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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hessen (Großherzogtum)
und seine Schüler, die Stifter der Abteien Amöne- z
bnrg, Fulda, Hersfeld und des bald wieder auf-
gehobenen Bistums Vuraburg, kultiviert wurden,
waren der frank. Hessengau und der Oberlahngau.
Sie wurden unter der Herrschaft der frank. Könige
durch Grafen regiert, von denen die mächtigsten, die
Konradinger, zur Zeit des Falls der Karolinger in
Konrad I. zur herzogt. Gewalt über Franken und
911 auf den deutschen Königsthron gelangten. Ob-
schon nach dem Tode Konrads und seines Bruders
Eberhard das frank. Herzogtum keineswegs einging,
so erstreckte sich doch die herzogt. Gewalt fortan nicht
mehr über Hessen, wo seitdem mehrere Grafen- und
Dynastengeschlechter nebeneinander herrschten, wie
die Werner, die Grafen von Ziegenhain, von Fels-
berg, Schaumburg, Wittgenstein, Waldeck, Vatten-
berg, Dassel u. s. w. Unter allen ragten hervor die
Gisonen, Grafen von Gudensberg. Durch Heirat
mit der Erbtochter des letzten derselben, Geisos IV.,
erhielt Landgraf Ludwig I. von Thüringen die
Grafschaft Gudcnsberg, und alle Hess. Großen er-
kannten ihn als ihren Landesoberherrn an. Als
1247 mit Heinrich Raspe der thüring. Manns-
stamm ausstarb, machte seine Nichte, Sophia, die
Tochter Landgraf Ludwigs des Frommen und Ge-
mahlin Herzog Heinrichs von Brabant, auf das Erbe
Thüringen samt Hessen Anspruch und kam nach
langjährigen Kämpfen mit ihrem Nebenbuhler, dem
Markgrafen Heinrich (s. d.) dem Erlauchten von
Meißen, Heinrich Naspes Schwestersohn, kraft Ver-
trag von 1263 wenigstens in den Besitz von Hessen.
Sophias Sohn, Heinrich 1. (s. d.) das Kind, der
Stammvater des noch gegenwärtigen Hess. Hauses,
na-hm seinen Sitz zu Cassel, der alten Residenz der
Konradinger, behielt die aus der mütterlichen Erb-
schaft beanspruchte landgräfl. Würde bei und wurde
in dieser Eigenschaft als Neichsfürst anerkannt.
Seine Nachkommen brachten allmählich alle die da-
mals noch verschiedenen selbständigen Grafen und
Dynasten gehörenden Territorien an sich und er-
warben auch außerhalb Hessens am Mittelrhein be-
deutende Besitzungen. Ihre Ansprüche auf Vrabant
blieben aber erfolglos.
Heinrichs I. Söhne, Otto und Johann, nahmen
1309 eine Erbtoilung vor; da aber letzterer bald
nachher kinderlos starb, so kamen die Lande wieder
zusammen. Ottos Sohn Heinrich II. oder der
Eiserne l 1328-77) erwarb Trefsurt, einen Teil der
Herrschaft Itter, die Hälfte von ^chmalkalden u.s.w.
und hinterließ die Landgraffchaft feinem Brudersohn
Hermann (1377-1413), der Gelehrte genannt, des-
sen Regierung vielfach durch Fehden mit den Ritter-
bünden beunruhigt wurde. Die Streitigkeiten wegen
Mainz verwickelten ihn mit Erzbischof Adolf von
Nassau in Kampf, verschafften ihm aber die Schutz-
gerechtigkeit über die Abtei Hersfeld; auch erwarb
er käuflich die Hälfte der Grafschaft Lisberg und die
Herrschaft Wolkersdorf. Da feine ältern Söhne
bereits vor ihm verstorben waren, so folgte ihm
der jüngste, Ludwig I. oder der Friedsame (1413
-58), der Ziegenhain und Nidda erwarb und die
Vogtei über Korvei und die Lehnsherrlichkeit über
Waldeck erhielt. Von seinen vier Söhnen teilten
sich Ludwig und Heinrich III. in das väterliche
Erbe. Ludwig II. oder der Freimütige (1458-71)
erhielt Nieder Hessen mit Cassel, Heinrich III.
oder der Reiche (1458-83) Ob erHessen mit Mar-
burg. Ein zwischen ihnen wegen dieser Teilung ent-
standener Krieg endigte damit, daß Ziegenhain mit
Oberhessen vereinigt wurde. Für Ludwigs II. min-
derjährige Söhne, Wilhelm I. oder den Altern und
Wilhelm II. oder den Mittlern, übernahm deren
Oheim, Heinrich III., die vormundschaftliche Re-
gierung und brachte durch Heirat die Grafschaft
Katzenelnbogen, deren oberer Teil den Kern des nach-
maligen hessen-darmst. Gebietes bildet, an Hessen.
