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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Herbarisieren - Herbart
Reisen oder durch Vermittelung fremder Sammler
(in botan. Tauschvereinen) bewirken. Früh schon
wurden zu diesem Behuf vielfach wissenschaftliche
Neisen in fremde Weltteile unternommen, schon im
17. Jahrh, waren botan. Reisende in Ostasien und
auch in Amerika thätig, im 18. Jahrh, nahmen
diese Reisen noch größeren Auffchwung, sodaß am
Schlüsse des vorigen Jahrhunderts schon eine ganz
bedeutende Menge Pflanzen aus den außereurop.
Floren zusammengetragen und an die einzelnen
H. verteilt worden waren. Im Anfange diefes Jahr-
hunderts trug hauptsächlich der von Hochstetter in
Eßlingen gegründete Reifeverein, welcher Reisende
in die verschiedensten Länder sandte, zur Bereiche-
rung der H. bei. In den letzten Jahrzehnten haben
fast an allen wissenschaftlichen Expeditionen, gleich'
viel ob sie gcogr., astron. oder andere Zwecke ver-
folgten, Botaniker teilgenommen, und so ist denn
jetzt in den bedeutendem H. bereits eine ziemlich
vollständige Sammlung der sämtlichen bis jetzt be-
kannten Pflanzenarten vorhanden. Die größten
zur Zeit existierenden H. sind im Garten zu Kew
und im Britifchen Museum in London swo sich anch
das Herbarium Linn^s befindet), in Wien, Berlin,
Leipzig, Paris, Petersburg, Genf (wo sich das Her-
barium De Candolles befindet).
Die Herstellung von H. läßt sich bis in das
10. Jahrh, verfolgen; die ersten, welche getrock-
nete Pflanzen in Sammlungen aufbewahrten, sind
wahrscheinlich ital. Botaniker in der Mitte des
16. Jahrh, gewefen. Jedenfalls eine der ersten
Sammlungen getrockneter Pflanzen, die in Deutsch-
land existierten, ift die im Casseler Museum sich be-
findende, von Ratzenbergcr ums I. 1559 ange-
legte. Übrigens verstand man in jener Zeit unter
Herbarium nicht eine Sammlung von Pflanzen,
sondern ein Kräuterbuch mit vielen Abbildungen.
- Vgl. Mylius, Das Anlegen von H. (Stuttg.
1885): Willkomm, Das Herbar (Wien 1892).
Herbarisieren (von lat. 1i6ida, Kraut), Kräuter,
Pflanzen sammeln; auch von den Bienen: Bluten-
staub einsammeln; Herbarist, Kräuter-, Pflanzen-
Herbarium, s. Herbarien. Gammler.
Hcrbart, Joh. Friedr., Philosoph, geb. 4. Mai
1776 zu Oldenburg, bezog 1791 die Universität zu
Jena, wo er bald in einen nähern persönlichen Ver-
kehr mit Fichte kam, dessen Wissenschaftslehre ihn
aber nach kurzer Zeü zum Widerspruch anregte.
179? nahm er die Stelle eines Hauslehrers in Bern
an und setzte hier seine philos., mathem. und natur-
wissenschaftlichen Studien fort. Die Bekanntschaft
mit Pestalozzi erregte fein tiefes Interesse für Pä-
dagogik. Familienverhältnisse riefen ihn 1800 nach
Deutschland zurück, und nachdem er einige Zeit in
Bremen gelebt, habilitierte er sich im Okt. 1802 in
Gottmgen. Er kam 1809 als ord.ProfessorderPhilo-
sophie und Pädagogik nach Königsberg, wo er auch
Direkior eines aus seine Veranlassung gestifteten
Pädagog. Seminars war; 1833 folgte er einem
Rus nach Göttingen, wo er 14. Aug. 1841 starb.
Von H.s Werken sind hervorzuheben: "Pestalozzis
Idee eines A-b-c der Anschauung wissenschaftlich
ausgeführt" (Gott. 1802; 2. Aufl.'1804), "1)6 I>1a-
tonioi 8^5t6!UÄti8 lunäHllientiä" (ebd. 1805), "All-
gemeine Pädagogik" (edd. 1806), "über philos.
