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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italienisches Heerwesen
Insel Sicilien, etwa bei Castrogiovanni, eine große
Centralbefestigung anzulegen, ist durch den Ausbau
von Biserta in Tunis zu einem franz. Kricgshafen
wieder m den Vordergrund getreten.
Italienisches Heerwesen. I. Landheer. Das
ital^Heer erfuhr nach dem Kriege 1870/71 eine
völlige Neugestaltung. Nach dem die frühern Gesetze
vom 19. Juli 1871 und 7. Juni 1875 zusammen-
fassenden und ordnenden Gesetz vom 26. Juli 187li
sind alle waffentüchtigen Männer vom vollendeten
20. Lebensjahr an wehrpflichtig; ausgeschlossen
hiervon sind nur die zu Zwangsarbeiten, Zuchthaus
u. s. w. Verurteilten. Die Gesamtdienstpflicht be-
trägt 19 Jahre. Jede Jahresaushebung zerfällt in
drei Kategorien, von denen die Mannschaften der
ersten und zweiten Kategorie nacheinander im stehen-
den Heer, in der Mobilmiliz (Landwehr) und in der
Territorialm'iliz (Landsturm) zu dienen haben, die
der dritten Kategorie aber ihrer Dienstpflicht nur
in der Territorialmiliz genügen. Die Zuteilung zur
dritten Kategorie erfolgt unter Berücksichtigung der
persönlichen Verhältnisse (einziger Sohn eines
lebenden Vaters, Erstgeborener vater- und mutter-
loser Waisen u. s. w.); bei Zuteilung zu allen drei
Kategorien findet Losung statt. Die erste Kategorie
dient, je nachdem die Aufrechterhaltung der fest-
gesetzten Friedcnspräsenzstärke es verlangt, 8-9
Jahre im stehenden Heere, 4-3 Jahre in der Mobil-
miliz und 7 Jahre in der Territorialmiliz: nur die
Kavalleristen gehören 9 Jahre dem stehenden Heer
(daoon 4 Jahre bei der Fahne und 5 Jahre bei der
Reserve) und 10 Jahre der Territorialmiliz an. Die
zweite Kategorie gehört 5-6 Jahre dem stehenden
Heere, 4-3 Jahre der Mobilmiliz und 10 Jahre
der Territorialmiliz an. Im Frieden wird die erste
Kategorie auf2-3 Jahre (bei der Kavallerie 4Jahre)
zum aktiven Dienst berufen; die zweite Kategorie
dient aktiv höchstens 2-6 Monate, die auch auf
mehrere Jahre verteilt werden können. Alljährlich
wird die Zahl der Mannschaften der ersten Kate-
gorie durch Gesetz bestimmt. Die Studierenden der
Universität, einer technischen oder höhern Handels-
schule oder die die vorgeschriebene Prüfung Be-
stehenden können ihrer Dienstpflicht als Einjährig-
Freiwillige genügen, wenn sie eine alljährlich durch
Dekret festzusetzende Summe, die für die Kavallerie
1600, für die übrigen Waffen 1200 Lire nicht über-
steigen darf, einzahlen. Die dritte Kategorie (Terri-
torialmiliz), zu der nach Ableistung ihrer Dienst-
pflicht im stehenden Heer und in der Mobilmiliz
noch die erste und zweite Kategorie treten, hat im
Frieden nur eine 30tägige Übung mitzumachen und
wird im Kriege als Vesatzungstruppe und etwaige
letzte Reserve verwandt. Die 30tägige Übungszeit
kann auf mehrere Jahre verteilt werden.
Durch Gesetz vom 28. Juni 1891 ist für die 1852,
1853 und 1854 geborenen Wehrpflichtigen die
Dienstzeit w der Mob'ü- und Territorialmiliz derart
verlängert worden, daß die volle Wirkung des Ge-
setzes vom 7. Juni 1875 schon 1892 erreicht wurde,
und infolge des Gesetzes vom 10. April 1892 wur-
den die 1872 geborenen Wehrpflichtigen (soweit sie
tauglich und nicht zur Einstellung in die 3. Kategorie
berechtigt sind) sämtlich zu den Fahnen berufen, wo
sie am neuen Rekruten-Einstellungstermine März
1893 nach Bedürfnis zu 2-, 3- oder 4jähriger Dienst-
zeit eingestellt wurden. Von großer Wichtigkeit ist,
daß hierdurch alle Diensttauglichen eingestellt wer-
den, die 2. Kategorie Ersatzreserve) somit fortfällt.
