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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Hermas; Hermelīn; Hermelinfelle; Hermelinspinner; Hermen; Hermenegild

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Hermas – Hermenegild

Ideen und Bräuchen, welche aus den semit. Religionen in die griech. Mythologie eingedrungen sind. In diesen dient die mannweibliche Bildung öfter zum Ausdruck üppig zeugender Naturkraft. Eine solche Gottheit wurde auf Cypern unter dem Namen Aphroditos verehrt und als bärtige Aphrodite dargestellt. Seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. Findet man den Kult derselben auch zu Athen, und hier scheint sich aus ihrer hermenartigen Bildung der Name H. entwickelt zu haben. Die falsche Deutung dieses Namens führte später dazu, ihn zum Sohne des Hermes und der Aphrodite zu machen. Die spätere verweichlichte griech. Kunst in der Zeit des Hellenismus versuchte sich viel in Darstellung des H., wobei es dann meist nicht sowohl auf die Darstellung der diesen Göttern zu Grunde liegenden religiösen Ideen als auf die Lösung des künstlerischen Problems einer Verschmelzung männlicher und weiblicher Formen abgesehen war. Es sind noch viele Darstellungen von Hermaphroditen in Statuen, Reliefs, Wandgemälden, Gemmen erhalten.

Hermas, einer der Apostolischen Väter (s. d.), weil ihm ein Buch, betitelt «Der Hirte», beigelegt wird, dessen Verfasser der Röm. 16,14 von Paulus begrüßte H. sein soll. In Wirklichkeit war nach einem alten Zeugnisse der Verfasser ein Bruder des röm. Bischofs Pius (Mitte des 2. Jahrh.). Das Buch, eine Apokalypse, verkündigt auf Grund einer vorgeblich von Christus selbst veranlaßten Offenbarung mit Rücksicht auf das nahe Weltende die Gewährung einer nochmaligen Bußzeit für die nach ihrer Taufe wieder in allerlei Sünden verfallenen Christen. Die alte Kirche rechnete den «Hirten» (der offenbarende Engel tritt in Gestalt eines Hirten auf) vielfach noch zu den neutestamentlichen Schriften. Das Buch ist eins der wichtigsten Zeugnisse für das Christentum des 2. Jahrh. Früher nur in einer alten lat. Übersetzung vorhanden, ist der griech. Originaltext neuerdings fast vollständig wieder entdeckt; außerdem fand man eine zweite lat. Und eine äthiop. Übersetzung. Die erste Ausgabe des griech. Textes ist von Anger und Dindorf (Lpz. 1856), neuere Ausgaben von Hilgenfeld (in «Novum testamentum extra canonem receptum», ebd. 1866; 2. Aufl. 1881; vollständig griechisch: ebd. 1887), von Gebhardt und Harnack (in «Patrum apostolicorum opera», Bd. 3, ebd. 1877), von Funk (in «Opera patrum apostolicorum», Bd. 1, Tüb. 1878). – Vgl. Behm, Über den Verfasser der Schrift, welche den Titel Hirt führt (Rostock 1876); Hückstädt, Der Lehrbegriff des Hirten (Anklam 1889). Apologetische Tendenz verfolgt die Schrift von Zahn, Der Hirt des H. (Halle 1868).

Hermelīn oder großes Wiesel (Mustela erminea L.; s. Tafel: Marder Ⅱ, Fig. 1), ein kleines, aber blutgieriges und grausames Raubtier aus der Gattung der Marder (s. d.), welches, in Europa und Asien, besonders aber in Sibirien einheimisch, die Nähe menschlicher Wohnungen flieht und felsige Wälder den Ebenen vorzieht. Es hält sich in Steinhaufen, Löchern und hohlen Bäumen auf, klettert und springt vortrefflich und geht nachts auf Raub aus, der aus kleinen Säugetieren und Vögeln, Schlangen, Eidechsen und Eiern besteht. Durch massenhafte Mäusevertilgung wird es nützlich. Es mordet mehr als es frißt, paart sich im März und das Weibchen wirft im Mai fünf bis acht Junge. Sein im Sommer oben brauner, auf der Unterseite gelblichweißer Pelz wird im Winter im Norden schneeweiß, die Spitze des Schwanzes aber, welche an Länge die Hälfte des Körpers übertrifft, ist stets glänzend schwarz gefärbt. (S. Hermelinfelle.) Als Wappenbild führt die Bretagne den H.

