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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kotzebue; Kotzebuesund

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Kotzebue (Otto von) – Kotzebuesund

Paul ⁡⁡I., ins Russische übersetzt. Diese Übersetzung gefiel dem Kaiser Paul so, daß er nicht nur sofort den Verfasser zurückberufen ließ, sondern ihn mit dem Krongute Worroküll in Livland beschenkte und ihm die Direktion des deutschen Theaters in Petersburg übertrug. Romanhaft beschrieb K. diese seine Verbannung u. d. T. «Das merkwürdigste Jahr meines Lebens» (2 Bde., Berl. 1801; neue Aufl. 1802 u. 1803).

Nach dem Tode des Kaisers erhielt er die erbetene Entlassung und lebte zunächst wieder in Weimar, dann in Jena, bis er 1803 nach Berlin ging, wo er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde und mit Garlieb Merkel den «Freimütigen» herausgab. Beide nahmen Partei gegen Goethe und dessen Anhänger, namentlich gegen A. W. und F. Schlegel. Anfang 1806 ging K. nach Königsberg, wo ihm zur Abfassung seines, namentlich durch Parteiskizzen wertvollen Werkes: «Preußens ältere Geschichte» (4 Bde., Riga 1809), das dortige Archiv zu benutzen gestattet war. Doch infolge der polit. Ereignisse in Deutschland sah er sich gegen Ende 1806 veranlaßt, nach Rußland zu flüchten, wo er, seit 1807 auf seinem Gute Schwarzen in Esthland lebend, Napoleon und die Franzosen mit allen Waffen des Witzes, namentlich in den Zeitschriften «Die Biene» (Königsb. 1808‒10) und «Die Grille» (1811‒12), bekämpfte. Zum Staatsrat erhoben, folgte er 1813 dem russ. Hauptquartier und gab in Berlin ein «Russisch-deutsches Volksblatt» (1814) heraus. Bald nachher wurde er zum russ. Generalkonsul für die preuß. Staaten in Königsberg ernannt, wo er unter andern eine sehr einseitige «Geschichte des Deutschen Reichs» (Bd. 1 u. 2, Lpz. 1814‒15; fortgesetzt von Rüder, Bd. 3 u. 4, 1832) schrieb. 1816 als Staatsrat bei dem Departement des Auswärtigen in Petersburg angestellt, wurde er 1817 mit einem Jahrgehalt von 15000 Rubeln als polizeilich-polit. Spion nach Deutschland geschickt, begründete 1818 das «Litterarische Wochenblatt», in welchem sich sein Spott über alle liberalen Ideen, über ständische Verfassungen, Preßfreiheit u. s. w. ergoß. Der Hohn, womit er namentlich die Begeisterung des jüngern Geschlechts verfolgte, erregte endlich den krankhaft schwärmerischen Karl Ludwig Sand zur Ermordung K.s, der unter den Dolchstichen Sands 23. März 1819 in Mannheim fiel.

Nach einigen schwachen Versuchen veröffentlichte K. den Roman «Leiden der Ortenbergischen Familie» (Petersb. 1785) und «Kleine gesammelte Schriften» (4 Bde., Reval und Lpz. 1787‒91), die seine Darstellungsgabe bekunden; vorzüglich aber erwarben ihm die beiden Schauspiele «Menschenhaß und Reue» (Berl. 1789 u. ö.) und «Die Indianer in England» (Lpz. 1790) schnell den größten Beifall. Dagegen schadete er sich durch die Herausgabe der berüchtigten Schrift «Doktor Bahrdt mit der eisernen Stirn» (1790), die er unter Knigges Namen erscheinen ließ; auch der gegen die Romantik gerichtete «Hyperboreische Esel» (Lpz. 1799) war seinem Rufe kaum zuträglich. Als Lustspieldichter und im bürgerlichen Drama sind K. Witz, Leichtigkeit des Dialogs, gewandte Charakterzeichnung, glänzende Situationswirkungen und unerschöpfliche Erfindungsgabe nicht abzusprechen; dagegen fehlte es ihm an der Einsicht in die Kunst und an jeder nationalen und sittlichen Gesinnung. Die Zahl seiner dramat. Werke beläuft sich auf 216. Heute noch sind unvergessen die prächtigen «Deutschen Kleinstädter», «U. A, w. g. oder die Einladung», «Pagenstreiche», «Die beiden Klingsberg», «Menschenhaß und Reue», «Der Wirrwarr», «Der Rehbock» (in Lortzings «Wildschütz» verarbeitet) u. a.; manch beliebter Theaterdichter der Neuzeit hat seine besten Effekte der Schatzkammer des K.schen Theaters entlehnt. Gesammelt erschienen seine «Sämtlichen dramat. Werke» in 40 Bänden (Lpz. 1840‒41 u. ö.). Auch gab K. einen «Almanach dramat. Spiele» heraus, den er bis an seinen Tod fortsetzte (18 Jahrg., Lpz. 1803‒20). K.s Leben beschrieben Cramer (anonym; Lpz. 1820) und Döring (Weim. 1830). Vgl. ferner W. von Kotzebue, August von K., Urteile der Zeitgenossen und der Gegenwart (Dresd. 1884); Rabany, K., sa vie et son temps (Par. 1893).

