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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Insekten

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Insekten'

Nervenfaden und paarigen, auf das innigste durch Querfasern (Querkommissuren) verbundenen Nervenknoten. Das ursprünglichste Verhalten ist, wenn im Thorax drei und im Abdomen neun solcher Nervenknoten vorhanden sind; meist treten aber mehrere, unter Umständen alle, Zur Bildung größerer Ganglienmassen zusammen. Von denselben entspringen die Empfindungs- und Bewegungsnerven. Auch ein sympathisches Nervensystem ist vorhanden.

Die Sinnesorgane der I. sind oft sehr hoch entwickelt, und wo sich ihre Gegenwart auch noch nicht anatomisch nachweisen läßt, darf man sie doch aus den Handlungen der I. erschließen. Augen sind meist und bei den ausgebildeten I. sehr oft in zweierlei Art vorhanden, als einfache (ocelli) und zusammengesetzte Augen oder Netzaugen vom typischen Bau der Gliedertieraugen. Die Zahl der einzelnen Facetten der Netzaugen kann sich in jedem auf mehrere Tausend steigern. Das Vorkommen der Nebenaugen ist äußerst verschieden: es können 1-6 jederseits auftreten, sie können aber auch vollkommen fehlen. Bei ausgebildeten Käfern sind sie sehr selten, bei ausgebildeten Hautflüglern fast immer vorhanden, die geschlechtlichen Formen der Ameisen haben sie, den Arbeiterinnen fehlen sie; sie finden sich bei den offen lebenden Larven der I. mit vollkommener Verwandlung, fehlen aber den versteckt lebenden. Bei diesen Larven kommen Netzaugen niemals vor; wohl aber bei denen mit unvollkommener Verwandlung und hier nimmt die Zahl ihrer Facetten mit jeder Häutung zu.

Zu hören vermögen viele I. zweifelsohne, aber nur bei wenigen hat man ein Gehörorgan nachzuweisen vermocht, nämlich bei den Feld-, Laub- und Grabheuschrecken. Bei den ersten liegen sie an beiden Seiten des Hinterleibes unmittelbar hinter dem Thorax in Gestalt einer von einer trocknen Membran überspannten Grube, in welche ein besonderer Nerv vom dritten Brustganglion her tritt. Bei den beiden andern Orthopterenfamilien finden sie sich in den Schienen der Vorderbeine, die jederseits eine nach innen durch eine Membrane verschlossene Grube oder Spalt haben. Unterhalb desselben bildet die Trachee des Beines eine Blase und ein vom ersten Brustganglion kommender Nerv breitet sich hier in besonderer Art aus. Geruchsorgane scheinen sehr allgemein vorzukommen, denn sehr viele I. (so die Schmeißfliegen) besitzen ausgezeichnetes Spürvermögen. Nachgewiesen wurde als Sitz des Geruchsvermögens bei zahlreichen I. die Fühler, an denen sich eigentümliche Gruben mit gangliösen Nervenenden finden. Die Fühler sind zugleich auch der Hauptsitz des Tastsinns. Den Sitz des den I. entschieden zukommenden, oft stark entwickelten Geschmacksinns sucht man meist in der Unterlippe.

Die Geschlechter sind normalerweise bei den I. ausnahmslos auf zwei Individuen verteilt und die Befruchtung ist eine innere. Sehr allgemein ist an den weiblichen Genitalien eine Tasche zur Aufnahme des männlichen Samens (Samentasche) und die Gegenwart von Drüsen, die einen Stoff zum Befestigen der Eier absondern. Abgesehen von den Geschlechtsorganen unterscheiden sich bei sehr vielen I. die Geschlechter durch ihr Äußeres, verschiedene Größe, verschiedene Entwicklung der Bewegungsorgane, der Färbung und Hautskulptur, selbst durch verschiedene Nahrung. Neben den geschlechtlichen Formen finden sich bei Hautflüglern und Termiten noch sog. ungeschlechtliche, sehr selten auf parthenogenetischem ↔ Wege sich fortpflanzende Individuen (Arbeiterinnen), d. h. in der Entwicklung der Geschlechtsorgane zurückgebliebene Weibchen, bei den Termiten außerdem auch ebensolche Männchen (Arbeiter und Soldaten).

