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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Heinrich (von Morungen) - Heinrich (Guillaume Alfred)
Todes Erinnerung". Der zornige Greis entwirft
mit schonungsloser Schärfe und einem ans Grausige
streifenden Realismus anschauliche Sittenbilder, die
die Vergänglichkeit alles Irdischen und die Verkom-
me?cheit aller Stände, auch des Klerus, erweisen
sollen; eine damals unerhörte Kraft der Beobach-
tung und Satire ist ihm eigen. Verwandte, ja
noch realistischere Detailscenen entwirft das wenig
jüngere "Pfaffenleben", das man H. mit Unrecht
gleichfalls zugesprochen hat. Kritische Ausgabe bei-
der Dichtungen von Heinzel (Berl. 1867). - Vgl.
Lorenz, H. von Melk (Halle 1886); Kochendörsfer in
der "Zeitschrift für deutsches Altertum", Bd. 35.
Heinrich vonMorungen, Minnesänger, aus
einem ritterlichen Geschlecht in der Nähe von San-
gerhausen, später in meißnischen Diensten, um
1213-21 mit der Bezeichnung "mii68 6in6riw8"
in Leipzig bezeugt, kommt in echter Leidenschaft, ur-
sprünglicher Sinnlichkeit, formeller Schönheit, geist-
voller Gedankenentwicklung und Glanz der Bilder
Walther von der Vogelweide am nächsten, ohne
doch an den volkstümlichen Elementen seiner Dich-
tung teilzuhaben. Ihn beeinflußte stark prooen^al.
Lyrik; auch das klassische Altertum ist ihm nicht
fremd. Sein Andenken lebte sagenhaft fort im Volks-
lied "Vom edeln Möringer". Ausgabe in "Des
Minnesangs Frühling" von Lachmann und Haupt,
Nr. 18 (4. Ausg., Lpz. 1888). - Vgl. Michel, H. von
Morungen und die Troubadours (Straßb. 1880).
Heinrich von Mügeln, aus Mügeln im
Meißnischen, Schriftsteller, kam vor 1346 nach Prag
an den Hof Karls IV., dessen Nat er war, und
hatte später Beziehungen zu Rudolf IV. von Öster-
reich u. a.; er starb nach 1371. H. übersetzte den
Valerius Marimus, den Psalmenkommentar des
Nik. von Lyra und eine prosaische ungar. Chronik,
die er auch in Meistergesangstönen ins Lateinische
übertrug (hg. von Engel, "Nonumenta. IInFric^",
Wien 1809). Ein allegorisches Lehrgedicht "v^
mkiäk eranx" stellt einen Wettstreit der freien Künste
dar. Seine Sprüche strotzen von Gelehrsamkeit;
doch zeigen seine Fabeln und Minnelieder (hg. von
W. Müller, Gott. 1848) manche hübsche schlichten
Züge. Die Meistersänger rechneten ihn meist zu den
zwölf alten Meistern, den Gründern ihrer Kunst.
Heinrich von Neustadt, Dichter aus Wiener-
Neustadt, als Arzt in Wien 1312 urkundlich nach-
gewiesen, verfaßte nach dem las. Roman "lliZtorjn.
^.poiionii r6gi8", den er aber durch freieste Erdich-
tungen und fogar durch einen den Helden mit Ar-
tus verbindenden Stammbaum in einen wüsten Ar-
tusroman umwandelte, einen umfänglichen "Apol-
lonius". Sein zweites Gedicht, "Von Gottes Zu-
kunft", d. h. von Christi Wiederkehr am Jüngsten
Tage, beruht auf dem "Anticlaudianus" des franz.
Dichters Alanus ab Insulis. H., dessen realistische
Bilder den Arzt verraten, ahmt Wolfram von Efchen-
bach nach. Auszüge aus beiden Werken giebt Strobl,
H. von Neustadt (Wien 1875).
Heinrich von Ofterdingen, sagenhafter
Sänger, wahrscheinlich thüring. Herkunft, der in
dem Gedicht vom Wartburgkriege (f.d.) der besiegte
GegnerWalthers von derVogelweideund Wolframs
von Efchenbach ist. Wissenschaftliche Phantasterei
wollte ihn zum Dichter des Nibelungenliedes machen.
Novalis hat ihn zum Helden eines Romans ge-
wählt. Richard Wagner identifizierte ihn mit Tann-
häuser (s. d.). lS. 51d).
