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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Insekten

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Insekten'

die Begattung nicht lange überlebt. Bei Käfern, z. B. den Maikäfern, dauert der Larvenzustand (der Engerling) oft mehrere Jahre, das vollkommene Tier aber lebt höchstens einen Sommer. Nicht groß ist die Zahl der I., die im ausgebildeten Zustande einige Jahre leben, wie die Bienen.

Die Verbreitung der I. reicht über die ganze bewohnbare Erde. Wiewohl sie selbst in Grönland und auf den höchsten Alpen nicht ganz fehlen, so sind sie doch in Aquatorialländern am zahl- und artenreichsten und zugleich durch Größe und Pracht der Färbung am meisten ausgezeichnet. Sie sind mehr Luft- als Wassertiere; im Meere hat man nur einen Taumelkäfer (Gyrinus marinus) und eine Wanzenfamilie (Halobatidae) rudernd gefunden. Indessen zeigen sie in Hinsicht auf Wohnung, Ernährung und Lebensweise so viel Mannigfaltigkeit, daß es unmöglich ist, hierüber etwas Allgemeines zu sagen. Ihre geistigen Eigenschaften sind höher als bei allen andern wirbellosen Tieren ausgebildet und zeigen sich namentlich in ihrem Haushalte (Bienenstaat), in der Sorge für die Jungen, in besondern Kunsttrieben u. s. w., ja diese hohe Entwicklung befähigt sie sogar zu gegenseitigen Mitteilungen, die mindestens bei Bienen und Ameisen unzweifelhaft vorkommen.

Die Bedeutung der I. im Haushalt der Natur ist eine ganz enorme, es giebt keine Gruppe von Landtieren, die in einer gleich energischen Weise zum Umsatz der Materie, zum Stoffwechsel beitrügen, wie gerade sie, und dazu sind sie in erster Linie berufen durch ihre unberechenbare Anzahl, durch ihre Kleinheit, der sich nichts entziehen kann, durch ihre förmliche Allgegenwart und durch ihre Freßsucht, die ihnen wenigstens in einer bestimmten Lebensperiode, oft aber zeitlebens eigen ist und die sie vor keiner organischen Substanz, und wären es die äußerst giftigen Früchte von Strychnos nux vomica L., zurückschrecken läßt. Der unermeßliche, allerdings indirekte Nutzen, den die I. auf diese Art auch dem Menschen bringen, springt nicht sehr in die Augen, und da auch die Bedeutung der Schlupfwespen u. s. w. gern unterschätzt wird und der direkte Vorteil, den Biene, Seidenwurm, Cochenille und Spanische Fliege bieten, wirklich nicht hoch angeschlagen werden darf, so ist man zu sehr geneigt, die Welt der I. als eine im großen und ganzen dem Menschen feindliche und schädliche aufzufassen. Und in der That, da ihnen eben nichts Organisches, also auch weder Vorräte der Menschen, noch deren Hausgerät, Kleidung, Bücher, Haustiere, Kulturpflanzen, ja selbst die menschliche Person heilig ist, können sie lästig genug werden.

