
der Prozesse gestattet, nach dem Vorgange des
frühern Prozeßrechts, die Deutsche Civilprozeft-
ordnung dem Dritten, seinen Anspruch gegen beide
Parteien des Hauptstreites einheitlich geltend zu
machen, um damit ein gegen beide wirksames Ur-
teil zu gewinnen; das Eintreten des Dritten nennt
man H. Die .Hauptinterventionsklage muß bei dem
Gericht, bei wclchem der erste Rechtsstreit schwebt,
erhoben werden. Zulässig ist sie nur, solange dieser
noch nicht zu Ende ist. Bis zur rechtskräftigen
Entscheidung über die H. kann auf Antrag einer
Partei der erste Rechtsstreit ausgesetzt werden.
(Vgl. Civilprozeßordn. §§. 61, 62.) ^ "s. d.).
Hauptjagen, ein großes Eingerichtetes Jagen
Hauptkadcnz, s. Kadenz.
Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde, rnili
tttr. Bildungsanstalt, die unter einem Oberst als
Commandeur steht, in 2 Bataillone zu je. 5 Com-
pagnien gegliedert ist und eine etatsmäjnge Stärke
von 1000 Kadetten hat, die den Klassen Obertertia,
Unter- und Obersekunda, Unter- und Oberprima
und der besondern Militärklasse Selekta angehö-
ren. In jeder Compagnie befinden sich Kadetten
aller Klassen gemischt, die Selektaner versehen dabei
den Dienst als Unteroffiziere. Die H. ist voll-
kommen militärisch organisiert und bewaffnet und
nimmt an den Paraden und Truppenübungen der
Berliner Garnison teil. Der wissenschaftliche Unter-
richt wird durch Militär- und Civillehrer erteilt. Eine
Anzahl Zöglinge der Anstalt versehen bei feierlichen
Gelegenheiten bei Hofe Pagendienste; der Offizier,
dem siein dieserBeziehung zurAusbildungund Über-
wachung unterstellt sind, heißt Pagengouverneur.
Hauptklage, s. Dirkes actio.
Hauptlenker, im Maschinenbau, s. Geradfüh-
rung (Bd. 7, S.835d).
Hauptmängel, diejenigen gesetzlich bestimmten,
als wesentlich angesehenen Mängel von Kaustieren,
für die der Verkäufer nach vielen Landesgefetzen
allein haftet (s. Empfangbarkeit der Ware).
Hauptmann (frz. capiwiQ6), bei der Kavallerie
Rittmeister, in der militär. Rangordnung
die Ofsizierschcn'ge zwischen Stabsoffizieren, Major
und Subalternoffizieren (Lieutenants). Haupt-
leute befehligen im Truppendienst die Compagnien
und Batterien. Auch im Generalstabc und andern
Stellungen giebt es Hauptleute. - In ältern Zeiten
war der Anführer jeder organisierten Kriegsschar
deren H. und seine Amtsgewalt sehr ausgedehnt,
über ihm stand nur sein Oberst und der Heerführer,
der auch Feldhauptmann (s. d.) genannt wurde.
Mit der Organisation der stehenden Heere schoben
sich aber in der Gliederung der Offizierkorps noch
Zwischenchargen ein, als mehrere Compagnien zu
einem Bataillon vereinigt wurden. Auf den Ba-
taillonsführer ging dann ein Teil der Funktion des
H. über, doch behielt dieser in einzelnen Heeren noch
bis 1809 die einträgliche Selbstverwaltung der Com-
pagnie an Verpflegung und Material. - In der
Civilverwaltung kommt auch der Titel H. vor, als
Kreishauptmann (f. Kreishauptmannschaft), Amts-
hauptn:ann(s. Amtshauptmannschaft), Schloßhaupt-
mann (s. d.), Berghauptmann (s. Bergbehörde).
Hauptmann, Gerhart, Dichter, geb. 15. Nov.
