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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Haushuhn

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Haushuhn'

es giebt unter den Arten des H. so große Verschiedenheiten, daß wahrscheinlich nicht alle Haushuhnarten von einer und derselben wilden Art abstammen.

Zur Unterscheidung der Rassen sind neben Körperform, Größe und Haltung die Kammform, die Haubenbildung und die Färbung der Läufe von hervorragender Bedeutung. Hiernach zerfallen die H. in verschiedene Gruppen, die sich wieder in Rassen und Farbenschläge teilen:

1) Landhuhn. Klein mit verschiedenen Kammformen, Zuweilen auch mit Haube und mit großem Schwanz; verschiedenfarbig. Teils durch örtliche und klimatische Einwirkungen, teils durch sorgfältige Züchtung sind mehrere bessere Schläge aus ihm hervorgegangen: das große russische oder Astrachanhuhn, das mittelgroße steirische und das böhmische Landhuhn, das Lakenfelder Huhn und durch Bluteinmischung das Ramelsloher Huhn (s. d. und Tafel: Geflügel, Fig. 36) und das Hamburger Huhn (s. d. und Fig. 37 u. 38). Auch das engl. Dorkinghuhn (s. d.) kann als veredeltes Landhuhn betrachtet werden.

2) Mittelmeerrassen, dem Landhuhn sehr nahe stehende edle Rassen, die einfachen hohen, an der Wurzel starken, am Rande tief eingezackten Kamm (bei den Hennen nach der Seite umliegend) und lange Kehllappen gemeinsam haben: Italiener, mit rotem Gesicht und gelben Läufen, verschiedenfarbig, schon den Römern bekannt (besondere, rein gezüchtete Farbenschläge Leghorn [s. d. und Fig. 21] genannt); Menorcahuhn und Andalusier (Fig. 22), mit rotem Gesicht und schieferblauen Läufen, ersteres schwarz, letztere aschfarbig (blau), und Spanier (Fig. 20), schwarz mit weißem Gesicht und dunkeln Läufen (Bergische Kräher diesen nahe verwandt).

3) Haubenhühner (s. d.).

4) Schwere große asiatische Rassen, gekennzeichnet durch große Körper, nach dem Bürzel zu ansteigenden breiten Rücken, auffallend dicke Schenkel und kurzen Schwanz, unterschieden durch Kammform und durch die Farbe und Befiederung der Läufe: das Cochinchinahuhn (s. d. und Fig. 28), mit einfachem, stehendem, eingezacktem, nicht hohem Kamm, mäßig langen Kehllappen und gelben, dicht befiederten Läufen; das Langshanhuhn (Fig. 30), das sich vom vorigen durch schieferblaue, dünn befiederte oder auch nackte Läufe unterscheidet; das Brahmaputrahuhn (s. d. und Fig. 29), mit dreiteiligem Kamm (der Mittelkamm der höchste), sonst aber wie das Cochinchinahuhn. Verwandt mit diesen Rassen sind das aus Kreuzungen neuern Datums hervorgegangene Plymouth-Rock-Huhn (Fig. 31) und das Wyandotte-Huhn.

5) Seiden- (Woll- oder Haar-) Hühner. Die Federn dieser Hühner haben sehr schwache weiche Schafte und nicht zusammenhängende woll- oder haarähnliche Fahnen. Man kennt zwei Hauptrassen, das japanische und das siamesische Seidenhuhn, beide weiß, ersteres aber mit dunkler Haut, letzteres mit Haube, und mehrere Spielarten.

6) Zwerghühner: ins Kleine gezüchtete Hühner. Solche mit Rosenkamm und verschiedener Färbung heißen Bantamhühner (s. d. und Fig. 35); die mit einfachem, aufrecht stehendem Kamm japanische und chinesische Zwerghühner und Zwergkämpfer.

