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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Jüdische Litteratur

auf dem Gebiete der didaktischen Poesie, Kalonymos ben Kalonymos aus Arles (1287 bis etwa 1337) und der als Gelehrter, Dichter und Denker hervorragende Rabbi Levi ben Gerson (1344; vgl. über diesen M. Eisler, Vorlesungen über die jüd. Philosophen des Mittelalters, Abteil. 3, Wien 1883); in Italien trat hervor der vom Geiste des Boccaccio angesteckte witzige und formgewandte, aber bis zur Obscönität frivole Immanuel Romi (1270-1330; vgl. M. Wolf, Makamen des Immanuel, Lemberg 1870). Den Dante versuchte nachzuahmen Mose Isaak aus Rieti (1388-1430). In Mathematik und Astronomie thaten sich hervor: Isaak Israeli II. (1330), Gerson ben Salomo (1350), als Talmudisten Nissim ben Ruben (1350), Jakob ben Ascher, der 1340 ein halachisches Sammelwerk (arba Turim) verfaßte, u. s. w. Zwischen Philosophie und Kabbala suchte Josef ibn Wakkar zu vermitteln, einen kabbalistischen Kommentar schrieb Menahem von Recanati (1330). Eine Art jüd. Litteraturgeschichte verfaßte 1370 Isaak de Lates; Kenner des klassischen Altertums waren der sog. Jüdische Cicero (Meliz) Jedaja Penini (1305) und Messer Leon von Mantua (1400). Der Streit um Maimon erneuerte sich im 14. und 15. Jahrh. In seinem Geiste wirkte Josef ibn Caspi; vermittelnd trat Josef ben Schemtob (1442) auf. Schroff trat gegen die ganze Aristotelisch-maimunische Weltanschauung Chasdai Creska (1377) auf (vgl. M. Joel, Don Chasdai Creskas religionsphilos. Lehren, Bresl. 1866), dem Joseph Albo in seinen "Ikkarîm" (Grundlehren) folgte. Als der letzte Vertreter der Aristotelisch-arab. Philosophie, wie sie in Spanien gelehrt worden war, kann Elia del Medigo zu Padua (1480) betrachtet werden. Ethisch-philosophisch gerichtet war Isaak Natans Tugendschilderung (1487) und Isaak Aramas ethischer Bibelkommentar "‘akedat Jischaq" (Bindung Isaaks, 1480). Die zahlreichen, von christl. Machthabern zur Bekehrung der Juden veranstalteten Religionsgespräche riefen in dieser Periode eine apologetische und polemische Litteratur ins Leben, in der Namen wie Josef Kimchi, Meir ben Simeon, Schemtob ibn Schaprut und besonders Prophiat Duran (Isaak ben Mose Halevi, 1390) hervortraten. Letzterer ist durch sein "ma‘ase Efod" betiteltes Werk auch als Grammatiker bekannt. In Deutschland trat Rabbi Lipman von Mühlhausen in seinem "Nizzachôn" (1399?) als Polemiker gegen das Christentum auf. Den ruhmvollen Abschluß dieser Periode bildet Isaak ibn Jehuda Abravanel (s. d., 1437-1508). Der furchtbare Sturm von 1492, der 300000 Juden aus Spanien vertrieb, bereitete der jüd.-span. Litteraturblüte ein jähes Ende.