Als ziemlich weit verbreitete Schmarotzer schädigen den Menschen selbst der Floh, in tropischen Gegenden der Sandfloh (Sarcopsylla penetrans L.), verschiedene Läuse (s. d.), namentlich die Kopflaus, die Bettwanze, die Mosquitos und Stechmücken, gelegentlich auch einmal innerlich schmarotzende Larven von Biesfliegen (z. B. in Nordamerika unter der Haut Larven von Cuterebra, sog. Oestrus hominis, in den Stirnhöhlen einigemal Cephalomyia-Larven). Die Biesfliegen (z. B. die Pferdebiesfliege, Gastrus equi Fabricius, im Magen des Pferdes), die Bremsen, die Kolumbatzer Mücke, verschiedene Läuse- und Floharten werden den Haussäugetieren und Vögeln in verschiedener Ausdehnung gefährlich und lästig. Die menschlichen Kleider, Pelz- und Lederwerk werden den Motten und Käfern u. s. w. zur Beute, in ↔ den Möbeln, dem Gebälk der Häuser hausen zahlreiche Käferlarven, die Bücher werden von Staub und Papierlänsen zernagt, aber sie alle werden übertroffen durch die universellen Leistungen der Termiten (s. d.) in den Tropen. An den Speisevorräten der Menschen finden viele I. ihren Tisch: die Getreidespeicher werden heimgesucht vom Kornkäfer (s. d., Calandra granaria L.), von den Larven des Kornweibels (s. d.), das Mehl vom Mehlwurm (Tenebrio molitor L.) und vom Mehlzünsler (Asopia farinalis L.), Brot und Backwerk werden vom Brotbohrer (Anobium paniceum L.) und einigen andern Käfern aufgesucht, Speck findet seinen Abnehmer an den Speckkäfern (s. d., Dermestes lardarius L.), frische Fleischwaren an den Larven verschiedener Aasfliegen (namentlich der Schmeißfliege, Musca vomitoria L.), Käse an den Maden der Käsefliege (s. d.) u. s. w. Die Leimvorräte werden von den kleinen Kolbenkäfern (Corynetes), das Wachs von der Wachsmotte (Galleria mellonella L.) decimiert, und selbst die Apothekerwaren und wissenschaftlichen Sammlungen entgehen den I. nicht.

Auch fast sämtliche Zier- und Kulturpflanzen, soweit dieselben wenigstens eingebürgert sind, haben einen und den andern, häufig mehrere, bisweilen viele Feinde unter den I.; die Blumen und Ziersträucher werden namentlich von Blattläusen (s. d.), Schildläusen (s. d.), zahlreichen Schmetterlingsraupen und Gallwespen (z. B. die Rosen durch die Rosengallwespe, (Cynips rosae L.) geschädigt; die verschiedenen Gemüse sind von den verschiedensten Räubern heimgesucht, Wurzelgewächse von den Larven der Gartenhaarmücke (Bibio hortulanus L.), zahlreicher Blumenfliegenarten (Anthomya), besonders auch von der gemeinen Maulwurfsgrille (Gryllotalpa vulgaris Latreille), die Spargel von der Spargelfliege (Platyparea poeciiioptera Schrank), die Kohlpflanzen von zahlreichen Schmetterlingsraupen und Erdflöhen (s. d.), die Kartoffel in neuester Zeit von dem Coloradokäfer (s. d.), die Möhren von der Larve der Möhrenfliege (Psila rosae Fabr.), die Zwiebel von denen der Zwiebelfliege (Anthomyia antiqua Meig.), die Schalotten von der Schalottenfliege (Anthomyia platura Meig.), die Rettiche von der Rettichfliege (Anthomyia floralis Fallén). Auch die Zahl der Feinde unserer Fruchtsträucher und Obstbäume, die sich von ihrem Holz, ihren Blättern, ihren Früchten, sei es von dem Fleisch oder den Kernen, ernähren, ist Legion; von Schmetterlingen sei der Ringelspinner (Bombyx neustria L.), der Schwammspinner (Liparis dispar L.), der Blaukopf (Diloba coeruleocephala L.), der Apfelwickler (Carpocapsa pomona L.) genannt, von Wespen die Johannisbeerblattwespe (Tenthredo ventricosa Klug), die schwarze (Emphytus grossulariae Kl.), wie die schon genannte gelbe Stachelbeerwespe (Nematus ventricosus Kl.), die gemeine Wespe (Vespa vulgaris L.), unter den Fliegen die Kirschfliege (Trypeta cerasi L.), von Geradflüglern der Ohrwurm (Forficula auricularia L.) und von Käfern wird bisweilen besonders schädlich der Maikäfer. Auch dem Weinstock fehlt es nicht an Verderbern unter den I.; so schadet ihm gelegentlich der Rebenstecher (Rhynchiles alni Müller), der Traubenwickler (s. d., Conchytes ambiguella Hübn.) und vor allen die Reblaus (s. d., Phylloxera vastatrix Planchon); in manchen Jahren bringt die Raupe des Hopfenspinners (Hepialus humuli L.) den Hopfenpflanzungen großen Schaden.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 627.