Brockhaus' Konversations-Lexiton. 14. Aufl. IX.
Nur noch Familienrücksichten haben Ausnahmen
von der Dienstzeit zur Folge.
Dieses Gesetz enthält bereits die ßauptgrundsätze
des am 4. Mai 1892 vorgelegten, aber noch nicht er-
ledigten neuen Relrutierungsgesetzes: Wirk-
liche Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht,
Verjüngung des Heers erster Linie, Vermehrung
der Ziffer dcr ausgebildeten Leute. Nach Durch-
führung dieses Nekrutierunasgesetzes hofft man mit
6 (statt jetzt 8) Jahrgängen für das Heer erster Linie,
mit 4 für die Mobilmiliz auszukommen, übrigens
war das Gesetz vom 10. April 1892 mit eine Folge
der durch die schlachte finanzielle Lage dcs Landes
gebotenen Ersparnisse, um deren willen man 1891
bereits auf die üblichen großen Manöver verzichtet,
den Termin der Rekruteneinstellung verschoben, die
Reserven sowie einzelne Mannschaftskategorien
früher entlassen und die afrik. Truppen vermindert
hatte. Die weitern in: Mai 1892 vom Ministerium
Rudim geforderten Ersparnisse gingen so weit, zur
Erlangung der Summe für die klemkalibrige Neu-
bewaffnung die Auflösung zweier Armeekorps zu
verlangen. Diese Forderung brachte es zum Fall;
das ihm folgende Ministerium Giolitti hielt an
der bestehenden Heeresorganisation fest, zeigte sich
aber zu weitern Ersparnissen bereit, die sich dann
auf Vorschiebung der Nekruteneinstellung von 1892
auf März 1893, auf Verminderung der Zulagen
für Offiziere und Unteroffiziere, Abschaffung der
Hauptmannspferde für die Infanterie, Auflösung
der Distrikts-Oberkommandos sowie der Lehrtruppen-
teile (Unterofsizierschulen) der Artillerie, Verminde-
rung der Offizieretats u. s. w. erstreckte. In einer zu
Livorno 20. Okt. 1892 gehaltenen Rede rechnete es
sich der Kriegsminister zum Verdienst an, die Heeres-
ausgaben von 283 auf 246 Mill. Lire gebracht zu
haben. Diefe Zahl solle nicht mehr überschritten,
könne aber auch nicht weiter verkürzt werden.
Militärische Landes einteilun^. Außer den
12 Armeekorpsbezirken und 24 Territonaldivistonen
mit zusammen 87 Militärbezirken besteht das terri-
torial unter dem Generalkommando Rom stehende
Militärkommando der Insel Sardinien. Die Gene-
ralkommandos befinden sich in den Städten Turin,
Alessandria, Mailand, Piacenza, Verona, Bologna,
Ancona, Florenz, Rom, Neapel, Bari und Palermo.
Die 87 Militärbezirke sind nach Maßgabe der Dich-
tigkeit der Bevölkerung über das ganze Land verteilt
und umfassen je 2-500000 E.; die Armeekorps-
bezirke sind nahezu gleich stark bevölkert und liefern
den Ersatz für je ein Armeekorps. Die Geschäfte
der seit 1. April 1892 aufgehobenen 12 Bezirks-
oberkommandos sind auf die Infanterie-Divisions-
kommandos übergegangen. Eine Neuordnung der
Distriktskommandos nach dem Muster der deut-
schen Vezirkskommandos ist in Aussicht genommen.
Außerdem bestehen für die verschiedenen Verwal-
tungen 14 Artillerie-, 19 Genie-, 12 Sanitäts-,
12 Kommissariats-Direktorialdirektionen sowie 19
Militärtribunale. Vgl. hierzu die Karte: Militär-
dislokation in Italien. S. auch Heerwesen
Europas (mit Dislokationskarte).
Die Friedensorganisation der Armee, im
ganzen auf den Gesetzen vom 8. Juli 1883 und
23. Juni 1887 beruhend, ist 1893 folgende: Es be-
stehen im Frieden 12 Armeekorps zu je 2 Divisionen,
die mit (je 2-5) zusammen 87 Militärdistrikten
(98 ständige Compagnien mit 757 Offizieren, 87
Sanitäts-, 400 RechnungsoMeren, 9859 Mann)
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