7) In vorstehende Gruppen nicht eingereihte Hühner: Malaien, große Hühner von eigentümlicher ↔ Bauart und Haltung: Hals sehr lang; Rumpf breit zwischen den Schultern, sich nach dem Schwanze zu konisch verjüngend; Haltung sehr aufrecht; Läufe hoch, kräftig und gelb. Jokohamahuhn und Phönixhuhn, beide ausgezeichnet durch sehr lange, horizontal getragene Schwänze. Das Kampfhuhn (Kämpfer), schlank, aber kräftig, eigens zu Kampfzwecken gezüchtet. Das Nackthalshuhn mit völlig nacktem Halse.

Das H. ist fast über die ganze Erde verbreitet, jedoch gedeiht es in kältern Breiten nicht. Es nährt sich von Fruchtkörnern, Insekten und Würmern und grünen Kräutern und lebt polygamisch. Die Henne legt früh im Frühjahr, oft schon im Februar beginnend, wenn ihr die Eier weggenommen werden, monatelang fast jeden Tag, bevor sie brütig wird; einzelne Rassen, besonders die asiatischen, brüten früher, andere, wie die französischen und Mittelmeerrassen, brüten nicht oder schlecht und sind deshalb die bessern Legehühner. Das Eigewicht ist je nach den Rassen sehr verschieden: abgesehen von den Eiern der Zwerghühner 40–70 g. Das Nest wird mit Vorliebe auf dem Erdboden gebildet. Die Brütezeit beträgt 21 Tage. Die Kücken sind nestflüchtig und fressen vom ersten Tage ihres Lebens an unter der Führung der Bruthenne (Glucke) allein. Im Alter von 4 bis 5 Monaten ist das junge Huhn der meisten Rassen ausgewachsen und geschlechtsreif; bei den asiat. Rassen erst später; junge Hennen früh reifender Rassen beginnen oft schon im Alter von 4 Monaten mit dem Eierlegen. Im August oder September werfen alljährlich die Hühner allmählich ihre Federn ab; es wachsen ihnen neue (Mausern). Junge Hühner mausern sich im ersten Lebensjahre nicht. Die Mauserzeit ist eine kritische: die Hühner fühlen sich krank; der Kamm blaßt ab, die Hähne krähen nicht, die Hennen legen keine Eier mehr. Dieser Zustand dauert mehrere Wochen und erfordert besondere Sorgfalt in der Ernährung und bei ungünstiger Witterung Unterbringung der Hühner in schützenden Räumen. Dieselbe Sorgfalt wird auch für sich nicht mausernde Hühner stets dann erforderlich, wenn naßkaltes Wetter eintritt, bei dem sich leicht Erkältungskrankheiten (Schnupfen, Halsbräune, Diphtherie) einstellen. Außer diesen Krankheiten sind die Hühner noch besonders der Darre und der sehr gefährlichen Hühnercholera (s. d.) zugänglich.

Hauptprodukte der Hühner sind die Eier (s. Ei), von denen eine nicht brütig werdende Henne bis zu 150 im Jahre legen kann. Die meisten Eier werden im zweiten und dritten Lebensjahre gelegt; von da an veringert sich alljährlich die Eieranzahl, bis die sämtlichen am Eierstocke vorhandenen Eierchen, deren an 600 sein sollen, abgelegt sind. Am besten sind die frisch gelegten Eier; um das Alter der Eier sofort zu erkennen, verzeichnet man bisweilen den Tag, an dem sie gelegt wurden, auf ihnen (Datumeier). Auch zur Fleischproduktion sind manche Hühnerrassen sehr geeignet. Es werden als Schlachtgeflügel verwendet: junge Hähnchen, 4–6 Monate alte gemästete Hähne und Hennen (Poularden) und Kapaunen (s. d.).

Das Huhn kann ein Alter von 10 Jahren erreichen. Jedoch läßt man aus den vorstehend ersichtlichen Ursachen Hennen nicht älter als 4 Jahre werden, Hähne nicht das Alter von 6 Jahren erreichen, weil bei ältern die Fähigkeit der Befruchtung der Eier fraglich ist. (S. Hühnerzucht.)

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 889.