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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lausitz
Namen führt, die Oberlausitz aber erst seit Ende des
15. Iabrb. irrigerweise ebenfalls so heißt.
Die Oberlaufitz ward etwa seit dem 7. Jahrh,
von dem slaw. Stamme der Milzener bewohnt, der,
von Osten her einwandernd, das fruchtbare, offene ^
Land Mischen der Queis im Osten und dem Pulsnitz- !
flusse im Westen besetzte. Gegen Ende des 10. Jahrh. !
wurden sie von den Markgrafen von Meißen unter- !
worfen und ihr Gebiet dem Deutschen Reiche einver- >
leibt. Ihre Stammesburg Budissin ward jetzt auch !
für die Deutschen der Sitz der militärisch-administra-
tiven Beamten und somit die Hauptstadt des Landes.
Dasselbe wurde nun Gau Milska oder Gau Bu- l
disfin, bald aber Land Budissin genannt und ^
bildete zunächst ein Pertinenzstück der Mark Meißen. !
Zwar bemächtigte sich 1002 der Polenfürst Boleslaw !
Chrobry desselben; allein dessen Sohn Mieczyslaw !
(Miesco) muhte es 1035 wieder an das Deutsche
Reich abtreten. Kaiser Heinrich IV. nahm es 1076 !
dem abtrünnigen Markgrafen Ekbert II. von Meißen l
und gab es dem treu gebliebenenHerzog Wratislaw !
von Böhmen. Diefer aber überließ es 1086 feinem !
Schwiegersohne Wiprecht von Groitzsch. Nach dem ^
Tode von defsen Sohne, Heinrich von Groitzfch i
(1136), gab König Konrad III. das Land Budifsin
abermals an Konrad d. Gr. von Meißen zurück,
aber nach dessen Tode reichte Kaiser Friedrich I.
es 1158 wieder an König Wladiflaw von Böhmen
zu Lehn. In diefe zweite böhm. Epoche fällt die
massenhafte Einwanderung Deutscher von Westen
her, die teils an der uralten, quer durch das Land
führenden Handelsstraße, der "Hohen Straße",
aus altflaw. Dörfern (Kamenz, Löbau, Görlitz,
Lauban) deutsche Städte, teils in den waldigen
Gegenden im Norden und Süden ganz neue deutsche
Dörfer fchufen und fo den Grund zu der allmählichen
Germanisation der größern Hälfte des Landes legten.
Bald nach feinem Regierungsantritt (1253) gab
Ottokar II. von Böhmen das Land als Pfand für
die Mitgift feiner Schwester Beatrix an deren Ge-
mahl, den Markgrafen Otto III. von Brandenburg;
fo bildete dasfelbe 1253-1319 einen Bestandteil
des damaligen brandend. Staates. 1268 wurde das
Land zwischen den beiden Linien der Markgrafen
von Brandenburg in eine westl. Hälfte, das Land
Budijsin (im engern Sinne), und in eine östliche, das
Land Görlitz, geteilt, wodurch die Stadt Görlitz
Hauptstadt der östl. Hälfte wurde. Nach dem Tode
des Markgrafen Waldemar d. Gr. von Branden-
burg (1319) bemächtigte sich Herzog Heinrich von
Iauer, ein Anverwandter desselben, des Landes
Görlitz; das Land Budissin aber stellte sich freiwillig
unter Johann den Luxemburger, als den damaligen
Träger der Krone Böhmen, an die 1346 nach Herzog
Heinrichs Tode auch die östl. Hälfte wieder zurücksiel.
In demfelben Jahre bildete sich der Bund der sog.
Sechsstädte (s. d.), der nach und nach zu einer dem
Adel völlig ebenbürtigen Stellung gelangte. "Land
(d. h. Rittergutsbesitzer) und Städte" blieb seitdem
die Bezeichnung für die beiden Stände des Landes.
Während der hufsitischen Wirren im Königreich
Böhmen hielt dasselbe zur kath. Partei und erkannte
daher später (1467), ebenso wie die Niederlausitz,
König Matthias von Ungarn als Landesherrn an.