1862 in Salzbrunn (Schlesien), war anfangs Land-
wirt, befuchte dann die Kunstschule in Breslau und
studierte später an den Universitäten in Jena und
Berlin. Nach einem längern Aufenthalt in Italien
(1883-84) und in der Schweiz lebte er einige Zeit
in Berlin und zog sich später nach Schreiberhau im
Riesengebirge zurück, wo er ausschließlich dichten
scher Thätigkeit lebt. H. ist einer der begabtesten Ver-
treter des modernen Dramas; beseelt von künstleri-
schem Ernst, hat er Dichtungen geschaffen, die zum
mindesten durch eine außerordentliche Kunst der Cha-
rakteristik von Bedeutung sind, während die Poet.
Idee und der dramat. Aufbau tiefer stehen. Seine
dramat. Werke sind: "Vor Sonnenaufgang", sociales
Drama (Berl. 1889; zuerst aufgeführt von der "Freien
Bühne", f.d.), "Das Friedensfest, eine Familienkata-
strophe" (ebd.1890), "Einsame Menschen" (ebd.1891),
die Komödie "Kollege Crampton" (ebd. 1892), "Die
Weber, Schauspiel aus den vierziger Jahren" (zwei
Ausgaben, eine im schles. Dialekt, eine hochdeutsch,
beide in zwei Auflagen, ebd. 1892; mit Erfolg auch
aufgeführt im ^6Htr6 lidrs in Paris 1893), die
Komödie "Der Biberpelz" (1893) und die dramat.
Märchendichtung "HannelnMatterns Himmelfahrt"
(1893; Musik von Max Marschalk). Außerdem
veröffentlichte H. die novellistischen Studien "Dcr
Apostel. Bahnwärter Thiel" (Berl. 1892).
Hauptmann, Moritz, Komponist und Musik-
theoretiker, geb. 13. Okt. 1792 in Dresden, war zum
Architekten bestimmt, widmete sich jedoch 1811 der
Musik. Er wurde 1812 Geiger an der königl. Hof-
kapelle zu Dresden, folgte 1815 als Musiklehrer
dem damaligen russ. Generalgouverneur von Sach-
sen, Fürsten Repnin, nach Petersburg und Moskau,
dann nach Odessa und Pultawa und kehrte 1820
nach Deutschland zurück, lebte in Dresden und
wurde 1822 auf Spohrs Veranlassung Mitglied der
kurfürstl. Kapelle in Cassel, wo er 20 Jahre hin-
durch wirkte. In dieser Stellung erwarb er sich den
Ruf eines der bedeutendsten Theoretiker seiner Zeit.
1829 durchreiste H. Italien und besuchte 1842 Paris.
Im September desselben Jahres wurde er als Kan-
tor an der Thomasschule und Musikdirektor an den
beiden Hauptkirchen nach Leipzig berufen; 1843 trat
er als Lehrer des Kontrapunkts und der Fuge in
das damals errichtete Konservatorium der Musik
ein. Hier wirkte er bis zu seinem 3. Jan. 1868
erfolgten Tode. über 300 Schüler, darunter Ferd.
David, Hans von Bülow, Joachim, F. von Hol-
stein, A. Wilhelms u. a. verdanken ihm ihre Aus-
bildung. 1846 war H. Leiter der Leipziger "Allge-
meinen musikalischen Zeitung" und seit 1850 Vor-
sitzender der von ihm mitbegründeten Bach-Gesell-
schaft. Von H.s Kompositionen nehmen die Chor-
werke die erste Stelle ein. SeineKantaten, Motetten,
seine geistlichen und weltlichen Lieder (für gemischte
und für Männerstimmen) werden sich noch lange
behaupten, weil sie im Vokalsatz und Klangwesen
Meisterwerke sind. Ihr Empsindungsgehalt ist we-
nig reich, aber nicht ohne Individualität. Von den
Instrumentalkompositionen H.s sind die Sonaten
für Klavier und Violine die bedeutendsten. H. hat
sich auch auf andern Gebieten der Tonsatzkunst be-
wegt; seine Oper "Mathilde" erlebte einige Aus-
führungen. Sein musikalisch-philos. Hauptwerk ist
"Die Natur der Harmonik und der Metrik" (2. Aufl.,