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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kaserne
Festungen muß im Kriege gegen das feindliche bände sich wesentlich bloß in einer Längsrichtung
Feuer gesichert untergebracht werden, weshalb die
Festungswerke mit zahlreichen zur Aufnahme von
Truppen geeigneten kasemattiertenRäumen versehen
sind, die häufig auch schon im Frieden als K. bcnntzt
werden. In ältern Festungen finden sich vielfack
Defensivkasernen, die einesteils zur gesicherten
Unterbringung von Truppen im Kriege dienen,
andernteils auch verteidigungsfähig eingerichtet
sind und durch ihre Lage als Abschnitte benntzt wer-
den können. Dnrch den wirksamen indirekten ^chuh
der gezogenen Geschütze sind solche Bauten aber
heute zu sehr gefährdet, als daß die Einrichtnng zur
Verteidigung noch ferner beibehalten werden könnte.
Für die Art der Anlage von K. ist die Rücksicbt
auf dienstliche Bedürfnisse sowie anf die Gcsnndhcit
erstreckt und nnr kurze senkrecht zum Hauptgebäude
stehende Flügel hat. Auch zu letzterm System gehört
der Seitenkorridor, wenigstens im Hanptgeba'ude,
während in den Seitenflügeln wegen ihrer Kürze
behufs besserer Raumausnutznng ein Mittelkorridor
gestattet wird. Dem Linearsystem, welches in ge-
sundheitlicher Hinsicht allen andern Typen des Cen-
tralisationssystems vorzuziehen ist und eine Facaden-
entwictlnng begünstigt, gehören weitaus die meisten
seit der Mitte des 19. Jahrh, bis znm Ende der acht-
ziger Jahre in Deutschland erbauten K. an.
Znr Anlage dccentralisierter K. entschloß
man sich zuerst in England nach dem Krimkriege,
also knrz nach der Mitte des 19. Jahrh. Die engl.
Pavillonkasernen bestehen aus einer Anzahl
der Truppen maßgebend. Die neuern Wandlnngen ! von Wobn- und Wirtschafts- u. s. w. Gebäuden.
im Kascrnenbau wurden vorzugsweise durch die
Gesundheitslehre beeinflußt und lebncn sich eng
an diejenigen des Bancs von Krankenhäusern an.
Wie bei letztern hat man auch bei K. das ältere
Centralisationssystem und das ncnerc De-
cent r a l i s a t i o n s s y st e m zu unterscheiden. Znm
Begriff des erstern gehört: 1) die Vereiniguug einer
großen Zahl von Mannschaften (Bataillon, Regi-
ment) unter einem Dach; 2) die Unterbringung nicht
nnr der Mannfchaftswohnzimmer, sondern anch aller
sonstigen zu einer Kascrnenanlage gehörigen Räume
"Küchen, Vorratskammern, Kantinen, Montierungs-
lammern, Vnreaus, Werkstätten, Wobnnngen für
Offiziere, Beamte und verheiratete Unteroffiziere,
Revierkrankenstnben, Wachen u. s. w.) in einem
einzigen Gebäude. Zum Begriff der deecntralisier-
ten K. gehört: 1) die Verteiluug der Maunschaften
auf mehrere kleine Gebäude; 2) die bauliche Trennnng
aller oben angedeuteten Verwaltungs-, Wirtschasts-
und fonstigcn Rännie von den Wohngebändcn der
Mannschaften.
Unter den centralisierten K. sind diejenigen
besonders ungünstig, bei denen (nach dem Vorbilde
der spätern Vaubanschen K.) ein bohes Gebäude
einen kleinen Hof festungsartig umschließt, weil eine
solche Bauart die gerade bei einem Massenqnartier
überaus wichtige Durchleuchtung und Durchlüftung
der Zimmer unmöglich macht. Ein großer Fortscbrin
war es daher fcbon, als man durch Freilassen einer
Seite oder der Ecken zu einer mebr offenen Bauart
überging. Anch die innere Raumcinteilung ist wicb-
tig. Bei dem ursprünglichen Vandanschen Grundriß
setzte sich das gesamte Gcba'nde aus einer Anzabl
durch starke Zwischenwände voneinander getrennter
Blocks zusammen. Jeder Block enthält ein Treppen-
baus und zu jeder Seite desselben ein bis zwei un-
mittelbar von der Treppe ans zugängigc Zimmer.
