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Italien (Handel)
Drittel Frauen beschäftigt. In der Baumwollindustrie waren unter 88111 Personen nur 23796 erwachsene Männer. Die Zahl der Dampfkessel betrug (1890) 9983 mit etwa 160000 Pferdestärken. Patente wurden (1885) 1540, (1891) 2139 erteilt, darunter 1495 an Ausländer. Gegen die übermäßige Ausdehnung der Kinderarbeit, z. B. in der Seidenindustrie der Provinz Como, hat 1886 die Gesetzgebung eingegriffen. In sechs großen Städten dienen Arbeiterkammern, von Arbeitnehmern gegründet und von den Stadtverwaltungen unterstützt, als Auskunftsbureaus und als Centralstelle der Arbeiterverbände. Arbeiterschiedsgerichte sind durch das Gesetz vom 15. Juni 1893 errichtet worden; eine Unfallversicherung ist noch nicht zu stande gekommen. Wichtig sind die Unterstützungsvereine (Società di mutuo soccorso), deren es (1885) 4971 mit 804000 Mitgliedern und einem Vermögen von 30 Mill. Lire gab. Die Zahl der Ausstände in gewerblichen Betrieben betrug 1880: 27, 1889: 126, 1890: 139, 1891: 132, im ganzen (seit 1879) 1075, von diesen verliefen 170 zu Gunsten der Arbeiter, 448 endeten mit einem Vergleich, 429 schlugen fehl. Die größten Streiks waren die von 9150 Ziegelbrennern in Rom (1885) und von etwa 5000 Webern in Como (1888).
Die wichtigsten Industriezweige sind Spinnerei und Weberei. Unter den europ. Staaten, welche die Seidenraupenzucht betreiben und Seidencocons sowie rohe und silierte (gesponnene) Seide erzeugen, steht I. obenan; am bedeutendsten ist die Seidenzucht in der Lombardei, Piemont, Venetien, den Marken und in Toscana. Die Zucht der Seidenwürmer beschäftigt 585000, die Seidenfabrikation 172356 Menschen, darunter neun Zehntel Frauen und Mädchen. Die Produktion von Rohseide hat infolge der Seidenraupenkrankheit abgenommen; sie betrug 1872: 3,12, 1880: 2,87, 1885: 2,45, 1889: 2,88, 1890: 3,15 und im zehnjährigen Durchschnitt 3,13 Mill. kg. 5246 Gemeinden sind daran beteiligt mit (1890) 1534849 Spindeln. Die Seidenspinnerei hat ihren Hauptsitz in der Lombardei, namentlich in der Provinz Como, auch in Piemont. Die Seidenweberei ist am blühendsten in Como, Genua, Caserta, Turin und Neapel. Sie arbeitet fast nur für den Export. Im ganzen leidet dieser wichtigste Zweig neuerdings unter japan. und chines. Konkurrenz. Für die Hanf- und Juteindustrie sind etwa 60000 Spindeln und 750 mechan. Webstühle thätig, deren jährliche Produktion einen Wert von 70 bis 80 Mill. Lire erreicht. Sie hat seit 1885 erhebliche Fortschritte gemacht, wie die Abnahme der Einfuhr ausländischer Gespinste und Gewebe beweist. Wolle verarbeiteten, hauptsächlich in Piemont und in den Provinzen Mailand, Vicenza und Caserta, (1892) 345000 Spindeln, 9000 Webstühle (zur Hälfte mechanische) und 28000 Arbeiter. Die Baumwollindustrie, deren Hauptsitze die Lombardei, Ligurien und Salerno sind, beschäftigt im ganzen (1890) 1800000 Spindeln (gegen 500000 im J. 1870); auch hier nimmt nur die Einfuhr von Rohstoffen zu, während einzelne Fabrikationszweige erhebliche Ausfuhrziffern aufweisen.
