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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Karl V. (römisch-deutscher Kaiser)
die Zügel der Regierung und nahm den Titel eines
Königs von Spanien an. Weniger dieser eigen-
mächtige Regierungsantritt als seine Bevorzugung
der Niederländer erzeugten in Spanien bald eine
tiefe Mißstimmung, zumal der bisher leitende
Staatsmann Nmenes von dem jungen Herrscher
mit undankbarer Härte beiseite geschoben worden
war. Nach Kaiser Maximilians Tode wäblten die
deutschen Kursürsten trotz aller Bemühungen Franz'I.
von Frankreich dessen Rivalen K. zum Kaiser. Als
er sich im Mai 1520 einschiffte, um über England
sich ins Reich zu begeben, war in Spanien die offene
Revolution ausgebrochcn, die erst im nächsten Früh-
jahr unterdrückt werden konnte. Am 22. Okt. 1520
wurde K. zu Aachen gekrönt und empfing von dem
Papste den Titel Römischer Kaiser. Die Wahl-
tapitulation, durch welche man seine wegen un-
ermeßlichen Länderbesitzes furchtbare Übermacht für
die Reichsverfassung unschädlich zu machen suchte,
unterschrieb er zwar, band sich aber niemals wäh-
rend seiner Regierung streng daran.
Nm den durch Luther angeregten Rcligionsstreitig-
kcitcn ein Ende zu machen und die Angelegenheiten
des Reichs überhaupt zu ordnen, wurde 1521 nack
Worms ein großer Reichstag ausgeschrieben, auf
dem der Kaiser, dem, abgesehen von den span. Un-
ruhen, wegen Burgunds und Italiens ein Krieg mit
Frankreich bevorstand, die Reichsackt über Luther
aussprach. Er verließ noch im Laufe des Jahres
Deutschland und kehrte 1522 über die Niederlande
und England nach Spanien zurück. Während K. hier
das Strafgericht an den besiegten Rebellen vollzog,
hatte Frankreich schon 1521 durch einen doppelten
Angriff auf Navarra und auf die Niederlande den
Kampf begonnen, der sich bald auch überItalicn aus-
dehnte, und in welchem Papst Leo X. und England auf
die Seite des Kaifers traten. Das Glück der kaiserl.
Waffen unter Anführung Prospero Colonnas und
Georg Frundsbergs in Italien, wo die Franzosen
aus Parma, Piacenza und nach der Schlacht bei
Bicocca selbst aus Mailand vertrieben wurden,
und der Abfall des franz. Conmtable Charles von
Vourbon entschädigten K. für das Mißlingen eines
Angriffs auf die Provence. Am 24. Febr. 1525 wurde
Franz 1., der Pavia belagerte, dort von den Kaiser-
lichen besiegt und gefangen genommen. 1526 kam
der Madrider Vertrag zu stände, demzufolge Franz
unter harten Bedingungen die Freiheit wiedererhielt.
In Teutschland hatte K. seinen Bruder Ferdinand,
dem er die österr. Erblande und das kürzlich er-
worbene Württemberg verlieh, als Statthalter
zurückgelassen. Aber keineswegs durch das Reichs-
' regimcnt, sondern durch die partikularen Gewalten
des Reichs wurde die Erhebung Sickingcns und
der große Bauernkrieg (s. d.) bewältigt, während
trotz des Wormser Edikts die Reformation sich fast
ungestört ausbreitete.
Durch die anwachsende Macht K.s beunruhigt,
verband sich 1526 Papst Clemens VII. mit Frank-
reich und den Hauptstaaten Italiens, sprach den
König Franz von Erfüllung feiner Verbindlichkeiten
los und verfuchte die kaiserl. Macht aus Italien
zu drängen. Von 1527 bis 1529 dauerte der zweite
Krieg K.s mit Franz. Rom wurde 6. Mai 1527
von den Kaiserlichen mit Sturm erobert, geplündert
und der Papst selbst gefangen genommen, aber
bald wieder in Freiheit gesetzt. Nach dem scheitern
eines franz. Angriffs auf Neapel (1528) schloß K.
29. Juni 1529 zu Barcelona mit dem Papst und
Brockhaus' Konversations-Lcxikon. 14. Aufl. X.