Erst durch die ungar. Kanzlei zu Ofen ward jetzt für
das nördlichere, niedrigere, dieser beiden Länder die
Benennung Niederlausitz, für das füdlichere, höhere,
die der Oberlausitz allgemein eingeführt. Seit 1490
wieder mit Böhmen vereinigt, nahm die Oberlausitz
im 16. Jahrh, scbnell und fast durchgängig die Re-
formation an. Als die Sechsstädte im Schmalkal-
dischen Kriege das Hilfstontingent, das sie dem
König Ferdinand von Böhmen hatten stellen müssen,
zu früh abberiefen, wurden sie all ibrer Rechte, Pri-
vilegien und Landgüter verlustig erklärt. Da beim
Beginn des Dreißigjährigen Krieges auch die Ab-
geordneten der Oberlausitz auf dem allgemeinen
Landtage zu Prag Kurfürst Friedrich von der Pfalz
zum König von Böhmen mitwählten, fo unterwarf
1620 Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen im
Auftrage König Ferdinands II. mit Waffengewalt
die beiden L. und erhielt diefelben 1623 zunächst als
Pfand, im Prager Frieden 1635 aber als Erblehn
der Krone Böhmen.
Die Niederlausitz hat ihren Namen von dem
slaw. Stamme der Lusici erhalten, welche von
Vober und Oder im Osteil bis gegen die Schwarze
Elster im Westen hin wohnten, und ward 963 von
Markgraf Gero unterworfen und dem Deutfchen
Reiche einverleibt. Anfangs ein Teil der fog. Ost-
mark, bildete dies Land später eine besondere Mark
L., die nach häufigem Herrscherwechsel 1136 an Kon-
rad d. Gr. von Meißen gelangte und nun, bald mit
Meißen vereinigt, bald wieder davon getrennt, im
Besitze der Wcttiner blieb, bis 1303 Diezmann sich
genötigt sah, dies sein Land an die Markgrafen
von Brandenburg zu veräußern. So standen jetzt
die beiden L. auf kurze Zeit gemeinsam unter den
brandend. Askaniern. Als 1319 mit Waldemar
d. Gr. dies Haus erlosch, übergab König Ludwig
der Bayer Brandenburg und die übrigen noch damit
verbundenen Länder 1324 seinem Sohne Ludwig zu
Lehn. Von den Wittelsbachern wurde die Nieder-
lausitz mehrfach an benachbarte Fürsten (Meißen,
Schweidnitz) verpfändet und endlich 1373 völlig an
Kaifer Karl IV. abgetreten. Seitdem dem böhm.
Staatswefen inkorporiert, hatte sie, einzelne neue
Verpfändungen abgerechnet, mit der Oberlausitz
gleiche Landesherren und gleiche Schicksale. Durch
den Traditionsreceß vom 30. Mai 1635 und den
Traditionsabschied vom 24. April 1636 wurden die
beiden L. völlig an Kursachsen abgetreten. 1815 kam
die gesamte Niederlausitz und die Hälfte der Ober-
lausitz von Sachsen an Preußen.
Die Niederlausitz (6841 ykm mit 415000 E.,
wovon 50000 Wenden, Nachkommen der slaw.
Lnsici) wurde von Preußen zur Provinz Branden-
burg gescklagen und bildet hier die Kreise Luckau,
Sorau, Guben, Lübben, Calau, Spremberg und
Cottbus; die östl. und ndrdl. Oberlausitz (3400 ^m
mit 253000 E., wovon 32000 Wenden, Nachkom-
men der slaw. Milzener) bildet die Kreise Görlitz,
Rothenburg, Hoyerswerda und Lauban der Provinz
Schlesien. Der einst fast völlig autonome Landtag
hat jetzt wesentlich nur noch die Verwaltung der
diesen Landschaften zustehenden Stiftungen und
Gelder. Die sächs. Oberlausitz (2300 hkm mit
300000 E., wovon 50000 Wenden) bildete auch
nach 1815 einen besondern, von den sächs. Erb-
landen geschiedenen Kreis, später wenigstens den
Hauptbestandteil der Kreishauptmannschaft Bautzen
(s. d.), und hat das Recht behalten, den auf den
allgemeinen Landtagen des Königreichs Sachfen
vereinbarten Gefetzen anf den jährlich dreimal zu
Vautzen abgehaltenen Partikularlandtagen noch ihre
fpecielle Genehmigung erteilen zu dürfen.
! Vgl. Käusser, Abriß der Oberlausitzer Geschichte
! (3 Bde., Görl. 1803); Th. Schell;, Gesamtgeschichte