Hermelīn, heraldisches Pelzwerk, ordnungsmäßig mit mehrern Reihen stilisierter, abhängender schwarzer Hermelinschwänzchen (wobei die der geraden Reihen auf den Lücken der ungeraden stehen) in Silber dargestellt. (S. Tafel: Heraldische Typen Ⅰ, Fig. 8, beim Artikel Heraldik.)

Hermelinfelle, die mit den schwarzen Schwanzspitzen geschmückten weißen Winterpelze des Hermelins (s. d.), die aus Sibirien und dem übrigen nördl. Rußland in jährlichen Mengen von etwa 400000 Stück über Barabinsk, Ischin, Jenisseisk und Jakutsk in den Handel gelangen. Früher war das Tragen der Hermelinmäntel ein Vorrecht der Fürsten, heute werden sie vielfach von der feinen Damenwelt begehrt. Hauptabsatzgebiete sind außer Rußland namentlich China und die Türkei, in geringerm Maße England, Frankreich, Nordamerika und Deutschland. Der Wert des Felles beträgt 1,2‒1,5 Mark; zu einem Mantel gehören durchschnittlich 130 Stück.

Hermelinspinner, soviel wie Gabelschwanz.

Hermen, viereckige mit Köpfen versehene Pfeiler, dergleichen es im alten Athen auf Plätzen und Straßen viele gab. Den Namen erhielten sie von Hermes, insofern dieser auch als Gott der Wege und des Verkehrs verehrt wurde. Aus dem ältesten Kultus des Hermes in Gestalt von Steinhaufen an Wegen und Grenzmarken, dann auch unter den Formen des Phallus (Zeugungsglied) entwickelte sich die Gestalt der H., zunächst als einfacher Pfahl, welcher inmitten der Steinhaufen errichtet wurde, dann als phallusförmiger Pfeiler, welchem zuletzt der Kopf des Gottes aufgesetzt wurde. An Kreuzwegen wurde die einfache Herme nach der Anzahl der Wege verdrei- oder vervierfacht. Auch auf andere Götter, besonders auf den bärtigen Dionysos, wurde diese Darstellungsform übertragen, ebenso bildete man Büsten von Staatsmännern, Philosophen, Dichtern u. s. w. in Hermenform und stellte in späterer Zeit gern zwei solcher als Doppelherme zusammen. Auch die moderne Kunst wendet die Form der H. für Büsten und im Bauwesen vielfach an.

Hermenegild, Orden des heiligen, vom König Ferdinand Ⅶ. von Spanien 27. Nov. 1814 zur Belohnung für Offiziere des Heers und der Marine gestiftet, zerfällt in Großkreuze, zweite und dritte Klasse und ist nach zehnjährigem Besitz des Ordens während aktiver Dienstzeit mit gewissen Pensionen verbunden. Das Ordenszeichen ist ein von der Königskrone überragtes weißes Kreuz mit rundem blauem Mittelschilde mit dem Bild des heiligen H. zu Pferde und der Umschrift «Premio a la constancia militar». Die Großkreuze tragen dasselbe am breiten weißen, zweifach karmesin gestreiften Bande von der rechten Schulter zur linken Hüfte nebst einem Stern auf der linken Brust; die zweite Klasse trägt dieselben Insignien, jedoch nicht das breite Band, die dritte das Kreuz im Knopfloch.

Hermenegild, Sohn des span. Westgotenkönigs Leovigild, erhob sich um 580 gegen seinen Vater, erlag aber nach einem mehrjährigen Bürgerkriege, obschon ihn die Byzantiner unterstützten. Leovigild nahm H. in Cordoba gefangen (584), hielt ihn erst ein Jahr lang in leichter Haft, dann mußte er ihn hinrichten lassen. Die Legende läßt H. zum Katholicismus übertreten und macht ihn zum Märtyrer; aber