5. Aug. zu Cambrai mit Franz I. Frieden. Der
unbedingte Besitz Italiens, die Erteilung der Kaiser-
krönung zu Bologna (21. Febr. 1530, letzte Kaiser-
krönung durch den Papst) und die Zahlung großer
Geldsummen ermöglichten es dem siegreichen Kaiser
mit einem bisher nicht gekannten Nachdruck im
Reiche aufzutreten, wo er 1530 nach achtjähriger
Abwesenheit erschien und auf dem Reichstag zu
Augsburg der Ketzerei ein Ende machen wollte.
Aber die protestierenden Fürsten blieben standhaft
bei ihrer öffentlich verlesenen und dem Kaiser über-
gebenen Konfession, und die Drohungen des Neichs-
abschieds führten statt zu ihrer Unterwerfung zur
Gründung des Schmalkaldischen Bundes (s. d.).
Dies und die immer drohender werdende Gefahr
vor den Türken, die 1529 Wien belagert hatten,
nötigten den Kaifer 1532, kurz nachdem er seine
Strafprozeßordnung (s. (^rolina) veröffentlicht
hatte, zu dein Nürnberger Religionsfrieden, worin
der Protestantismus, jedoch mit dem Verbote jedes
wcitern Reformierens, in 8taw quo bis zur Ent-
scheidung des künftigen Konzils anerkannt wurde.
Statt jedoch mit dem ansehnlichen Heere, welches
K. nach diesem Ausgleich sammeln konnte, den
schleunig zurückweichenden Sultan nach Ungarn zu
verfolgen, ging der Kaifer nach Italien, um mit
dein Papste über die Berufung eines Konzils zll
unterhandeln, was jedoch ohne Erfolg blieb, und
unternahm hierauf 1535 von Spanien aus einen
Zug nach Afrika gegen den türk. Seeräuber Cheir-
eddin (s. d.) Barbarossa, eroberte Tunis und konnte
aus dieser ^tadt, die er ihrem rechtmäßigen Herr-
scher Mulei-Hassan als ein Lehn der span. Krone
zurückgab, 22000 befreite christl. Sklaven entlassen.
Im I.1536 begann Franz seinen dritten Krieg.
Aber auch diesmal behielt K., trotzdem daß er bei
seinem Einfall in die Provence Marfeille nicht er-
obern konnte, die Oberhand. Der 10jährige Waf-
fenstillstand von Nizza, 18. Juni 1538, beendete den
Kampf; aber schon 1542 entbrannte ein neuer
Krieg, aus welchem K. nach einem Einfall in die
Champagne im Frieden zu Crepy im Sept. 1544
als Sieger hervorging. Er verzichtete zwar auf
das franz. Burgund, behielt aber Flandern und
Artois und die Herrfchaft über Italien, da der
franz. Prinz, welchem Mailand oder die Nieder-
lande zugesichert waren, schon 1545 starb. Zu glei-
cher Zeit gewann K.s Macht an innerer Festigkeit
und Ausdehnung. Es glückte ihm, 1539 die alte
Konstitution der Cortes in Spanien zu vernichten
und 1540 den in Gent ausgebrochenen Aufstand der
Niederländer zu dämpfen. Erweitert aber wurde
Spaniens Besitz in der Neuen Welt. 1519 zog
Ferd. Cortez gegen Mexiko und eroberte es. Zur
selben Zeit gelang es Magalhaes, den Weg nack
Ostindien um das Südende Amerikas aufzufinden;
1525 wurde von der Südseite Dariens aus die erste
Fahrt nach Peru unternommen; K. sandte 1531
Francisco Pizarro zur Eroberung des "Goldlan-
dcs", 1536 wurde Kalifornien entdeckt und erobert.
Dagegen verunglückte ein Zug, den K. selbst 1541
nach Algier unternahm, gänzlich. Nach dem Frie-
den von Crepy rüstete er sich, die durch das Schmal-
kaldener Bündnis vereinigten prot. Fürsten zu de-
mütigen. Er verband sich' mit dem Papste, seinem
Bruder Ferdinand und dem prot. Herzog Moritz
von Sachsen, sprach über die Häupter des Bundes
die Acht aus, nötigte ihre anfangs überlegenen
Streitkräfte in Süddeutschland zum Abzug und
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