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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italien (Geologisches. Gewässer)

im allgemeinen die Längsachse der großen Mulde, die außer von diesem und seinen den Verkehr mehr hindernden als fördernden Nebenflüssen auch von einem dichten Kanalnetz durchzogen ist. Die ehemals vorhandenen Seen sind mit Ausnahme der Lagunen längst verschwunden. Lange nicht an die Größe der Poebene (55000 qkm) reichen die Campagna di Roma (s. d.), die Campagna fselice (s. Campanien), die Tavoliere di Puglia und die Mündungsebene des Arno heran.

Der Boden ist meist fruchtbar. In der trefflich angebauten lombard. Ebene ist er schwer und marschenartig, in den meist kahlen Gebirgen auf den Höhen dürr, in den Thälern fruchtbar, in den Maremmen (s. d.) und in der röm. Campagna steppenartig, in Süditalien, wo er um Capua und Neapel nur seiner vulkanischen Beschaffenheit die Fruchtbarkeit verdankt, leicht und weniger ertragfähig.

Geologisches. Die wichtigste Charakterformation ist das Tertiär, das zwei Drittel, in Sicilien sogar vier Fünftel des Gesteins umfaßt. In weitem Abstand kommt dann erst das Quartär. Von den mesozoischen Formationsgruppen tritt nur die jüngste, die Kreide, in größerm Umfange auf. Archäische und paläozoische Gesteine haben geringen Anteil an dem Aufbau der Halbinsel und Siciliens. Sie finden sich nur inselförmig an der Westseite der Halbinsel. Der größte Teil ist unter dem Tyrrhenischen Meer begraben; die toscan. Inseln, Corsica und Sardinien, deren Grundgebirge aus Granit besteht, sind über das Meer hervorragende Spitzen jener versenkten Urgesteinsscholle. Damit in Verbindung steht der aus Gneis bestehende nordöstl. Teil von Sicilien, der sich im ähnlich gebauten Aspromonte und in der Sila fortsetzt. Paläozoisch ist die landfest gewordene Insel des Monte-Argentario. Auch die toscan. Catena metallifera ist weit älter als der Apennin und mit diesem erst in jüngerer Zeit verwachsen. Alle erwähnten Inseln und Festlandgebiete sind Trümmer einer ältern Scholle, die, westlich vom heutigen Apennin gelegen, sich parallel zu diesem erstreckte. Gegen Ende der Sekundärzeit begann die Zertrümmerung und das Absinken, das bis in die Quartärzeit dauerte und die heutigen Verhältnisse schuf. Dies ist auch die Ursache der reichern Gliederung der ital. Westküste. Die Halbinseln Gargano und Apulien, Sporn und Absatz am Stiefel I.s, wurden erst am Ende der Pliocänzeit, also sehr spät, mit dem Apenninenlande verbunden. Auch in der Quartärzeit setzte sich die Weiterentwicklung der Oberflächengestalt fort. Während der Eiszeit haben die Gletscher der Alpen und die Flüsse ungeheure Mengen von Schwemmstoffen aus dem Gebirge bis weit in die Poebene geschafft; auch der Apennin war bis zum Gran Sasso stark vergletschert. In der Gegenwart ist die rasche Abtragung und Einebnung der Gebirge, die sich in zahlreichen Bergschlipfen und Gleiterscheinungen zeigt, für I. charakteristisch. Sie wurde durch die Waldverwüstung noch beschleunigt. Der Abtragung entspricht überall das Vorrücken der Schwemmlandbildungen durch die Flüsse, die fast alle ihre Delta rasch vergrößern.

