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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hildesheim
Dr. Hoche, 25 Lehrer, 15 Gymnasial- und 3 Vor-
klassen, 509 Schüler), königl. Andreas-Realgym-
nasium (Direktor Kalckhoff, 10 Lehrer, 11 Klassen,
353 Schüler), kath. Lehrerseminar, Priesterseminar,
2 höhere Mädchenschulen, landwirtschaftliche Schule
und Versuchsstation, Taubstummenanstalt, Hand-
werker- und Handelsschule, Irrenanstalt, 2 Waisen-
häuser, städtisches Museum in der Martini kirche
mit Altertümersammlung, kunst- und naturhistor.
Sammlungen, Andreasmuseum im Turmbau der
Andreaskirche für Skulpturen, Grabsteine, Schnitze-
reien und Architekturreste, und eine Stadtbibliothek
(25000 Bände).
Öffentliche Gebäude. H. ist ein Hauptsitz ro-
man. Kunst und des deutschen Fachwerkbaues der
Spätgotik und der Renaissance. Der kath. Dom,
eine kreuzförmige Basilika, dessen Kern nach dem
Brande eines ältern Baues 1055-61 im roman.
Stil aufgeführt und 1388 durch 2 Reihen Seiten-
kapellen erweitert wurde, mit spätgotisch erweiter-
tem Südschiff und nördl. Kreuzarm (1412), wurde
1536-46 mit einem prachtvollen Lettner im Re-
naissancestil verfehen, 1730 im Innern verunstaltet
und 1888-91 neu ausgemalt. Die drei Langschiffe
enthalten 8 Pfeiler und 12 Säulen. Die ehernen
Thürflügel vom Bischof Bernward (1015) und das
Taufbecken (13. Jahrh.) tragen wertvolle Reliefs;
der große Kronleuchter ist von Bischof Hezilo (gest.
1079) gestiftet. Der spätroman. Kreuzgang ent-
hält im obern Geschoß die Dom- oder Beverinische
Bibliothek, der Domschatz in einem Anbau wert-
volle Kunstwerke. An der Außenwand des Domes
der sog. tausendjährige, in Wahrheit aber nur 300 I.
alte Rosenstock, auf dem Domdof eine Christus-Säule
(4,7 m) aus Erzguh, mit 28 Darstellungen aus der
Geschichte Christi, 1022 von Bischof Bernward in
der Michaeliskirche aufgestellt. Die 1133-72 er-
baute, 1848-63 restaurierte kath. Godehardikirche
ist ein Meisterwerk roman. Stils. Die evang.
Michaeliskirche, eine großartige roman. Basilika,
ehemals Benediktinerabteitirche, 100l-22 von
Bischof Bernward erbaut, später durch Brand be-
schädigt und mehrfach umgebaut, ist 1854 wieder-
hergestellt und 1857 als evang. Pfarrkirche geweiht.
Sie hat Deckenbilder (12. Jahrh.) und in der zur
kath. Magdalenenkirche gehörigen Krypta (1015) das
Grabmal Bernwards (13. Jahrh.). Auch die Magda-
lenenkirche besitzt beachtenswerte Kunstwerke aus
der Wertstätte Bernwards. Das spätgot. Rathaus,
mit Laubengängen, von 1443 an erbaut und 1883
-87 umgebaut, enthält das reiche Stadtarchiv, eine
gemalte Holzdecke in der Halle des obern Geschosses
und an den Wänden Fresken aus der Hildesheimer
Geschichte, 1888-92 von Herm. Prell entworfen.
Die Mehrzahl der zahlreichen, mit schönem Schnitz-
werk gezierten Fachwertbauten stammt aus dem 16.
und 17. Jahrh.; unter ihnen sind hervorzuheben: das
1529 erbaute ehemalige Knochenhauer-(Fleischer-)
Amtshaus, eine der schönsten Holzbauten Deutsch-
lands, jetzt Leihhaus, das spätgot. Templerhaus
(1457), das sog. Kaiserhaus, ein Renaissancebau
(1586) mit Medaillonreliefs und Statuen röm.
Kaiser, das Wedekindsche Haus (1598) mit Holz-
schnitzwerk, das Rolandsstift mit Staffelgiebel, die
Neustädter Schenke (1550) und das vormalige Trini-
tatishospital (1334 und l459), jetzt Fabrik. Auf
dem Hohen oder Michaeli^wall ein Kriegerdenkmal.
