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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hungermoos - Hunnen

fuhr gutnährender und leichtverdaulicher Speisen (Milch, weiche Eier u. s. w.), um der Erschöpfung vorzubeugen, und hat sich damit der besten Erfolge zu rühmen. In der Fettsucht (s. d.), wo die H. noch den meisten Erfolg zu versprechen scheint, hat sie sich als völlig unzweckmäßig erwiesen. Dagegen wird durch Verabreichung von reiner Fleischkost und Entziehung aller Fettbildner (Fett, Stärkemehl, Zucker) ein ausgiebiger Fettschwund bewirkt. (S. Bantingkur.)

Hungermoos, s. Cladonia.

Hungermünzen, Geldstücke, die zum Andenken an Mißwachsjahre geschlagen sind. - Vgl. Pfeiffer und Ruland, Pestilentia in nummis (Tüb. 1882).

Hungerquellen, s. Quellen.

Hungerräude, s. Hautkrankheiten (der Haustiere, Bd. 8, S. 907 a).

Hungersnot, s. Teuerung.

Hungerstein oder Pfannenstein, der beim Versieden des Salzes auf dem Boden der Sudpfannen bleibende, größtenteils aus Gips bestehende feste Rückstand.

Hungertuch, Fastentuch (Pallium quadragesimale), ein schlichtes oder in Weißzeug gesticktes, auch mit biblischen Bildern bemaltes Tuch, das während der Fastenzeit in kath. Kirchen zur Verhüllung des Kreuzes vor dem Altar aufgehängt wird. Solche H. giebt es noch aus dem Ende des 13. Jahrh. sowie aus dem 15. Jahrh., z. B. in Güglingen (Württemberg) und in Dresden.

Hungertyphus, s. Flecktyphus: vgl. auch Rückfalltyphus und Typhus.

Hungerwespen (Evaniidae), Familie der Schlupfwespen (s. d.), deren Hinterleib nicht am Ende des Bruststücks, sondern weiter nach oben nahe der Mitte angeheftet ist. Sie legen ihre Eier in Larven von Insekten, besonders der Holzwespen.

Hungerwüste, s. Bed-Pak-Dala.

Hungerzähne, in manchen Gegenden übliche Bezeichnung für die stark und scharf entwickelten Milchschneidezähne der Ferkel.

Hungerzwetschen, s. Exoascus.

Hüningen, Hauptort des Kantons H. (20526 E.) im Kreis Mülhausen des Bezirks Oberelsaß, 4 km unterhalb Basel, links des Rheins, am Hüninger Zweigkanal, der diesen mit dem Rhein-Rhonekanal verbindet, und an der Linie St. Ludwig-Lörrach der Bad. Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Mülhausen) und Nebenzollamtes erster Klasse, hat (1890) 2042 E., darunter 472 Evangelische und 57 Israeliten, Post, Telegraph, Fernsprechverbindung, kath. Dekanat, eine seit 1843 bestehende Schiffbrücke und daneben seit 1878 eine feste Eisenbahnbrücke; chemische, Anilinfarben- und Cigarrenfabriken, Seidenfärberei und Appreturanstalten und bedeutende Flößerei. 3 km von H. liegt die kaiserl. Fischzuchtanstalt H., 1847 gegründet, eine Muster- und Lehrstätte für rationelle Fischzucht. - H. war wegen des bequemen Rheinübergangs schon früh wichtig. Anfänglich den Bischöfen von Basel gehörig, kam es in der Folge an die Habsburger, 1680 mit den übrigen Vorderösterreich. Besitzungen an Frankreich. Ludwig XIV. ließ den Ort durch Vauban stark befestigen. Nach dem Rückzuge Moreaus, der 26. Okt. 1796 hier über den Rhein gegangen war, belagerten die Österreicher H., konnten aber nur die Räumung der äußern Werke erzwingen. Am 14. April 1814 erlangten die Österreicher und Bayern die Übergabe der bis dahin noch nie eroberten Festung. Auch 1815 mußte H., nach tapferer Verteidigung durch General Barbanègre, 26. Aug. an Erzherzog Johann, der die Festungswerke schleifen ließ, kapitulieren. 1871 kam H. wieder an Deutschland. - Vgl. Franck Latruffe, Huningue et Bâle devant les traités de 1815 (Par. 1863).

