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Jüdische Litteratur
machte (neueste Ausgabe von V. von Parly, Bas. 1888 fg.). Zu dem neuerdings über den "Schulchan arukk" geführten Streit vgl. Justus (F. Brimann), Der Judenspiegel (4. Aufl., Paderb. 1883); J.^[Jakob] Ecker, Der Judenspiegel im Lichte der Wahrheit (2. Aufl., ebd. 1884) und dazu Akten und Gutachten in dem Prozesse Rohling contra Bloch, Bd. 1 (Wien 1890). Um Löb ben Bezaleel in Prag (1609) bildete sich ein vollständiger Sagenkreis (der hohe Rabbi Loeb). Als Pilpulist (spitzfindiger, scholastischer Dialektiker) that sich Jonathan Eibenschütz (1690-1764) hervor. Kompilator war Manasse ben Israel (1650), Litterat Josef del Medigo (1591-1655). Auch die Kabbala fand noch manche Anhänger wie Isaak Luria, Mose Corduero. Zu vermitteln zwischen Kabbala und Talmud suchte Jesaja Halevi Hurwitz. Die eigentliche Größe dieses Zeitalters war Baruch Spinoza (1632-77). Sein "Tractatus theologico-politicus" zeigt noch jüd. Einflüsse des Maimon, Chasdai Creska, ibn Esra u. a.
VIII. Periode. Die achte Periode reicht von 1755 bis etwa 1820. Von dem Geist des 18. Jahrh. unterstützt, eröffnete Moses Mendelssohn (1729-86) seinen Glaubensgenossen eine neue Ära, in der eine junge Kraft der ererbten Litteratur neue Bahnen brach. (Vgl. M. Kayserling, M. Mendelssohn, Sein Leben und Wirken, 2. Aufl., Lpz. 1887.) Das Streben Mendelssohns und seiner ersten Jünger ging vornehmlich dahin, unter strengster Festhaltung von Gesetz und religiöser Sitte des Judentums (vgl. Mendelssohns "Jerusalem", Berl. 1783) ihre Glaubensgenossen in die Kultur Europas einzuführen und ihnen die Erzeugnisse deutscher Litteratur und humanistischer Bildung überhaupt zugänglich zu machen. Die Mendelssohnsche Übersetzung des Pentateuch (Berl. 1780-83) hat einen Einfluß auf das deutsche Judentum geübt, der sich mit dem der Lutherschen Bibelübersetzung auf die deutsche Christenheit vergleichen läßt. Bald wurden auch die andern Teile der Heiligen Schrift in das Deutsche übertragen, andererseits aber auch aus den verschiedensten wissenschaftlichen Disciplinen Werke in das Hebräische übersetzt und der Masse des jüd. Volks zugänglich gemacht; denn noch wurde die hebr. Sprache in weiten Kreisen verstanden und sie war daher das geeignetste Mittel, Bildungselemente einzuführen. So bereitete sich ein vollständiger Umschwung in wissenschaftlicher Erkenntnis wie im Leben vor, während im russ. Polen eine neue Mystik (Chasidismus) sich ausbreitete. An Mendelssohn und seine Zeit schließen sich an: zahlreiche Bearbeiter biblischer Schriften und hebr. Sprachkunde, wie Hartwig Wessely (gest. 1805), der scharfsinnige Salomo Maimon (1800), der Arzt Markus Herz (1803), dessen Frau Henriette Herz (s. d.) war, u. s. w.; Mathematiker wie Meier Hirsch (1851), Lazarus Bendavid (1832) u. s. w. Auch die Dichtkunst wurde gepflegt. Die talmudischen Studien fanden ihre Vertreter bis in die neuere Zeit.
