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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kamm (weißer) - Kammer
Metall, neuerlich sehr häufig aus Hartgummi,
über dic Herstellung desselben s. Kammfabrikation.
K. ist auch ein Teil des Wcbstuhls (f. Weberei
und Blattbinder). Bei den Krempelmaschinen oder
kratzen heißt K. oder Hacker eine schnell auf und
nieder gehende gezahnte Stablschiene znm Abneh-
men des Vließes. Der in der Wollspinnerei znr Ab-
sonderung der kurzen und Parallellegnng der langen
Fasern gebräuchliche K. (Wollkamm) wirkt durch
lange stählerne Nadeln, die reihenweise an einem
Querstück befestigt sind und mittels eines hölzernen
Stiels gehandhabt werden. - Im Vanwesen ist
der K. einHolzvcrband. (^.Verknüpfung der Hölzer.)
- In der Böttcherei ist K. soviel wie Kröseeiseu
(s. d.).- Über den Gebirgskamm s. Gebirge,
über den 5^. von Böschungen s. Crete. - In der
Jägersprache ist K. der Vorderrücken des
Schwarzwildes, besonders die langen Borsten da-
selbst. - Im Maschinenbau werden die Zähne
bölzerner Räder (Kammr ad er) sowie die in eiserne
Räder besonders eingesetzten hölzernen Zähne als
^. bezeichnet (s. Zahnräder): auch bedeutet hier K.
soviel wie Well- oder Hebedaumcn (s. Tarnneu). -
Über den K. im Vogeläuge s. Auge (Bd. 2,
E. 109 a). - In der Zoologie bezeichnet man mit
K. den häutigen Auswucks auf dem Scheitel der
echten Hühner und anf der <^tirn des Kondors
iKammgeicrs) sowie die auf der Firste des Rückcno
der Kammeidechsc aufrecht stehende Neihe dreieckiger
horniger Schuppen. stiere, Bd. 8, S. 907 d).
itamm, weißer, s. Hanttrantdeiten (der Haus-
KammblNl, der Anban von Frückten (Wurzel-
gewächsen, wie Kartoffeln, Rüben u. s. w.) auf Käm-
men, die durch den Häufelpflug auf dem Acker her-
gestellt und durch Furchen getrennt sind. Für nasse,
seucbte und thonige Bodenarten hat der K., weil
durch denselben der Boden rascher abtrocknet und
sick erwärmt, mannigfache Vorteile.
Kammbohrkäfer, s. Bol rtäfer
Kammdoppelstosfer, s. Ktenodipterincn.
5tamm-Ogreniermafchine, s Baunlwollspin-
nerei iBd. 2,S. 538 ll).
Kammeidechseu, s. Leguane.
Kammer (lat. cHmö^i, vom grck. k^min-^, ge-
wölbtes Gemach, Gewölbe, Zimmer) hieß bei den
frank. Königen das abgesonderte Geniach, worin
sie ibr Privateigentum verwahrten. Daher be-
zeichnet das Wort K. die Privatangelegenheiten im
Gegenfatz zu dem Hof- oder öffentlichen Leben des
Fürsten. In die K. flössen die Einkünfte der fürstl.
Güter und in ihr konzentrierte sich die Verwaltung
des fürstl. Vermögens. An der Spitze derselben
stand der Kämmerer lMin6i'Hi'iu3), einer der
obersten Beamten des frank. Hofs und in der
deutschen Reichsverfaffuug einer der ersten Fürsten
des Reichs. Das Amt als Crzkämmerer im
Deutschen Reiche bekleidete der Kurfürst vou Vran-
denbnrg. Denselben Begriff hatte die K. in den
einzelnen deutschen Neichslanden, wo sie 1) die
ci>o>e^n Güter des Fürsten, die K a m m e r g ü t e r im
engern ^inne, 2) die alten Neichsgüter, die Dota-
tion des Reichsamtes, die Staatsdomänen, 3) die
mit dem Grafen- und Fürstenamte verbnndenen
Einkünfte und Gefalle und selbst 4) die Zölle und
Steuern umfaßte, von denen in der ältern Zeit ein
Teil zur kaiserlichen K. zu verrechnen war. Diefe
vier Arten von (Einkünften wurden aber nach und
nach so miteinander vermischt, daß, die vierte Klaffe
ausgenommen, welche leicht auszuscheiden ist, eine
ANikcl. die man unter K ver
Sonderung kaum möglich war. Der Fürst ließ diese
Einkünfte ohne Zuthun seiner Stände verwalten:
allein er mußte daraus auch alle Negierungs- nnd
Verwaltung'ötosten, nicht aber die Landesanstalten,
wie Landeopolizei, Straßenbau u. s. w., und die
> Reicbskriege bestreiten. Die Verwaltung war an-
fange den fürstl. Ämtern übertragen und zur Ccn-
tralverwaltnng ein Kammermeister oder Rent-
m e i st e r mit den nötigen Gehilfen bestellt. Nach und
nach wnrden daraus Kollegien (Hofkammern oder
Rentkammern), die anch, weil sie die polizeilichen
Regalien zugleich verwalteten, mit manchen Geschäf-
ten der allgemeinen Landesverwaltnng beanftragt
waren. Später, bei Einführnng repräsentativer
Verfassuugen, fand in den meisten Staaten, zum
Teil nur bezüglich der Nutzung und Verwaltung,
zum Teil aber auch bezüglich des Eigentunis, eine
Verschmelzung des sog. K a m merverin ö g en s und
des eigentlichen Staatsvermögens statt. (S. Do-
mänen und Krondotation.)