Heinrich vonPlüuen,s.DeutscheRitter(Bd.5,
Heinrich von Veldeke, nach Ansicht der Zeit-
genossen, die ihn überschätzten, der Vater der mittel-
hochdeutschen höfischen Poesie, war am Niederrhein,
bei Spalbcke in der Nähe Maastrichts, zu Haufe und
ritterlichen Standes. Sein großer Ruhm ist um so
bemerkenswerter, als er in heimatlicher Mundart
schrieb; doch sind in den Handschriften seine Ge-
dichte, außer Servatius, ins Mitteldeutsche umge-
schrieben. Auf die Bitte der Gräfin Agnes von Loz
(Loen) bearbeitete er nach lat. Quelle die Legende
vom heil. Servatius (hg. von Vormans, Maastr.
1858), eine matte, schwächliche Jugendarbeit. Da-
gegen war von bedeutender Wirkung seine epische
Dichtung "Eneide" (hg. von Vehaghel, Heilbr.
1882), die nicht sowohl auf der "Aneis" des
Virgil als auf dem franz. Gedicht des Benoit
de Samte-More beruht. Das fast vollendete
Gedicht wurde H. bei der Vermählung des Land-
grafen Ludwig von Thüringen mit einer Gräfin
von Kleve (1174?) durch Graf Heinrich von Schwarz-
burg entwendet. Erst neun Jahre später kam es
wieder in seinen Besitz, und er vollendete es in
Thüringen, wohin er der Gräsin, seiner Gönnerin,
gefolgt war, um 1183. Durch breite Schilderung
und durch ausführliche Zergliederung der Liebes-
gedanken übertrifft er trotz starker Kürzungen seine
Vorlage an Umfang. Ein Gedicht "Von Salomo
und der Minne" ist verloren. Wichtiger ist, daß H.
auch Lyriker von volkstümlicher Frische war; an
den Minneliedern (hg. von Lachmann und Haupt
in "Des Minnesangs Frühling", 4. Aufl., Lpz.
1888) lernte er sowohl strenge metrische Form und
saubern Reim wie Vertiefung in das Liebesthema.
Beides übertrug er aufs Epos; es kam hinzu, daß
er schon durch feine Herkunft der franz. Poesie mit
ihrer reinen Form nahe stand; so ward ihm, ohne
daß er ein schöpferischer Geist war, der unbestrittene,
aber weit übertriebene Ruhm, "das erste Reis in
deutscher Zunge geimpft zu haben", wie Gottfried
von Straßburg fagt, und fein ihm nicht uneben-
bürtiger Vorgänger Eilhard von Oberge ward über
H.s formellen Verdiensten fast vergessen.-Vgl.Foa,
Nnrico äi Veläßks 6 1a Zua Nneiä? (Parma 1892).
Heinrich von Zütphen (Zütfen), eigentlich
Moll er oder Möller, einer der ersten Blutzeugen
der Reformation, geb. 1488 in der niederländ. Graf-
schaft Zütphen, trat 1504 in den Augustinerorden und
bezog 1515 die Universität Wittenberg, wo er sich
eng an Luther anschloß. 1516 zum Prior des Augu-
stinerklosters in Dordrecht erwählt, wirkte er in
Luthers Geiste, mußte aber deshalb sein Vaterland
verlassen. Nach kurzem Aufenthalt in Wittenberg
(1521) war er in Dordrecht und Antwerpen für Ver-
breitung der Reformation thätig, wurde aber hart
bedrängt. Er floh nach Bremen, wo die Bürgerschaft
ihn 1524 zum Priester wählte, und ging im Nov.
1524 nach Meldors in Dithmarschen, um das Evan-
gelium zu predigen. Die Mönche aber regten die
Bauern gegen ihn auf; in der Nacht zum 11. Dez. 1524
wurde H. aus dem Bette geholt,nach Heide geschleppt
und dort am andern Morgen verbrannt. - Vgl.
Iken, H. von Zütphen (Halle 1880); Rogge, H. von
Zütphen, der Reformator Bremens (Barmen 1887).
Heinrich (spr. ängrick), Guillaume Alfred, franz.
Gelehrter, geb. 4. K)ez. 1829 zu Lyon, war feit
1859 Professor der Litteraturgeschichte an der Fakul-
tät zu Lyon, wo er 19. Mai 1887 starb. Er ver-
öffentlichte: "^Wä6 8Ui- 16 ?lN'civa1 äs ^Voikram
ä'NLcbendaob et 8ur Ia Is^enäs äu saint-KraHl"