IX. Periode. Als die neunte bis jetzt letzte Periode kann die Zeit von etwa 1820 bis auf die Gegenwart bezeichnet werden. Die Juden sind in den Kulturländern Europas vollständig in die Civilisation des Jahrhunderts eingetreten; hervorragende Leistungen von Juden auf den Gebieten der Kunst und der Wissenschaft gehören nur noch insoweit zur "J. L.", als diese Arbeiten in unmittelbarer Beziehung zum Judentum stehen. Charakteristisch für diese Periode der J. L. ist das Streben nach kritisch-wissenschaftlicher Erkenntnis des jüd. Altertums, an das sich geschichtliche, sprachliche und philos. Studien sowie Bearbeitungen von Ausgaben älterer, epochemachender Werke anschließen. Diese ganze Bewegung knüpft sich zunächst an zwei Namen: S. J.^[Salomo Juda] Rapoport (geb. 1790, gest. 1867 in Prag) und L. Zunz (geb. 1794 in Detmold, gest. 1886 in Berlin). Die von diesen Männern gegebenen Anregungen erweckten ein reiches litterar. Streben, das einen großen Wissenskreis bewältigt hat. Für Geschichte waren thätig: Jost (gest. 1860), Herzfeld, Wiener, Graetz (1891); für Litteratur und Altertumskunde: S. D. Luzatto (1865), Reggio (1855), Michael Sachs (1864), J. H.^[Josua Höschel] Schorr, Abr. Geiger (1874), A. Jellinek, R. Kirchheim, Kämpf, D. Cassel (gest. 1893), Senior Sachs, L. Dukes (1891), L. Löw, J.^[Joseph] Perles (1875), J.^[Jacob] Hamburger, A. Neubauer, A. Harkavy, M. Güdemann, A. Berliner, M. Kayserling, D. Rosin u. s. w.; für Bibliographie: M. Steinschneider, Joseph Zedner (1871), Lebrecht (1876), Landshuth, Benjakob (1865), N. Brüll (1891); ferner: N. Krochmal (1840), Z. Frankel (1875), M. A. Levy (für althebr. Paläographie, 1871); für Lexikographie: J.^[Julius] Fürst (1873) und J.^[Jakob] Levy (1891), M. Lattes in Mailand (1885); für Masora: S. Baer, C. D. Ginsburg, S. Frensdorff, S. Pinsker; für Geschichte der Philosophie und der philos. Bearbeitung des Judentums: S. Munk (1867), M. Joel u. s. w.; als Prediger: Salomon in Hamburg (1862), Noah Manheimer in Wien (1865), Sam. Holdheim (1860), Michael Sachs (1864), Jellinek und Goldschmidt. Von Bearbeitern jüd. Kulturzustände in künstlerischer Form sind zu nennen: Berthold Auerbach, L. Kompert, A. Bernstein und Mosenthal; von Bearbeitern altjüd. Synagogalmelodien: Sulzer in Wien, Lewandowski und Wolf in Berlin. Bibelwerke für Juden: die in Berlin (seit 1837) unter Redaktion von Zunz erschienene Bibelübersetzung durch Arnheim (1869), Michael Sachs und J.^[Julius] Fürst; die von Salomon in Hamburg, Herxheimer in Bernburg, L. Philippson in Magdeburg und Bonn, Fürst in Leipzig, Auerbach in Frankfurt. Zeitschriften, die jüd. Interessen behandeln, erscheinen außer in hebr. Sprache und in jüd.-deutscher Mundart in fast allen Kultursprachen Europas, darunter hervorragend: "Revue des études juives" (Paris), "Jewish Quarterly Review" (London), "Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums" (Berlin). Vereine zur Förderung der J. L. wurden von Philippson in Bonn, Silbermann in Lyk und G. Karpeles in Berlin 1892 gegründet.
Von neuern Darstellungen der Geschichte der J. L. vgl. außer den Schriften von Zunz (s. d.) und den unter den Artikeln Juden, Judentum angeführten Arbeiten: J.^[Julius] Fürst, Der Orient (12 Bde., Lpz. 1840-53); ders., Bibliotheca judaica (3 Bde, 1849-63); M. Steinschneider, J. L. (in Ersch und Gruber, "Allgemeine Encyklopädie", Bd. 27, Lpz. 1850); ders., Catalogus librorum hebraeorum in bibliotheca Bodleiana (ebd. 1852-60); ders., Hebr. Bibliographie (ebd. 1858 fg.); Cassel, Geschichte der J. L. (Bd. 1 u. 2, ebd. 1872-73; behandelt nur biblische Litteratur); N. Brüll, Jahrbücher für jüd. Geschichte und Litteratur (7 Bde., Frankf. a. M. 1874-83, 1885); G. Karpeles, Geschichte der J. L. (Berl. 1886); L. Löw, Gesammelte Schriften (Bd. 1-3, ebd. 1889-93); Winter und Wünsche, Die J. L. seit Abschluß des Kanon (Trier 1891 fg.). Sonst vgl. Strack und Siegfried, Lehrbuch der neuhebr.