Kotzebue (spr. -buh), Otto von, russ. Seefahrer, zweiter Sohn des vorigen, geb. 30. Dez. 1787 zu Reval, machte dreimal die Reise um die Erde, zuerst 1803‒6 mit Krusenstern, dann 1815‒18 mit dem Schiff Rurik, wobei er in der Südsee 399 Inseln und im Südosten der Beringstraße einen Sund (s. Kotzebuesund) entdeckte; dann besuchte er Kalifornien und Hawaii und entdeckte im Jan. 1817 den Romanzow-Archipel; 1823‒26 unternahm er die dritte Reise. Auf der zweiten begleiteten ihn unter andern Chamisso, Eschscholtz und Choris, auf der dritten Eschscholtz. K. starb 15. Febr. 1846 in Reval. Er schrieb: «Entdeckungsreise in die Südsee und nach der Beringstraße zur Erforschung einer nordöstl. Durchfahrt in den J. 1815‒18» (3 Bde., Petersb. 1821‒23; deutsch Weim. 1821) und «Neue Reise um die Welt in den J. 1823‒26» (2 Bde., Weim. 1830).

Kotzebue (spr. -buh), Wilhelm von, russ. Diplomat und deutscher Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 19. März 1813 zu Reval, widmete sich der diplomat. Laufbahn, bewirtschaftete dann die Güter seiner Gemahlin in der Moldau und trat erst 1857 wieder in den Staatsdienst als bevollmächtigter Minister in Karlsruhe; er wurde 1870 nach Dresden, 1878 nach Bern versetzt. Seit 1879 lebte er als pensionierter Geheimrat in Dresden, seit 1882 auf seinem Gute Orrenhof in Esthland oder in Dresden und starb 5. Nov. 1887 in Reval. Unter dem Namen W. Augustsohn veröffentlichte er die Dramen «Ein unbarmherziger Freund» und «Zwei Sünderinnen». Anonym erschienen: «Bilder und Skizzen aus der Moldau» (Lpz. 1860), «Kleine Geschichten aus der großen Welt» (Dresd. 1862), «Laskar Viorescu» (Lpz. 1863), «Künstliches und natürliches Leben» (Karlsr. 1869), und unter seinem Namen: die zweite Auflage von «Kleine Geschichten aus der großen Welt» (Lpz. 1880), «August von Kotzebue. Urteile der Zeitgenossen und der Gegenwart. Zusammengestellt» (Dresd. 1884), der Roman «Baron Fritz Reckensteg» (2 Bde., Lpz. 1885) und «Rumän. Volkspoesie. Gesammelt und geordnet von B. Alexandri» (deutsch, Berl. 1857).

Kotzebuesund, Bucht an der Westküste Alaskas in Nordamerika, in die sich eine Anzahl fischreicher Flüsse ergießt. Unter der Sandschicht der Küste, die sich nur an einigen Stellen bis 100 m Höhe erhebt, lagert blauer Thon, der große Mengen fossiler Mammut- und Mastodonreste birgt. Im Südosten der Bucht, die wegen ihres geschützten Ankergrundes von den in der Beringstraße jagenden Thrantierjägern aufgesucht wird, wird von der Chamissoinsel und der Chorishalbinsel die Eschscholtzbai (s. Eschscholtz) abgeschnürt. Otto von Kotzebue entdeckte den Sund 8. Aug. 1816.

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