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Havelseen – Haverei
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Havelock'
(Durham), trat 1815 in die Armee ein und kam 1823 mit dem 13. Infanterieregiment nach Ostindien.
Während des ersten birman. Krieges (1824) wohnte er im Generalstabe Sir Archibald Campbells mehrern
Treffen bei und beschrieb den Krieg in seiner
«History of the Ava campaigns» (Lond. 1827). 1838 rückte er zum
Hauptmann auf, machte 1839 den afghan. Feldzug mit und veröffentlichte
«Narrative of the war of 1838/39» (2 Bde., 2. Aufl., Lond. 1840), sowie
«Memoir of the Afghan campaigns» (ebd. 1841). Bei der Verteidigung
von Dschelalabad gegen Akbar-Chan leistete er die wichtigsten Dienste. Ende 1843 begleitete er die
Armee unter Sir Hugh Gough nach Gwalior, wurde 1844 Oberstlieutenant und kämpfte mit Auszeichnung in
den Kriegen gegen die Sikhs bei Moodkee, Ferozeschah und Sobraon (1845–46). Nachdem er seiner
Gesundheit wegen seit 1849 in Europa gelebt hatte, kehrte er 1851 nach Bombay zurück und wurde zum
Oberst und Generalquartiermeister der königl. Truppen in Indien ernannt. Nach dem Ausbruch des pers.
Krieges erhielt er 1856 als Generalmajor das Kommando der zweiten Division, mit der er sich an dem Zuge
nach Mohammerah beteiligte. Im April 1857 nach Kalkutta zurückgekehrt, eilte er auf die Kunde von dem
Aufstande der Sipoys nach Allahabad und übernahm den Befehl über das zum Entsatz von Kanpur und
Lakhnau bestimmte Korps. Er schlug die Insurgenten unter Nena Sahib bei Fatihpur, vertrieb sie 16. Juli aus
Kanpur und besiegte, verstärkt durch die Truppen des Generals Outram, am 25. Sept. die Hauptmacht des
Feindes 8 km von Lakhnau. Dort blieben H. und Outram mehrere Wochen hindurch den Angriffen des
übermächtigen Feindes ausgesetzt, bis der Oberfeldherr Sir Colin Campbell ihnen 17. Nov. zu Hilfe kam.
Wenige Tage darauf, 24. Nov., starb H. an der Ruhr. Ehe noch die Nachricht von seinem Tode in England
eintraf, hatte die Königin ihn mit dem Titel H. von Lakhnau zum Baronet erhoben. Der Titel ging über auf
seinen ältesten Sohn, Henry Marshman H., geb. 6. Aug. 1830. – Vgl.
Brock, Sir Henry H. (Lond. 1858); Marshman, Memoirs of Sir Henry H.
(neue Aufl., ebd. 1870; deutsche Bearbeitung von Mürdter, Generalmajor Sir Henry H., Stuttg. 1859);
Forbes, Sir Henry H. (Lond. 1890).
Havemann, Wilh., Geschichtschreiber, geb. 27. Sept. 1800 zu Lüneburg, studierte seit 1819 erst zu
Göttingen, dann zu Erlangen die Rechte, schloß sich hier der Burschenschaft an und wurde 1822 Lehrer in
Darmstadt. Bei den demagogischen Untersuchungen wurde auch er verhaftet und 1825 in Hannover zu fünf
Jahren Gefängnis verurteilt, die er in Cöpenick verbüßte. Nachdem er 1829 wieder die Freiheit erlangt hatte,
wurde er Lehrer an der Generalstabsakademie in Hannover, 1831 Lehrer am Pädagogium zu Ilefeld,
1838 Professor der Landesgeschichte an der Universität Göttingen, wo er 1850 in die Gesellschaft der
Wissenschaften aufgenommen wurde und 23. Aug. 1869 starb. Seinen Ruf als Geschichtschreiber
begründete H. mit der «Geschichte der Italienisch-Französischen Kriege 1494–1515» (2 Bde., Hannov. und
Gött. 1833–35) und der biogr. Skizze «Magnus II., Herzog zu Braunschweig und Lüneburg» (Lüneb. 1836).