Bei seinem Tode trat Wilhelm I. in Niederhessen
und zwei Jahre später Wilhelm II. in seinem An-
teil die Regierung an. Heinrichs III. Nachfolger in
Oberhessen wurde sein Sohn Wilhelm III. oder der
Jüngere (1483-1500). Wilhelm I. (gest. 1515)
wurde auf der Rückkehr aus Palästina blödsinnig
und mußte deshalb 1493 die Regierung aufgeben,
die, da er keine männlichen Erben hatte, auf seinen
Bruder Wilhelm II. überging. Als auch WilhelmIII.
1500 kinderlos starb, sah sich Wilhelm II. im allei-
nigen Besitz der gesamten Hess. Lande, welche er
1509 seinem fünfjährigen Sohne, Philipp I. (s. d.)
dem Großmütigen, hinterließ. Während Philipps
Minderjährigkeit wurde Hessen zuerst von einem aus
dem Adel gebildeten Landregiment, sodann von der
Landgräsin-Mutter in Verbindung mit den Land-
ständen regiert. Die Nnruhen in Deutschland ver-
anlaßten aber Kaiser Maximilian I., den Land-
grafen schon 1518 für volljährig zu erklären. Dieser
war ein eifriger Anhänger und Förderer der Refor-
mation, nahm Anteil an dem Bauernkriege und
den Kämpfen des Schmalkaldifchen Bundes. Mit
den Gütern der eingezogenen Klöster stattete er die
von ihm 1527 gegründete Universität zu Marburg
aus. Er starb 1567 und hatte zufolge eines Testa-
ments von 1562 seine Lande unter seine vier Söhne
geteilt. Wilhelm IV. (s. d.) erhielt die Hälfte des
Länderbestandes mit Cassel, Ludwig IV. ein Viertel,
Oberhessen und Nidda, mit Marburg, Philipp II.
ein Achtel, die Niedergraffchaft Katzenelnbogen mit
Rheinfels, Georg I. ein Achtel, die Obergrasschaft
Katzenelnbogen mit Darmstadt. Da aber Philipp II.
1583 und Ludwig IV. 1604 ohne Erben starben, so
blieben nur die beiden Hauptlinien Hessen-Cassel
(s. d.) und Hessen-Darmstadt (s. Hessen, Großherzog-
tum). - Vgl. Landau, Beschreibung des Hessen-
gaues (Cass. 1856); Teuthorn, Ausführliche Ge-
schichte der H. (11 Bde., Franks. 1777-80); Wenck,
Hessische Landesgeschichte (3 Bde., Franks, a. M.
1783 - 1803); Rommel, Geschichte von Hessen
(10 Bde., Gotha und Cass. 1820-58).
Die hessischen Mundarten gehören der
mitteldeutschen Gruppe der deutschen Mundarten
an. Die kurhess. Mundart weicht stark von der Hessen-
nassauischen ab (s. Deutsche Mundarten, III, L, 3
und 0). - Vgl. A. F. C. Vilmar, Idiotikon von Kur-
hessen (neue Ausg., Marb. 1883; dazu Nachträge von
H. von Psister, ebd. 1886, und von beiden, ebd. 1889).
Für Hessen-Nassau: I. Kehrein, Volkssprache und
Volkssitte in Nassau (2 Bde., Weilberg 1860-62);
I. Leidolf, Die Naunheimer Mundart (Darmst.
1891); W. Crecelius, Oberhess. Wörterbuch (ebd.,
seit 1890 erscheinend). - Hessisch nennt man auch
die niederdeutsche Mundart, die nördlich von Cassel
gesprochen wird (s. Deutsche Mundarten, VI, lü, 5).
Hessen, ein zum Deutschen Reich gehöriges Groß-
herzogtum, seinem Flächengehalt nach der siebente,
seiner Einwohnerzahl nach der sechste Bundesstaat,
liegt mit seinen Hauptteilen, von den Erllaven ab-
gesehen, zwischen 49° 24^ und 50° 50' nördl. Br.
und zwischen 7° 51' und 9" 39' östl. L. von Green-
wich, grenzt an die preuh. Provinzen Hessen-Nassau