Hunkjâr (eigentlich Chunkjar), eine Titulatur des Sultans, ist im Munde von dessen Unterthanen zu seiner üblichen Bezeichnung geworden. Das Wort, dem Persischen entlehnt, ist aus chundkiar, für chodawenkjar, herrliche Thaten verrichtend, zu erklären. Die Deutung als Blutvergießer, von chun, persisch das Blut, ist unrichtig.

Hunnen, asiat. nomadisches Reitervolk, das unter Anführung Balamirs nach Besiegung der Alanen mit diesen vereint 375 den Don überschritt, die Ostgoten unterwarf, die Westgoten über die Donau drängte und dann fast 80 Jahre lang nördlich von der Donau das herrschende Volk war. Die Zeit von 433 bis 454, unter der Regierung Attilas (s. d.), bildete die Glanzperiode der hunn. Macht. Unter ihm waren außer den ugrischen Stämmen auch die Akatziren oder die Vorfahren der Chafaren, welche türk. Abkunft, und ein großer Teil der slaw. und der german. Völker vereinigt. Nach Attilas Tode (454) erhob sich Streit zwischen seinen Söhnen; die H. wurden namentlich durch Gepiden und Ostgoten geschlagen und bis hinter den Pruth und Dnjepr zurückgedrängt. Hier standen sie wieder unter einzelnen Fürsten; einer von diesen, Dintzic oder Dengizich, Attilas Sohn, fand den Tod um 468 gegen die Ostgoten, und damit verschwindet der Name des hunn. Reichs. In röm. Kriegsdienste kommen hunn. Scharen noch in dem Heere vor, das Narses gegen die Ostgoten führte. Das Volk selbst erscheint nun unter dem Namen der Kuturguren oder Kutriguren westlich und der Uturguren oder Utiguren östlich vom Don, von denen namentlich die erstern im 6. Jahrh. dem Oströmischen Reiche durch ihre Einfälle furchtbar waren. Sie scheinen dieselben zu sein wie die Bulgaren, die sich nach dem Abzuge der Ostgoten im Römischen Reiche festsetzten und im Laufe der Zeit slawisiert sind.

Über die Nationalität der H. herrschen verschiedene Ansichten. Während Deguignes und Neumann sie für die Hiung-nu (s. d.) der chines. Schriftsteller und demnach für mongol. Stammes halten, erklären andere, wie Klaproth und Hunfalvy, sie für Finnen im allgemeinen und somit auch für die Vorfahren der Magyaren im besondern. Die Meinung Deguignes und Neumanns ist wohl die richtige, nur waren die Hiung-nu nicht Mongolen, sondern Osttürken (Uigur, s. d.), die schon vor Christi Geburt vom Gelben Flusse allmählich nach Westen gezogen waren und im 1. Jahrh. unserer Zeitrechnung zwischen Ural und dem Aralsee wohnten. Dies erklärt auch das spätere Auftreten der hunn. Stammnamen Kutriguren, Utiguren, Oniguren und Sariguren. Mit diesen Uiguren vermischten sich in der Folge verschiedene ostfinn. Völkerschaften, die nach den uigurischen Herrscherfamilien den Namen "Ugrier" erhielten. Einen solchen Völkerstamm bildeten auch die Magyaren, die von den nördl. Nachbarn Jugrer oder Jungrer (Ungarn) genannt wurden. Viele alttürk. Wörter der ungar. Sprache weisen auf eine sehr frühe Verquickung mit Osttürken hin. Die ungar. Tradition, welche die H. als Vorfahren der Ungarn bezeichnet, bezieht sich gewiß auf die Abstammung der bei den ersten Ungarn herrschenden uigurischen Geschlechter.