Sein Hauptwerk ist die «Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg» (2 Bde., Lüneb. 1837–38; neu
bearbeitet in 3 Bdn., Gott. 1853–57). Von ↔ seinen übrigen Arbeiten sind hervorzuheben:
«Elisabeth, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg» (Gött. 1839), «Mitteilungen aus dem Leben von Michael
Neander» (ebd. 1841), «Kirchenreformation der Stadt Göttingen" (ebd. 1842), «Handbuch der neuern
Geschichte» (3 Bde., Jena 1840–44), «Geschichte des Ausgangs des Tempelherren-Ordens» (Stuttg. und
Tüb. 1846), «Darstellungen aus der innern Geschichte Spaniens während des 15., 16. und 17. Jahrh.»
(Gött. 1850), «Das Leben des Don Juan d’Austria» (Gotha 1865) und «Das Kurfürstentum Hannover unter
zehnjähriger Fremdherrschaft, 1803–13» (Jena 1867). H. redigierte 1841–48 die «Göttingischen Gelehrten
Anzeigen».
Have pia anĭma! (lat.),
d. h. lebe wohl, fromme Seele! oft vorkommende Grabinschrift.
Haverei (Havarie,
Avarie, frz. avarie; engl.
average; ital. avaria), im
allgemeinen eine Bezeichnung für jede außergewöhnliche Beschädigung des Schiffs oder der Ladung, sei
es unmittelbar durch Wertminderung oder Untergang einzelner Teile, sei es mittelbar durch entstehende
Unkosten. Sind die Schäden oder Kosten durch einen Unfall entstanden, so liegt
besondere oder partikuläre H.
(avarie particulière,
particular average, avaria particolare
oder semplice) vor. Bei ihr gelten besondere seerechtliche Grundsätze
nicht. Sie wird von den Eigentümern der durch die Schäden oder Kosten betroffenen Sachen, von jedem für
sich allein, getragen (Deutsches Handelsgesetzbuch Art. 703). Auch wenn die Schäden und Kosten
unmittelbar durch das Verschulden eines Dritten, z. B. des Schiffers oder einer Person der Schiffsbesatzung,
verursacht sind, liegt besondere H. vor. Der Betroffene gewinnt durch
das Verschulden nur möglicherweise einen Ersatzanspruch gegen den Schuldigen, bez. den Reeder. Von
gemeinschaftlicher H. spricht man in den Fällen, in welchen die
Schäden und Kosten im gemeinsamen Interesse der an der Seefahrt Beteiligten verursacht oder
aufgewendet sind. Gehen die aufgewendeten Kosten über den Begriff der bei der Schiffahrt mehr oder
weniger gewöhnlichen Unkosten, wie Lotsengelder, Hafengelder, Leuchtfeuergelder, Schlepplohn,
Quarantänegelder, Auseisungskosten u. dgl., nicht hinaus, so spricht man von
ordinärer oder kleiner H.
(avarie ordinaire, petty average,
avaria ordinaria oder piccola).
Nach dem Deutschen Handelsgesetzbuch Art. 622 sind diese Kosten nicht gemeinschaftlich, sondern von
dem Verfrachter allein zu tragen, der sich in dem Frachtsatz dafür zu entschädigen sucht.
Die eigentliche H., bei welcher besondere seerechtliche Grundsätze über die Tragung von Schäden und
Kosten gelten, ist die große H.
(avarie grosse, general average,
avaria grossa oder generale).
Sie liegt vor, wenn die Schäden oder die Kosten absichtlich herbeigeführt oder aufgewendet sind, um Schiff
und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu befreien. Das Rechtsinstitut der großen H. beruht auf dem
Princip, welches zuerst das in das röm. Recht aufgenommene Gesetz der Insel Rhodos über den Seewurf
(Iex Rhodia. de jactu) dahin zum Ausdruck gebracht hat, daß der
Schaden (z. B. Verlust der in Seegefahr über Bord geworfenen Güter), welcher in gemeinsamer Seenot im
Interesse aller Beteiligten angerichtet worden, auch von allen Beteiligten gemeinschaftlich getragen werden
müsse (ut omnium contributione sarciatur, quod pro omnibus datum est).
Nach dem Deut-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 912.