Der Wunsch nach Verminderung der Treppenhäuser,
welche den Bau beträchtlich verteuern, führte zu dem
Korridorsystem, bei welchem sämtliche Zimmer
eines Stockwerks sich nach einem, das ganze Ge-
bäude in der Mitte oder an einer Seite dnrcbsetzen-
den Gange (Korridor) öffnen. Allseitig verurteilt
ist in neuerer Zeit der notwendig dunkle und nn-
genügend lüftungsfähige Mittelkorridor. Besondere
Unterabteilungen des viel bessern Systems mit ^ei-
tcntorridor sind: 1) das dem antiken Wobnbanfe
nachgebildete fpanische System, bei dem in der
einen geschlossenen Hof umgebenden K. an der Hof-
seite ein geschlossener, mit Fenstern versebcner Kor^
ridor ringsum laust- 2) das i^incarsystem, bei
dem das an einer Seite des Hofes errichtete Ge-
Jedes der erstern besitzt außer einem Erdgeschoß nur
e i u Obergeschoß und beherbergt nur rund 1l_"l) Mann.
Meist sind je 21 Mann in einem Zimmer vereinigt,
welches die ganze Breite des Gebäudes einnimmt.
Letzterer Umstand ermöglicht die Anlage gegenüber-
liegender Fenster an den Längsseiten und dadurch
eine ausgiebige Lüftnng, während bei jedem Korri-
dorfystem Fenster nur an einer Zimmerseite, und
;war meist an der Schmalseite, angebracht werden
können. Außerhalb Euglands sind ähnliche K. je-
doch bisher nur in den Vereinigten Staaten von
Amerika errichtet worden. Hingegen ist man in
curop. Staaten neuerdings vielfach zum Baracken-
fyftem <s. Baracke und Barackensystem) übergegan-
gen, bei Kasernenanlagen jedoch meist nnr da, wo
es sich um zeitweilige Unterbringung von Truppen
handelte: es bestehen aber anch Varackenkaserne-
ments zur dauernden Unterkunft. Dahin gehören
insbefondere die an mehrern Orten Südfrankreichs
errichteten Barackenkasernen nach dem T olletschen
System, bei dem neben noch weiter gebender De-
centralisierung als in den englischen K. die Rücksicht
anf Infektionsverhütung durch Verminderung des
Materials überbauvt und Vermeidung von in-
fektionsfäbigcm Material maßgebend ift. Die Bau-
art (Spitzbogen) soll bei größtmöglichster Nanmaus-
nutzung alle Ecken und Winkel ausschließen, in denen
die Luft stagnieren und Scbmutz sich ansammeln
kann, und die fast ausschließliche Verwendnng von
Cement und Eisen eine sehr gründliche Desinfektion
gestatteil. Das in seiner ursprünglichen Form auf
ein mildes Klima berechnete Tolletsche System ist
durch die österr. Ingenieure Gruber und Voelkner
durch Verwandlung des Spitzbogens in einen Rund-
dogen und dadnrch ermöglichter Einfügung von
rnbenden Lnftscbichten in die Wände und Decken
unter Beibehaltnng der wesentlichen Gesichtspunkte
in der Art verändert worden, daß es anch in kälterm
Klima benutzt werden kann. Im Deutschen Reiche
ist man in neuester Zeit grundsätzlich zum Decentrali-
sationssystem übergegangen, ohne jedoch in der Ier-
strennng der Mannschaften so weit zu gehen wie bei
dem engliscben und dem Tolletschen System, auch
obne grundsätzliche Verwendung von Baracken oder
Pavillons. Vielmebr werden in den neuesten deut-
schen K. mit Vorliebe je zwei Compagnien (rund
WO Mann) in einem mehrgeschossigen Gebäude,
ohne Flügel, mit Seitenkorridor,, die Wirtschafts-
und sonstigen Räume aber in besondern Gebäuden
untergebracht. Die großartigste derartige Anlage
ist die im Sommer 18W vom 4. Garderegiment zu
Fuß bezogene K. in Berlin-Moabit. Die Kosten
Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C auszusuchen.