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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kadettenhäuser; Kadettenkorps; Kadettenschulen

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Kadettenhäuser – Kadettenschulen

verfolgen diese Anstalten den Zweck, verdienten Offizieren und Beamten die Erziehung ihrer Söhne zu erleichtern sowie einen Teil des Offizierersatzes sicher zu stellen. Zu den K. gehören die Kadettenkorps (s. d.) in Preußen, Bayern, Sachsen, Rußland und der Schweiz, in gewissem Sinne auch die Kadettenschulen (s. d.) in Österreich-Ungarn. Die eigentlichen K. Österreich-Ungarns im obigen Sinne sind die Militärrealschulen (s. d.) und die Militärakademie (s. d.) zu Wiener-Neustadt. Auch Frankreich hat, wenn auch nicht dem Namen, doch dem oben angegebenen Sinne nach eine Kadettenanstalt in dem Prytanée militaire zu La Flèche (s. d.). Die Junkerschulen in Rußland sollen den mit mangelhaften Schulkenntnissen versehenen Offizieraspiranten (s. Kadettenkorps) das für einen Frontoffizier notwendige Maß allgemeiner und militär. Bildung geben. Der Kursus ist zweijährig; fremde Sprachen werden nicht gelehrt. Zur Zeit bestehen für Infanterie 9, für Kavallerie 2 und für Kosaken 3 Junkerschulen mit zusammen etwa 3000 Schülern. Gegen Ende des 17. Jahrh. begann man in Frankreich die zu Offizieren bestimmten jungen Edelleute als cadets (s. Cadet) in Compagnien zu vereinigen und ihnen eine ihrem künftigen Berufe entsprechende Erziehung zu geben; auch in andern Staaten ging man ähnlich vor. Die so entstandenen K. hatten anfänglich mehr die technischen Fertigkeiten der Kadetten im Auge und wurden erst im Laufe der Zeit zu wissenschaftlichen Lehranstalten.

Kadettenhäuser, s. Kadettenanstalten.

Kadettenkorps, die Kadettenanstalten (s. d.) in Preußen, Bayern, Sachsen, Rußland und der Schweiz. Das preußische K. ist bestimmt, Knaben und junge Leute (wobei in erster Linie die Söhne von Offizieren berücksichtigt werden) zu künftigen Offizieren zu erziehen und so einen Teil des Offizierersatzes sicher zu stellen. Als wissenschaftliche Anstalt hat das K. seit der 1877 ein-, seit 1884 vollkommen durchgeführten Umgestaltung im allgemeinen den Lehrplan und die neun Jahresklassen eines Realgymnasiums. Nach Absolvierung der Obersekunda legen sämtliche Zöglinge das Fähnrichsexamen ab, und die meisten treten dann als charakterisierte Portepeefähnriche in die Armee. Ein kleiner Bruchteil macht nach Absolvierung der Primaklassen das Maturitätsexamen (s. d.) und erlangt hierdurch die mit demselben verknüpften Berechtigungen; in der Regel treten indessen auch diese Abiturienten in die Armee und zwar gleich als patentierte Fähnriche, auch erhalten sie später, wenn sie das Offizierexamen mit «gut» bestanden, einen Patentvorteil von einem Jahr. Ein anderer kleiner Bruchteil der Zöglinge wird nach Ablegung des Fähnrichsexamens in die Selekta versetzt, erhält hier denselben militär. Fachunterricht wie die Fähnriche auf den Kriegsschulen, und tritt nach erfolgreicher Beendigung des einjährigen Kursus sofort als Offiziere in die Armee. Das K. zerfällt in sieben Kadettenvoranstalten (s. d.) und in die Hauptkadettenanstalt (s. d.) in Lichterfelde. Die Stellen der K., über deren Verleihung besondere Bestimmungen bestehen, sind teils kostenlose Freistellen, teils sog. etatsmäßige Stellen, für welche Erziehungsbeiträge von 90, 180, 300 und 450 M. jährlich zu entrichten sind, teils Pensionärstellen mit einem Erziehungsbeitrag von 780 M., vom 1. April 1894 an von 800 M. Zöglinge werden aus dem ganzen Reichsgebiet aufgenommen, mit Ausnahme von Sachsen und Bayern. In Pensionärstellen können ausnahmsweise und gegen eine bedeutend höhere Pension auch Ausländer aufgenommen werden. Der Unterricht wird von Civillehrern und Offizieren erteilt. – Der Große Kurfürst gründete Kadettenkorpsanstalten in Berlin, Kolberg und Magdeburg; letztere beiden Anstalten wurden unter Friedrich Wilhelm Ⅰ. in der Berliner Anstalt vereinigt. Weitere K. wurden errichtet 1764 in Stolp, 1776 in Culm, 1793 in Kalisch, 1801 in Potsdam. Im Tilsiter Frieden wurde Culm und Kalisch abgetreten, Stolp wurde 1811 aufgelöst. Nach den Befreiungskriegen wurde Culm wieder errichtet; ferner wurden neu errichtet 1838 Wahlstatt, 1840 Bensberg, 1868 Plön und Oranienstein. Die Anstalt in Culm wurde 1890 nach Köslin verlegt, 1892 eine siebente Voranstalt in Karlsruhe eröffnet; eine achte Anstalt soll in Naumburg a. S. errichtet werden. Die Berliner Hauptanstalt wurde 1878 nach Groß-Lichterfelde verlegt. (Vgl. Scharfenort, Das königl. preußische K. 1859‒92, Berl. 1892.) – Das sächsische K. in Dresden ist aus einer 1725 errichteten Kadettencompagnie hervorgegangen; seine Zöglinge legen nach Beendigung des sechsklassigen Lehrganges die Fähnrichsprüfung vor der preuß. Ober-Militärexaminationskommission ab, die sich zu diesem Zweck nach Dresden begiebt. – Das bayrische K. wurde 1755 gegründet und 1868 den Realprogymnasien gleichgestellt.

