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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Judenviertel - Jüdische Litteratur

Mondes", 15. Febr., 1. Mai 1891, 15. Dez. 1892, 1. Febr. 1893); Robertson, The early religion of Israel (2. Aufl., Edinb. 1892).

Judenviertel, s. Ghetto.

Judenzopf, s. Weichselzopf.

Juderīa (span., spr. chu-), s. Ghetto.

Judex (lat.), Richter; J. a quo, der Richter, gegen dessen Urteil Berufung eingelegt ist; J. ad quem, der Richter, an welchen die Berufung geht; J. curĭae, in Ungarn der Oberrichter; J. privātus (später J. pedanĕus), bei den Römern der zur Entscheidung des einzelnen Civilprozesses von dem Magistrat (Prätor) bestellte Richter. Er brauchte kein Jurist zu sein, wurde früher aus dem Senat, unter den Kaisern aus den in einer Liste verzeichneten Bürgern genommen. J. provinciālis, s. Cuden.

Judex litem suam fecit (lat.), d. h. der Richter hat den Prozeß zu dem seinigen gemacht, bei den Römern der Ausdruck dafür, daß sich der Richter durch arglistige falsche Entscheidung eines Prozesses der benachteiligten Partei regreßpflichtig gemacht hatte. (S. Amtspflicht.)

Judhanf, soviel wie Jute (s. d.).

Judĭca (lat., "richte"), der zweite Sonntag vor Ostern, nach seinem mit Psalm 43, 1 beginnenden Introitus.

Judicĭum (lat.), Urteil, Urteilsvermögen, auch Urteilsspruch, Gericht, Gerichtshof; J. capitāle, s. Bann; J. provinciāle, s. Cuden; judizieren, urteilen, beurteilen, entscheiden, richten, auch hinrichten; judiziös, scharfsinnig, verständig, sinnreich, judiziāl, gerichtlich; judiziär, gerichtlich, die Gerichte betreffend.

Judĭcum (Judicum liber, lat.), das alttestamentliche "Buch der Richter".

Judikarĭen, ital. Giudicaria, der südwestlichste Teil Tirols, umfaßt das Thal der mittlern Sarca und dessen südwestl. Fortsetzung, das Thal des obern Chiese (Val Bona). Hauptorte sind Stenico, Tione und Condino. J., früher unter dem Namen Sette Pieve (d. i. sieben Pfarreien) bekannt, ist erst durch den Bau der Straßen von Trient aus zugänglich gemacht worden und zählt etwa 34000 E.

Judikāt (lat.), Urteil; Judikation, Beurteilung, Aburteilung; judikatōrisch, richterlich.

Judikātshypothek oder Urteilshypothek, s. Hypothek.

Judikātsobligation, der neue Titel, den der Gläubiger dadurch für seinen Anspruch erlangt, daß der Beklagte zu einer Leistung oder einer Unterlassung verurteilt ist. Das ist auch heute nicht ohne Bedeutung. Ist nämlich das Urteil nach Lage des Falles so allgemein gehalten, daß daraus Zwangsvollstreckung nicht begehrt werden kann, vielmehr zu diesem Zweck noch nähere Feststellungen ergehen müssen (z. B. Liquidation der Höhe des zugesprochenen Schadens), oder ist die Leistung nicht erzwingbar, sodaß der Gläubiger nun auf das Interesse klagt, so braucht die neue Klage nicht auf den ursprünglichen Titel zurückzugehen, sondern gründet sich auf das ergangene Urteil. Der Kläger macht also den in der Verurteilung liegenden Titel, die J., geltend. Auch ist der so bestehende Anspruch nicht mehr der kurzen Verjährung unterworfen, selbst nicht bei Wechselforderungen.