Sept. 1893 wurde das Denkmal des Bischofs Bern-
ward (s. d.) von H. enthüllt. Der Flecken Moritzberg,
1 km südwestlich von H., hat eine 1068 erbaute Stifts-
kirche, die einzigereine Säulenbasilika in Norddeutsch-
land, zum Teil in der Zopfzeit verunstaltet. Das
Bergholz und der Galgenberg bei der Stadt bieten
treffliche Aussichten; in der Nähe des letztern wurde
Okt. 1868 der fog. Hildesheimer Silberschatz (s. d.)
gesunden.
Industrie, Handel. H. hat Eisengießereien,
Drell- und Baumwollwebereien, eine Glocken-
gießerei, Zuckerraffinerie, Fabrikation von Tabak
und Cigarren, Wollwaren, Sparherden (Senking),
Maschinen, Tapeten, Obst- und Gemüse-Präserven,
Mühlsteinen, Gummiwaren, Glas und Dfen; ferner
Brauereien, Mälzereien, Mühlen, Ziegeleien, Blut-
egelzüchterei, Handelsgärtnereien und Handel mit
Getreide, Wolle, Garn, Leinwand, Leder und Bau-
materialien. In der fruchtbaren und dichtbevölker-
ten Umgegend bestehen 27 Zuckerfabriken.
Das Bistum H. verdankt nach gewöhnlicher
Annahme seinen Ursprung Karl d. Gr. und Ludwig
dem Frommen; jener gründete es zur Bekehrung
der Sachsen 796 zu Elze, dieser verlegte dasselbe
818 nach H. Die beiden Bischöfe Bernward (993
-1022) und Godehard (1022-38) erhoben das
Hochstift zu hoher Blüte. Die Bischöfe brachten
bald die bedeutendsten Gebiete ihres Sprengels in
ihren Besitz und erlangten von Kaiser Friedrich II.
eine förmliche Anerkennung ihres Reichsfürsten-
standes. Sie hatten viele Streitigkeiten mit der
Stadt H. auszufechten, welche schon im 13. Jahrh,
wichtige Rechte und Freiheiten besaß und der Hansa
beigetreten war. Dennoch war das Hochstift in
stetem Wachstum begriffen, bis 1519 die Hildes-
heimer Stifts fehde ausbrach, in welcher die
braunschw. Herzöge, als Exekutoren der über Bischof
Johann IV. von Kaiser Karl V. verhängten Reichs-
acht, den größten Teil der Stiftslande eroberten und
im Vertrage zu Quedlinburg 1523 abgetreten er-
hielten. Ter hildesheimischen Kirche blieben nur
die Amter Steuerwald, Peine, Marienburg und die
Dompropstei unter dem Namen des Kleinen Stifts;
das "Große Stift", 18 Amter mit den darin ge-
legenen Städten und Flecken, behielten von jetzt an
die Herzöge von Braunschweig. Erst dem Bischof
Ferdinand, Herzog von Bayern und Metropolitan
zu Köln, gelang es infolge eines 1643 mit den
Herzögen August und Christian Ludwig von Braun-
schweig - Lüneburg geschlossenen Vergleichs, das
Große Stift, mit Ausnahme der Ämter Lutter am
Varenberge, Dachtmissen, Koldingen und Westerhof,
zurückzuerhalten. Da nun aber alle Städte (Stadt
H. seit 1542), der größte Teil des Adels und viele
Dörfer sich zur prot. Kirche bekannten, während das
Bistum katholisch war, so drang nach langem Streite
Kurfürst Georg Ludwig von Hannover darauf, daß
den prot. Ständen durch einen 11. Juli 1711 ver-
öffentlichten Receß Religionsfreiheit gesichert wurde.
Unter dem 59. Bischof, Franz Egon, Freiherrn von
Fürstenberg (gest. 11. Äug. 1825), kam das Bistum
infolge des Reichsdeputationshauptschlusses vom
25. Febr. 1803 an Preußen, worauf es im Tilsiter
Friedensschlüsse und nach dem Dekret vom 7. Dez.
1807 dem Königreich Westfalen einverleibt und
5. Nov. 1813 von Hannover in Besitz genommen
wurde, dem es 1815 der Wiener Kongreß zusprach;
1866 fiel es an Preußen.
Litteratur. Delius, Die hildesheimische Stifts-
fehde (Lpz. 1803); Kratz, Der Dom von H. (Bd. 2-3,
Hildesh. 1840); Lüntzel, Geschickte der Diöcese und