In Rußland bestehen 21 K., die eine Zeit lang Militärgymnasien genannt wurden. Der Lehrplan umfaßt die üblichen Realien (ohne Lateinisch) sowie deutsche und franz. Sprache. Diejenigen Kadetten, welche die sieben einjährigen Klassen erfolgreich durchgemacht haben, werden entweder (dies ist die Regel) den Kriegsschulen zugeteilt, oder sie erhalten (seltene Ausnahme), wenn sie nicht Offizier werden wollen, die der erworbenen Bildungsstufe entsprechenden Vorrechte. Die Kadettenstellen sind teils unentgeltliche Kron-, teils Stipendienstellen (Interne), die aus bestimmten Stiftungen erhalten werden, teils zahlende Pensionärstellen (Externe). Die älteste Klasse jedes K. ist militärisch als Compagnie formiert und wird mit dem Gewehr ausgebildet. Schlecht beanlagte oder zurückgebliebene Zöglinge der K., die den als Vorbereitung für die Kriegsschulen geforderten Lehrgang nicht durchmachen können, werden auf zwei Militärschulen (auf denen fremde Sprachen nicht gelehrt werden) für den Eintritt in die Junkerschulen (s. Kadettenanstalten) vorbereitet. Neben den 21 K. besteht noch ein besonderes finländisches K., sowie das Pagenkorps; beide Anstalten haben außer dem Unterbau eines gewöhnlichen K. noch zwei Sonderklassen, die (ähnlich wie die Selekta der preuß. Hauptkadettenanstalt) dem rein militär. Unterricht gewidmet sind und ihre Zöglinge als Offiziere entlassen, und zwar treten die Zöglinge des finländischen K. zu den besondern finländ. Truppen, die Zöglinge des Pagenkorps, welches besonders ausgewählten Zugang hat, meist zur Garde über. Die sogenannten K. in der Schweiz bezwecken einen gewissen militär. Vorunterricht der Schüler der Bürgerschulen, und zu diesem Zweck werden letztere im Frühjahr und Herbst an mehrern Abenden jeder Woche von Offizieren und Exerziermeistern eingeübt. (S. Jugendwehren.)

Kadettenschulen, die Kadettenanstalten (s. d.) in Österreich-Ungarn. Sie sind bestimmt, junge Leute, Zöglinge, die noch nicht dem Heere angehören, für die Offizierlaufbahn heranzubilden, in die sie nach dem Austritt aus den K. als Kadett- ^[folgende Seite]

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