Judikātszinsen, die Zinsen, welche von einer durch rechtskräftiges Urteil zugesprochenen Geldforderung zu zahlen sind. Die Bestimmung Justinians, daß von der Rechtskraft des Urteils ab der bisherige Zinsenlauf vier Monate lang gehemmt sein soll, daß aber, wenn der Verurteilte bis dahin nicht gezahlt hat, von da ab 12 Proz. Zinsen vom zugesprochenen Kapital laufen sollen, ist in Deutschland nicht Rechtens geworden. Nach Preuß. Allg. Landr. I, 11, §. 821 laufen von Zinsenrückständen nach Rechtskraft des Urteils Zögerungszinsen; ist der Schenkgeber zur Zahlung verurteilt, so können J. berechnet werden (§§. 1079-81). Ebenso hat der unredliche Besitzer von der an die Stelle der Früchte tretenden Geldsumme J. zu zahlen (I, 7, §. 231). Nach Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 763 hat der Kläger überhaupt das Recht, von der ihm zugesprochenen Geldsumme, auch wenn Zinsen nicht zugesprochen sind, J. zu berechnen. Der Deutsche Entwurf hat eine entsprechende Bestimmung nicht aufgenommen.

Judikatūr (neulat.), Rechtsprechung, richterliche Praxis.

Jüdisch-deutscher Dialekt, soviel wie Judendeutsch (s. d.).

Jüdische Litteratur. Die J. L. bildet den Gegensatz zur biblischen. (S. Bibel I, A, und Hebräische Litteratur.) Diese ist eine geistige Schöpfung des Volks Israel, jene eine solche lediglich der Nachkommen des Stammes Juda. Die J. L. baut daher auch vorzugsweise auf dem weiter, was in der biblischen bereits dem Stamme Juda angehört, auf dem Gesetz.

I. Periode. Die erste Periode der J. L., die der Soferim oder Schriftgelehrten, wurde durch Esra (444 v. Chr.) begründet. Diese Soferim waren die Sammler, Erläuterer, Lehrer derjenigen Gesetze (Esra 7, 11-25), die in den Zeiten nach dem Exil als die das Wesen der jüd. Religion ausmachenden angesehen wurden. Diese Gesetze, die gewissermaßen das Resultat der gesamten Entwicklung des alten Israel-Juda bis zum Anfang der nachexilischen Zeit waren, sah man damals für den Ausgangspunkt der ganzen Religion an, schob ihre Urheberschaft dem Mose zu, der sie durch Offenbarung am Sinai empfangen habe, und ließ sie durch eine Überlieferungskette über Josua zu den Ältesten, von diesen zu den Propheten gelangen, um dann eine mythische Rabbinenversammlung, die sog. große Synagoge (ein erdichtetes Vorbild des spätern Synedrium zu Jerusalem), zur Bewahrerin des Gesetzes zu machen (Aboth 1, 1-12). Die Soferim (2 Makk. 6, 18; Matth. 22, 35; Luk. 5, 17 u. s. w.) behandelten das Studium der Heiligen Schrift vorzugsweise als Gesetzesforschung (Midrasch; 2 Chron. 24, 27; vgl. Sirach 38, 24 - 39, 11), die sie in den Lehrhäusern (Menachot 10, 9; vgl. Apostelgesch. 22, 3; Josephus, Bellum judaicum 1, 33) betrieben. Die Lehrer erhielten den Ehrentitel Rabbi. Sie waren es zugleich, die das seit dem 1. Jahrh. v. Chr. ausgestorbene und durch das Aramäische als Volkssprache verdrängte Hebräisch wenigstens als Gelehrtensprache erhielten und zeitgemäß zu dem sog. Neuhebräisch umbildeten. (Vgl. Strack und Siegfried, Lehrbuch der neuhebr. Sprache, §. 1, Karlsr. 1884.) Neben dieser soferisch-palästinischen Litteratur, deren Erzeugnisse uns, abgesehen von den spätesten Teilen des Alten Testaments (Priestercodex, Chronisten u. s. w.), nur durch die spätern Aufzeichnungen der Mischna (s. d.) erhalten sind (besonders im Traktate von den Sprüchen der Väter), entstand in der Diaspora eine durch griech. Sprache und Bildung beeinflußte litterar. Strömung in dem sogenannten jüd. Hellenismus, dessen erste Schöpfung die griech.