Studium" (ebd. 1807), "Hauptpunkte der Meta-
physik" (edd. 1808), "Allgemeine praktische Philo-
sophie" (ebd. 1808), "Lehrbuch zur Einleitung in die
Philosophie" (Königsd. 1813; 4. Aufl. 1837; neue
Ausg. von Hartenstein, Hamb. 1883), "Lehrbuch
der Psychologie" (Königsd. 1816; 2. Aufl. 1834;
neue Ausg. von Hartenstein,Hamd. 1882; 3. Abdruck
1887), die beiden Hauptwerte: "Psychologie als
Wissenschaft, neu gegründet auf Erfahrung, Meta-
physik und Mathematik" (2 Bde., Königsb. 1824
-25) und "Allgemeine Metaphysik nebst den Anfän-
gen der philos. Naturlehre" (2 Bde., ebd. 1828-29);
ferner die "Encyklopädie der Philofophie aus prak-
tischen Gesichtspunkten" (Halle 1831; 2. Aufl. 1841),
"I'uEoriae äs 3,tti'Äction6 Oleraeiitoruin priucipiN
inetHpliMca" (Königsb. 1815), "Über meinen Streit
mit der Modephilosophie dieser Zeit" (Lpz. 1814),
"Gespräch über das Böse" (l817), "Pädagog. Gut-
achten über Schulklassen" (1818), "vs kttt6Qtioui8
in6ii8lii'3, cansiZqnE pi'inikuÜ8" (1822), "Über die
Möglichkeit und Notwendigkeit, Mathematik auf
Psychologie anzuwenden" (1822), "Umriß Pädagog.
Vorlesungen" (Gott. 1835; 2. Aufl. 1841), Briefe
"Zur Lehre von der Freiheit des menfchlichen Wil-
lens" (edd. 1836), "Analytische Beleuchtung des
Naturrechts und der Moral" (ebd. 1836), und zwei
Hefte "Pfychol. Unterfuchungen" (ebd. 1839-40).
Eine Biographie defindet sich in "H.s kleinern philos.
Schriften und Abhandlungen", hg. von Hartenstein
(3 Bde., Lpz. 1842-43), eine Ausgabe der "Sämt-
lichen Werke" hat derselbe besorgt (12 Bde., ebd.
1850-52; 2. Abdruck, Hamb. 1883-93), eine an-
dere der "Sämtlichen Werke" wird von Kehrbach be-
sorgt (Lpz. und Langenfalza, Bd. 1-7, 1882-92),
5vs "Pädagog. Schriften" gaben Willmann (2 Bde.,
Lpz. 1873-75; 2. Ausg. 1880), Bartholomäi
(5. Aufl. von Sallwürk, 2 Bde., Langensalza 1890
-91) und Wolfs (Bd. 1, Paderb. 1891), "Herbartifche
Reliquien" Ziller (Lpz. 1871) heraus.
H.s Philosophie erklärt die Voraussetzung eines
einzigen Princips und einer einzigen Methode für
ein Vorurteil. Da die Philosophie die Aufgabe hat,
Erkenntnis aus Begriffen zu gewähren, so nimmt
H. drei Klassen philos. Untersuchungen an, die der
alten Unterscheidung zwischen Physik, Ethik und
Dialektik entsprechen. Nach der Bedeutung der Be-
griffe unterscheidet er die theoretischen Aufgaben,
die aus die Erkenntnis dessen, was ist und gefchieht,
gehen, von den ästhetisch-praktischen, deren Prin-
cipien, ohne über das Sein und Geschehen zu ent-
scheiden, auf Wertfchätzungsurteilen beruhen, wozu
die formale Aufgade der Logik kommt, die Gesetz-
mäßigkeit in der Verknüpfung der Gedanken üver-
daupt zu untersuchen. Die theoretische Grundwissen-
schaft ist ihm die Metaphysik. H. gelangt zu der An-
sicht, daß die Mannigfaltigkeit und der Wechsel der
gegebenen Erscheinungswelt sich unter der Voraus-
setzung nur eines Realen nicht begreifen lasse, son-
dern daß die notwendige Voraussetzung für jeden
Versuch einer Naturphilosophie die Annahme einer
Vielheit von Realen (Monaden) sei, aus deren Ver-
bindungen sowohl die Form der Erscheinungswelt
(Raum, Zeit u. s. w.) als die äußere Natur und
das geistige Leben sich müssen ableiten lassen. In
dem praktischen und religiösen Teile der philos.
Wissenschaft steht H. dem Iacobifchen Standpunkte
einer Gefühlsphilosophie nahe, die das Kantische
Princip eines reinen Wollens (Autonomie der prak-
tischen Vernunft) mit den Wertdestimmungen eines
gebildeten Gefühls oder Gemeinsinns vertauscht.
Denn ihm gilt die ethische Beurteilung für eine
ästhetische, das sittliche Handeln für ein schönes
Kunstwerk. Die in diefen natürlichen Geschmacks-