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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Hippogrȳph; Hippokámp; Hippokentauren; Hippŏkras; Hippokrătes

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Hippogryph - Hippokrates (Arzt)

Gesang 23) besungen. Über die Einrichtung des H. der Griechen der spätern Zeit fehlt ein ausführlicher Bericht, jedoch giebt Pausanias eine Darstellung der berühmtesten Rennbahn zu Olympia. Die Form dieses H. war die eines Oblongum, die beiden langen Seiten bildeten Anhöhen, deren eine von Natur bestand, die andere künstlich war. Hier standen die Zuschauer. Der Ablaufstand, Aphesis genannt, lag an der einen schmalen Seite und bildete den glänzendsten Teil des H., gewissermaßen die Vorhalle. Hier waren für die bespannten Wagen besondere Abteilungen, die durchs Los an die einzelnen Teilnehmer verteilt wurden. Gegenüber der Abfahrt schloß ein halbmondförmiger Erdwall den H. Die Bahn war 600 Fuß breit und vermutlich etwa 1200 lang. Durch zwei Zielsäulen, die am Anfang und am Ende der Bahn standen, wurde die Breite in zwei Hälften geteilt und es bestand nun die Kunst des im Wagen stehenden Lenkers des Zwei- oder Viergespanns darin, mit dem Gefährt in kurzem Bogen um diese Säulen zu gelangen, ohne den Mitstreitern zu nahe zu kommen; denn mit volljährigen Rossen war die Bahn 12mal, mit Füllen 8mal zu durcheilen. Nicht selten kam es vor, daß beim Umlenken die Wagen anstießen oder ineinander fuhren und zerbrachen und die Lenker verwundet oder getötet wurden. Die Vornehmen und Reichen stellten zwar die Gespanne, waren aber selten selbst die Lenker. Der letzte in Griechenland erbaute H. ist jedenfalls der von Byzanz, von den Türken At-Meidan benannt. (S. Cirkus, Circensische Spiele, Rennbahn.) – In der Neuzeit bezeichnet man mit H. ein Etablissement, wo cirkusähnliche Schaustellungen in großem Maßstabe stattfinden. Auch öffentliche, für die Belustigung des großen Publikums bestimmte Reitbahnen werden H. genannt.

Hippogrȳph (grch., «Rohgreif»), von dem ital. Dichter Bojardo erfundener Name eines fabelhaften, den Alten unbekannten Tiers, den Wieland auf den Pegasus übertrug. Der H. wird als geflügeltes Roß mit einem Greifenkopf dargestellt.

Hippokámp, in der griech. Mythologie ein fabelhaftes, den Seegöttern zum Reiten und Fahren dienendes Seetier mit dem Kopf und den Vorderfüßen eines Pferdes und einem Fischschwanz. Zu Grunde liegt die Vorstellung der Wogen in der Gestalt dahinstürmender Rosse; für die künstlerische Behandlung aber hat das im Mittelmeer vorkommende Seepferdchen als Vorbild gedient (s. vorstehende Figur).

^[Abb. Hippokamp]

Hippokentauren, s. Kentauren.

Hippŏkras, eine Art gewürzter Wein, der im Mittelalter allgemein üblich war, wo man die Weine noch nicht recht zu behandeln verstand, sodaß sie stets eine gewisse Schärfe und Säure behielten, die man durch Zusatz von Honig und Gewürzen zu verdecken suchte.

Hippokrătes, genannt der Zweite oder der Große, der berühmteste Arzt des Altertums und der erste, der eine wissenschaftliche Begründung der Heilkunde versuchte, war der Sohn des Asklepiaden (s. d.) Heraklides, eines Priesterarztes auf der Insel Kos, und der Phänarete, welche ihre Abstammung von Herakles herleitete. Geboren wurde er wahrscheinlich um 460 v. Chr. Nachdem er von seinem Vater in den erblichen Kenntnissen der Asklepiaden unterrichtet worden war, machte er größere Reisen, die ihn auch zu den Ländern am Schwarzen Meere geführt zu haben scheinen. Er hielt sich lange Zeit auf der Insel Thasos, in Abdera und in Thessalien auf und soll, fast göttlich verehrt, in Larissa, wo sein Grabmal noch zu Galens Zeiten im 2. Jahrh. n. Chr. gezeigt wurde, 377 gestorben sein.

Die Größe des H. bestand darin, daß er weder dem Dogmatismus noch der Empirie zu viel huldigte; daß er aus den von seinen Vorgängern (besonders in den Tempeln der Asklepiaden) gesammelten Kenntnissen und Lehren das erfahrungsmäßig Begründetere auszuscheiden wußte; daß er jeden Krankheitsfall teils als selbständig mit allen dabei vorkommenden Erscheinungen, teils im Zusammenhange mit der Außenwelt, der Lebensart, dem Klima, der Witterung u. s. w. auffaßte; daß er das Vorhergehende ebenso berücksichtigte wie das Gegenwärtige, und daß er erst aus der Zusammenstellung aller dieser Thatsachen einen Schluß zog, welcher bei seinem weitern Verfahren und bei seinem Urteil über Verlauf und Ausgang der Krankheit ihm zur Anleitung dienen konnte. Auf diese Art hat er ohne Kenntnis der pathol. Anatomie und anderer Hilfsmittel unserer Zeit die Heilkunde wissenschaftlich begründet. Für alle Zeiten hat so H. ein leuchtendes Vorbild hinterlassen, wie mit geringen Mitteln eine schlichte, vorurteilsfreie, von Hypothesen sich frei haltende Beobachtung zu einer scharfen und vielseitigen Einsicht in das Wesen der Krankheiten und zu einer erfolgreichen Behandlung derselben führen kann. Seine Behandlungsweise der Krankheiten war in der Regel schonend und mild, vorwiegend diätetisch, sodaß man in spätern Zeiten oft Ärzte, welche einer solchen zuwartenden, nicht eingreifenden Kurmethode huldigten, deshalb Hippokratiker genannt hat. Gleich seinem großen Zeitgenossen Sokrates stellte sich aber H. nicht an die Spitze einer Schule. Von den 72 Schriften in ion. Dialekt, die dem H. zugeschrieben werden, sind die meisten nicht sein Eigentum. Am besten bezeugt sind das «Prognostikon», die «Aphorismen», Buch 1 und 3 der «Epidemien», «Über Luft, Wasser und Orte», «Über Diät in akuten Krankheiten», «Über die Kopfwunden». Auch die für echt erkannten Schriften des H. sind höchst wahrscheinlich nicht frei von den Zusätzen seines Sohnes Thessalus, seines Schwiegersohnes Polybus u. a.; von andern, wie den «Epidemien», wird ein Teil von ihm, das meiste von andern herrühren. Ausgaben seiner sämtlichen Werke lieferten in neuerer Zeit Kühn (3 Bde., Lpz. 1826‒27), Littré (mit franz. Übersetzung, 10 Bde., Par. 1839‒61) und Ermerins (3 Bde., Utr. 1859‒65), auf Grund neuer Vergleichung von Handschriften Kühlewein und Ilberg (Bd. 1, Lpz. 1894); eine musterhafte, aber unvollendete deutsche Übersetzung Grimm (4 Bde., Altenb. 1781‒92; 2. Aufl., 2 Bde., Glog. 1837‒39) sowie Upman (3 Bde., Berl. 1847). – Vgl. Ilberg, Studia Pseudippocratea (Lpz. 1883) und «Über das hippokratische Korpus» (Verhandlungen der Philologenversammlung zu Görlitz, Lpz. 1890).