In parlamentarischer Sprache ist K. Be-
zeichnung für die das Laud vertretende Körperfchaft
0'. Landtag und Repräsentativstem).
Im Militärwesen ist K. zunächst der Aufbe-
! Wahrungsort für die Bekleidung, Ausrüstung und
Bewaffnung der Truppen. Man nnterfckcidet Com-
! pagnic- (Eskadrons- oder Batterie-), Bataillons-
! "Abteilungs-) und Rcgimentskammern. Aus den
Compagniekammern werden die nicht im tag-
licben Gebrancke befindlichen Stücke der Mann-
schaft der Compagnie, auf den Bataillon 5-
kammern die für die Compagnien erforderlichen
l .^riegsaugmeutationsstücke, auf den Regiments-
> tammern dagegen die Materialien znr Nenan-
sertignng von Bekleidung und Ansrüstnng sowie
die für Crfatztruppen und andere Kriegsformationen
erforderlichen Bestände aufbewahrt. Die Aufsickt
ilber die K. sübren die betreffenden Truppcnbefedlo-
daber und die Vcklcidungskonnnissionen, unter
deren Verantwortlichkeit ein Kammerunteroffi-
zier, früher ('Qpiwiiie ä'^rines (s. d.) genannt, die
geordnete Niederlegung, Instandhalrnng und Ver-
ausgabung besorgt. - Bei einer Feucrwaffe ist
K. der zur Aufnahme der treibenden Kraft bestimmte
Raum. So wurdeu bei den ältesten, zur Hinter-
ladnng eingerichteten Geschützen (14. Jahrh.) die
zur Anfnahme des (^cbiesipnlvers bestimmten losen
Ladebücksen (s. Geschütz, Bd. 7, S. 909a) als
K. und die Geschütze selber als Kammerstücke
bezeichnet. Bei den Wnrfgefchützen (Hanbitzen,
Mörser n. s. w.) heißt K. der hintere verengte Teil
der Seele, welcher die Pulverladung anfnimmt;
solche Geschütze heißen Kammergeschütze (s. Ge-
schütz, Bd. 7, ^. 909d). In der deutschen schweren
Artillerie kommt gegenwärtig anch die K. im Ver-
schluß vor (s. Geschütz, Bd/7, S. 918d). Beim
Gewehr ist jetzt K. derjenige Teil, der znr Hand-
babnng des Gewehrschlosses dient. Sie führt mit
Hilse des Verschlußkopses die Sperre beim Laufver-
schluft herbei. (S. Handfeuerwaffen.) Handfeuer-
waffen, welche von vorn geladen wnrden, hatten
bisweilen eine K. in der Schwanzfchraube (Kam-
ni e rf ch w a n zfchraube). Ka m merladun g s -
gcwehre bießen (jetzt veraltete) Hinterladegewehre,
bei denen Geschoß und Ladung von einem besondern,
für sich beweglichcnKammerstückanfgenommen wur-
den (franz. Wallbüchse 1831,norweg. Schützengewehr
1848, schwcd. Marincgewehr 1851). Kammer-
! büchsen hießen die von Delvigne (s. d.) erfundenen
mi^t, sind untcr C aufzusuchen.