Leder und Lederwaren liefern Turin, Mailand, Brescia, Parma, Modena, Livorno und Catania. Die Glaskunstindustrie (s. d.) hat jetzt ihre frühere Bedeutung wieder erlangt; unerreicht sind die Fabrikate der Perlen-, Mosaik- und Schmelzfabriken zu Venedig und Murano (4580 Arbeiter). Die Erzeugung von Kameen und Mosaiken hat ihren Hauptsitz zu Rom; sonst werden Kameen vorzugsweise in Neapel, Mosaiken in Florenz hergestellt. Durch feine Arbeiten in Elfenbein und Horn sind Florenz, Livorno und Arezzo ausgezeichnet, durch Arbeiten in Schildpatt Neapel. Die Papierindustrie (1892: 420 Fabriken, 300 Maschinen, 500 Bütten, 17000 Arbeiter) hat sich sehr entwickelt; ebenso die Möbel- und Handschuhfabrikation (Neapel und Mailand). Chemikalien wurden (1890) für etwa 40 Mill. Lire hergestellt. Wichtig sind Weinstein, Citronensäure, Borsäure aus den Lagunen Toscanas, Chininfabrikation in Genua und Mailand, Seifensiedereien in Ligurien, Apulien und Sicilien. Die Maschinenindustrie hat eine nur untergeordnete Bedeutung, doch bestehen umfangreiche Etablissements zu Genua, Sampierdarena, Sestri Ponente, Pietrarsa bei Neapel, Turin und Mailand. Der Wert der Erzeugnisse wurde (die der staatlichen Werke nicht eingerechnet) 1860 auf 12, 1880 auf 40 und 1890 mit den staatlichen Werken auf 100 Mill. Lire geschätzt. Die Maschineneinfuhr zeigt auch schon einen geringen Rückgang. Terrakotten, Majolika, Fayence und Thongefäße (namentlich große Ölkrüge) werden für etwa 10 Mill. Lire gearbeitet. Von Wichtigkeit ist die Strohflechterei, namentlich in der Gegend um Florenz, wo sie bereits seit 300 Jahren betrieben wird; 1892 wurden ausgeführt: Strohgeflechte für 3,89, nicht garnierte Strohhüte für 3,37 Mill. Lire. Ein alter und wichtiger Zweig ist die Fabrikation von Gold- und Silberwaren, zumal in Rom, Mailand, Neapel, Venedig und Catania; berühmt sind die Filigranarbeiten aus Genua und die Goldketten aus Venedig. Zu Florenz, Turin, Mailand und Venedig ist die Bronzeindustrie zu bedeutender Entwicklung gelangt. Die Korallenschleiferei wird vor allem in Genua, Livorno und Neapel betrieben. Die Liqueurfabrikation befindet sich auf hoher Stufe, namentlich in Piemont und der Lombardei; der Wermut giebt einen ausgezeichneten Handelsartikel ab. Exportiert wird auch sehr guter Essig. Die Erzeugung von Zündkerzchen aus Wachs wird in großartigem Maßstab betrieben, namentlich in Turin, Mailand, Venedig und Moncalieri. Bierbrauereien waren (1891/92) 136 in Betrieb, die 132404 hl Bier erzeugten, Zuckerfabriken nur 2 mit einer Produktion von 15723 hl. Cichorie wurde in 257, Pulver und Sprengstoffe in 746 Betrieben fabrikmäßig hergestellt. Ausgeführt werden Salamiwurst und Mortadella aus Florenz, Ferrara, Prato und Bologna.
Handel. Die geogr. Lage begünstigt den Handel ungemein, zumal seitdem durch Eisenbahnen die Verbindung mit Mitteleuropa erleichtert worden ist. Das erste Jahrzehnt nach Gründung des Königreichs zeigt einen raschen Aufschwung, 1872-82 blieben Ein- und Ausfuhr nahezu unverändert. Im J. 1883 stieg der Verkehr ganz bedeutend, bis seit 1888 infolge des allgemeinen Preisrückganges ein Rückschlag eingetreten ist. Mit andern Großstaaten verglichen, erreicht I. etwa ein Viertel des Umsatzes von Frankreich und Deutschland und ein Achtel des von Großbritannien. Die wichtigsten bestehenden Handelsverträge sind die mit Rußland vom 16. (28.) Sept. 1863, mit den Vereinigten Staaten von Amerika vom 21. Febr. 1871, mit Argentinien vom 16. Aug. 1871, mit Großbritannien vom 15. Juni 1883, mit Deutschland und Österreich vom 6. Dez. 1891, mit der Schweiz vom 19. April 1892. Handelskammern bestehen 73 mit je 9-21 gewählten Mitgliedern. Die Zahl der Kon-^[folgende Seite]