Nicht ganz selten ist sonst bei I. überhaupt eine Fortpflanzung auf ungeschlechtlichem, parthenogenetischem Wege. Dieselbe ist entweder eine mehr zufällige (gewisse Spinner und Kleinschmetterlinge) oder sie ist eine normale Erscheinung (die männlichen Eier der Biene). Ja, es können sich zwischen geschlechtliche Generationen ungeschlechtlich sich fortpflanzende einschieben, entweder eine ganze Reihe (Blatt- und Pflanzenläuse) oder bloß eine einzige (Gallwespen). Eine sehr seltsame Erscheinung ist die Pädogenesis (bei Mücken), bei welcher sich in einer Larve eine Anzahl neuer auf ungeschlechtlichem Wege bildeten. Nur wenig I. sind lebendig gebärend, nämlich einige Käfer, Fliegen und die ungeschlechtlich sich fortpflanzenden Blattläuse, besonders aber die Lausfliegen (Pupiparen), bei welchen die Weibchen die Larven in ihrem Körper, wo sie auch durch den Saft besonderer Drüsen ernährt werden, bei sich behalten, bis sie zur Verpuppung reif sind. Die Eier der I. sind hartschalig, oft sehr bunt und mit zierlichen Skulpturen versehen, und haben an einer Stelle ein System von Lücken (den Mikropylapparat), durch welche der männliche Zeugungsstoff zu dem Dotter gelangen kann. Sie werden einzeln oder gruppenweise gelegt. Die Fruchtbarkeit der I. ist ungemein groß und wird bei vielen vermehrt durch bald eintretende Zeugungsfähigkeit der Jungen. Ein Paar Schmeißfliegen kann am Ende eines fünfmonatigen Sommers eine Nachkommenschaft von 500 Mill. haben. Das merkwürdigste Beispiel liefern die Blattläuse, bei denen aus einem Individuum in der fünften Generation schon 5900 Mill. Nachkommen entsprossen sein können.

Die meisten I. haben eine Reihe von körperlichen Umänderungen oder Metamorphosen (s. d.) zu durchlaufen, ehe sie als vollkommen ausgebildet in die Periode ihres Lebens gelangen, wo sie eine erneute Verwandlung nicht mehr erfahren und meist allein zeugungsfähig sind. Es können diese Verwandlungen mehr oder weniger allgemein sein, und daher hat man in der Wissenschaft die Zwischenstufen festgesetzt, welche einer jeden Gruppe von I. unabänderlich zukommen. Das bekannteste Beispiel vollkommener Verwandlung bietet der Schmetterling. Auf ähnliche Weise vollzieht sich die Metamorphose bei Käfern, deren Larven oft für Würmer gehalten werden, und bei Fliegen, deren kopf- und beinlose Larven Maden heißen. Die meist 22beinigen Larven der Blattwespen nennt man Afterraupen. Den I. mit vollkommener Verwandlung (Metabola), bei welchen, wie bei den angeführten, eine ruhende Puppe gebildet wird, stehen die I. mit unvollkommener Verwandlung (Ametabola) gegenüber, zu denen die Geradflügler (Orthoptera), Halbflügler (Hemiptera) u. s. w. gehören, bei denen kein ruhender Puppenzustand existiert und die Larve durch successive Ausbildung der Flügel u. s. w. in den vollkommenen Zustand der Imago übergeht.

Die Lebensdauer der I. hängt in der Regel von dem Verlauf ihrer Metamorphose ab; die Mehrzahl der Schmetterlinge, Immen und Netzflügler ist einjährig, d. h. aus dem im Herbst gelegten und überwinterten Ei wird im nächsten Sommer ein vollständiges Insekt sich gebildet haben, welches gemeiniglich

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 626.