VII. Periode. Die siebente Periode (1492-1755) ist charakterisiert durch die Zerstreuung der aus dem westl. und südl. Europa vertriebenen Juden und die durch die Buchdruckerkunst begünstigte Verbreitung der Geisteswerke, die den Schauplatz und Charakter der J. L. änderten. Hebr. Buchdruckereien sind von Juden in Italien von 1475 an, in Spanien und Portugal noch vor der Vertreibung errichtet worden. Während die Kultur der span. Juden auf den Orient und der Aufschwung klassischen Wissens auf Italien einwirkte, verdüsterte im östl. Europa der durch Bedrängnisse genährte Mysticismus die Gemüter, und die poln. Juden ergaben sich einem kleinlichen Talmudstudium, das ihre geistigen Kräfte nutzlos erschöpfte. In Italien und dem Orient, in Deutschland und Polen sowie in Holland wirkten jüd. Schulen, Druckereien, desgleichen zahlreiche Schriftsteller, unter denen große Talente und ausgezeichnete Gelehrte sich hervorthaten. Die humanistische Bewegung ergriff namentlich in Italien Christen und Juden in gleicher Weise und näherte sie einander. Dem christl. Wissensdrange, der auch nach den Schätzen der J. L. Verlangen trug, kamen die Juden entgegen. Elia del Medigo, der jüd. Aristoteliker, ward Lehrer des Pico von Mirandola, Jakob ben Jechiel Loans und der philos. Exeget Obadja Sforno wurden solche des Joh. Reuchlin. Auch Elias Levita (1472-1549) hatte mehrere hohe kirchliche Würdenträger und Gelehrte (unter diesen Sebastian Münster) zu Schülern, die seine "Masoret hammasoreth" (jüd. Textgeschichte des Alten Testaments) und sein "Sefer Tisbi" (rabbin. Wörterbuch) studierten. Christl. Firmen übernahmen den Druck von Bibeln mit rabbinischen Kommentaren, wie von der des Jakob ben Chajim (1526-48). Die Studien der jüd. Textgeschichte wurden besonders durch Salomo Norzis textkritischen Kommentar "minchat Schai" 1626 weiter gefördert. Andererseits nahmen die Juden mit Eifer die humanistischen Bildungselemente auf. Jehuda Abravanel (Leo Hebraeus, 1502) schrieb in ital. Sprache über neuplatonische Philosophie (vgl. Zimmels, Leo Hebraeus, Bresl. 1886; neue Studien, Wien 1892). Asarja de Nossi (1514-78) lernte griechisch und vermittelte seinen jüd. Landsleuten die Kenntnis der jüd.-hellenistischen Litteratur und überhaupt die philol. Kritik in seinem "Meor Enajim". Die nationaljüd. Studien fanden ebenfalls mannigfache Pflege. Die hebr. Grammatik und die Formenlehre der hebr. Poesie bearbeitete Samuel Archevolti in Padua. Die Lexikographie förderten Menahem Lonsano (1618) und Benj. Mussafia (1675) durch ihre Zusätze zum Arukk (s. unten) und vor allem David Koben de Lara (1674) durch sein "‘ir David" (Davidsstadt) betiteltes Lexikon der Fremdwörter im Neuhebräischen und durch sein talmudisches Wörterbuch "Keter Kehunna" (Krone des Priestertums). Für die hebr. Altertumskunde war Abr. Portaleone (1542-1612) thätig. Histor. Arbeiten in hebr. Sprache lieferten Josef Kohen (1554), später David Gans (1641-1718), der ein Kompendium der jüd. und der allgemeinen Geschichte schrieb. Eine Chronik der jüd. Geschichte, insbesondere der jüd. Gelehrtengeschichte, schrieb 1725 Jechiel Heilprin aus Minsk. Als jüd. Bibliographen waren Sabbatai Basz (1641-1718), David Asulai (1726) und der Besitzer der rabbinischen Bibliothek David Oppenheimer (1664-1736) ausgezeichnet. Die hebr. Dichtkunst dieser Periode stand an schöpferischer Kraft weit zurück hinter den Erzeugnissen der span. Blütezeit. Zu nennen sind: Juda Sommo, Sabbatai Marini, der Ovids Metamorphosen in hebr. Oktaven übersetzte, Israel ben Mose Nagara (1587), Hymnendichter, und später Moses Chajim Luzzatto (1707-49) aus Padua, der die Psalmendichtung zu erneuern versuchte. Salomo Usque (1567) dichtete ital. Oden, Samuel Usque besang in portug. Sprache Israels Leiden. Das Talmudstudium fand auch in dieser Periode viele Jünger, von denen hier nur wenige genannt werden können: Jakob Chabib, Jakob Berab, David ben Simra, Salomo Luria (1515-73). Ein zeitgemäßes Talmudkompendium verfaßte Joseph Karo (1488-1575) in seinem "Schulchan arukk" (Bereiteter Tisch), zu dem Moses Isserles (1520-72) Zusätze