Der Beginn der wohl zuerst unterseeischen vulkanischen Thätigkeit reicht weit in die Tertiärzeit zurück, und sie dauert in der Gegenwart fort. Sie war und ist am verbreitetsten längs der tyrrhenischen Abbruchsküste, nächstdem an der Abbruchsseite der Alpen. Hier, mitten in der Poebene, liegen die Bericischen Hügel (s. d.) und die Euganeen (s. d.). Von den vulkanischen Gebieten an der Innenseite der Apenninen sind die ausgedehntesten die mittelitalische und campanische Gruppe. Die erstere, etwa 6000 qkm umfassend, endigt mit dem Albanergebirge. Man unterscheidet eine vulsinische Untergruppe um den See von Bolsena, eine ciminische um Viterbo und den See von Vico und eine sabatinische um den See von Bracciano und um Tolfa; südlich des Tiber liegt das latinische Vulkangebiet, das Albanergebirge umfassend, wo noch in histor. Zeit Ausbrüche erfolgten. Durch die kleine hernikische Gruppe zwischen Ferentino und Frosinone und durch die Rocca Monfina (1005 m) wird die mittelitalische Gruppe mit der campanischen verbunden. Diese enthält den einzigen noch thätigen Vulkan des ital. Festlandes, den Vesuv (s. d.), dessen Thätigkeit wohl erst in quartärer Zeit und zwar unterseeisch begann. Die benachbarten Phlegräischen Felder (s. d.) kennzeichnet die häufige wenn auch geringe Verlegung der Ausbruchsstellen. Durch die vulkanischen Inseln Procida und Ischia (Epomeo 792 m) sowie durch die Ponza-Inseln wird dies Vulkangebiet ins Meer fortgesetzt, und zahlreiche Untiefen und flache Felsklippen im Golf von Neapel sind wahrscheinlich Reste unterseeischer oder abgetragener Vulkane. Die Liparischen Inseln (s. d.) müssen wohl als Trümmer eines gewaltigen Kraters betrachtet werden. Ein drittes großes Vulkangebiet, das hybläische, ist neben dem Vulture bei Melfi das einzige vulkanische Vorkommen an der Außenseite des Apennin. Es zerfällt in die Gruppen des thätigen Vulkans Ätna (s. d.) und des längst erloschenen Monte-Lauro.

I. ist auch das klassische Land der Schlammvulkane (ital. Salsen; sicil. Maccaluben); besonders groß ist das Gebiet von Maccaluba bei Girgenti, die Terra pilata bei Caltanissetta und die drei Schlammvulkane bei Cianciana, alle in Sicilien; auf dem Festlande sind die bedeutendsten im Nordapennin zwischen Panaro und Enza.

Während die durch die vulkanische Thätigkeit veranlaßte Gefahr gegenwärtig auf Vesuv und Ätna sich beschränkt, ist d!e Erdbebengefahr viel weiter verbreitet. Ganz I. unterliegt mehr oder minder fast ununterbrochen Erderschütterungen; und zwar sind es meist tektonische Erdbeben, seltener rein vulkanische. Am meisten heimgesucht werden Calabrien und das nordöstl. Sicilien, wo seit 1500 durchschnittlich bis zu zehn zerstörende Erdbeben im Jahrhundert erfolgten, die Basilicata, Campanien, das Becken des Fucinersees, die Umgebung der Monte Sibillini und der südöstlichste Zipfel der Poebene um Rimini. Selbst in der verhältnismäßig erdbebenärmsten Gegend, der Poebene um Turin, zählt man noch ein stärkeres Erdbeben im Jahrhundert. (S. Erdbeben, Bd. 6, S. 248 a.)

Gewässer. Auch in hydrogr. Beziehung unterscheidet sich Festlanditalien von Halbinsel- und Inselitalien. Dort nur entwickelte sich ein großes, das ganze Jahr hindurch wasserreiches Stromsystem, das des Po (s. d.), der mit seinen Nebenflüssen ein Gebiet von 70000 qkm entwässert. Seine Alpenzuflüsse haben gegenüber den von den Apenninen kommenden das ganze Jahr hindurch eine fast gleichgroße Wassermenge, während jene im Sommer trocken liegen. Daher sind nur die linken und zwar die größern Zuflüsse schiffbar, so Tessin, Adda, Oglio und Mincio, ebenso auch der Unterlauf der Etsch (s. d.), die erst in jüngerer Zeit durch die