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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lissabon

dung gebildeten Bucht, die hier 8, oberhalb L. aber 18 km Breite besitzt. Der Tejo, der beim Verlassen der Bucht 1100 m breit ist, mißt bei der Vorstadt Belem bereits 2400 m. Zwischen Belem und dem Zollhause findet sich der Hauptankerplatz für die größten Schiffe, namentlich die Kriegsschiffe. Die Flut reicht bis Villa Franca de Xira den Flnß hinauf. Das Klima ist gemäßigt: Maximaltemperatur 38,8, Minnnaltemperatur -1,5, inittlere Jahrestemperatur 15,51 °C., Durchschnitt im Sommer 21°, im Herbst 16,7, im Frühling 14,5, im Winter 10° C. Mai bis Oktober sind regenarm, doch bringen die Nächte starke Abkühlung. Im Winter tritt der Temperaturwechsel häufiger und schroffer auf.(Hierzu ein Plan.)

^[Abb.]

Umfang und Bevölkerung. Das Weichbild bezeichnet eine von Sacavem im O. bis an die Brücke von Alges gezogene Ringstraße und umfaßt 12 722 ha, gegen 1533 ha im I^ 1885; doch ist das alte Weichbild innerhalb der Estrada da circumvalla/c/ao sehr weitläufig, das neuere nur stellenweise bebaut; Belem ist hier die einzige stadtartige Ansiedelung. L. hatte mit Belem (1890) 307 691, (1891) 308 701 E., gegen 242 297 E. im J. 1878. Die Bevölkerung ist fast ausschließlich katholisch. Zu den Fremdenkolonien liefern besonders Deutschland, Brasilien, Frankreich, England und vor allem Spanien ein starkes Kontingent. Letzteres ist allein mit etwa 30 000 Gallegos aus Galicien (s. d.) vertreten. Anßerdem trifft man viele Neger und Mulatten aus den portug. Kolonien. Im Distrikt L. (617 191 E. auf 7460 qkm, also 83 auf 1 qkm) betrug 1890 die Zahl der Geburten 17 748 (3241 unehelich), der Todesfälle 15 866, der Eheschließnngen 4062.

Anlage, Straßen und Plätze. L. zerfällt in vier Stadtviertel (bairros). Das östl. Viertel ist derjenige Stadtteil, der von dem Erdbeben 1755 verschont blieb nnd, wenigstens in seinem untern Teile, Alfama, durch sein Gewirr enger Gäßchen mit altertümlichen Häusern an vergangene Zeiten erinnert. Er schließt das ehemalige römische wie maurische L. in sich. Nur Mauerreste und drei Türme erinnern an die Festung der Araber, die von Ferdinand von Portugal im 14. Jahrh. angelegten Werke sind fast ganz verschwunden. Jetzt ist L. eine offene Stadt; im neuen Weichbild ist sie durch eine von Sacavem im O. bis Caxias im W. gezogene 40 km lange Militärstraße (Estrada militar) geschützt, die ihrerseits wieder außer den flankierenden Forts durch die Forts von Ameixoeira, Alto de Duque, das aus einer Cirkularredoute und drei Lünetten bestehende verschanzte Lager von Monsanto sowie durcb mehrere Hilfswerke gedeckt ist. Sehr stark ist die Tejomündung befestigt. In Belem erhebt sich die zur Zeit der Ebbe freistehende Torre de Belem (1520 vollendet), ein schöner Bau, teils maur., teils got. Stils. Auf dem linken Ufer liegt dem Kastell von S/ao Jörge gegenüber das von Almada, das, wie fast alle andern militärisch vernachlässigt, eine schöne Aussicht auf die ganze, amphitheatralisch aufsteigende Stadt gewährt.

Unter den öffentlichen Anlagen verdienen besondere Erwähnung der 70 m hoch gelegene schöne Estrellagarten, der botan. Garten der Polytechnischen Schule, der einen großartigen Blick über die Avenida und die untere Stadt (Baira) nach den östlich gegenüber liegenden Hügeln Castello de S/ao Jörge (95 m), Graca (80 m, Monte (100 m), Penhaoe Fran/ca (110 m) gestattet. Die vornehmste Straße ist die Avenida, die, 80 m breit, neben zwei Fahrwegen zwei mit Anlagen und Springbrunnen geschmückte Promenaden enthält. Ferner sind zu erwähnen die Pra/ca do Principe Real, ein schöner viereckiger schattiger Garten, der Garten S/ao Pedro de Alcantara, die Tapada in Alcantara, ein großer königl. Park, der zoolog. Garten im Norden der Stadt und der große Park in Campo Grande.

Außerdem enthält L. etwa 50 größere und kleinere Plätze (Pra/cas und Largos), darunter die Pra/ca do Commercio, auch Terreiro do Pa/co genannt, etwa 1750 m lang und 1100 in breit, auf der Südseite vom Fluß, im O. von der Alsandega (Zollamt) und Börse, im W. von dem Generalpostamt und von den Ministerien eingefaßt, und die schöne Pra/ca de Dom Pedro IV. oder do Rocio, ein 105 m langer und 92 m breiter Platz. Beide Plätze sind durch sieben parallele Straßen verbunden, wie die Rua Aurea (auch Rua d'Ouro) und Rua Augusta, die mit einem großen Triumphbogen beginnt, und die Rua da Prata, die bis zur Markthalle führt. In frühester Zeit streckte der Fluß durch das vom Castello de S/ao Jörge und dem gegenüber liegenden Hügel S/ao Roque gebildete Thal, die heutige untere Stadt, einen Arm, der sich am nördl. Ende des heutigen Rocio nach rechts und links teilte. Infolge des Erdbebens drang die Flut wieder durch diesen Teil der Stadt, so daß die heutigen Häuser auf Pfahlbauten ruhen. Sämtliche Straßen haben durchweg Steinpflaster oder sind chaussiert.

L. besitzt im ganzen über 200 Kirchen, darunter 66 Parochialkirchen. Dem Protestantismus gehören eine deutsche, eine anglikanische, eine schottisch-presbyterianische und eine portugiesische an. Die älteste Parochialkirche ist die Kirche dos Martyres; sie verdankt ihre Gründnng den Kreuzfahrern, welche 1147 L. eroberten. Die Kirche Sta. Maria de Belem, von Emanuel d. Gr. gestiftet, heute teilweise zerfallen, ist ein gewaltiges Gebäude in halb maur.-byzant., halb röm.-got. Stil mit einein prachtvoll verzierten Kreuzgang. Die Kirche birgt die Grabmäler Emanuels d. Gr., Johanns III., Alfons' IV. und des Kardinals Heinrich. In dem nordöstl. Flügel, dem ehemaligen Hieronymuskloster, befindet sich ein großartiges Waisenhaus (Casa Pia) nebst chem. Laboratorien, im westlichen eine permanente Industrieausstellung. Die Jesuiten erbauten die Kirche S/ao Roque auf gleichnamigem Hügel; in der Johanniskapelle trifft man kostbare Mosaikgemälde und Skulpturen.

Die Estrellakirche ist reich an Marmorskulpturen und Gemälden; sie enthält ein kostbares Mausoleum ihrer Gründerin Dona Maria I. und gewährt von ihrer Kuppel aus einen herrlichen Blick auf Stadt und Fluß. Die Patriarchalkirche Sé, die älteste, wurde zweimal von den Arabern in eine Moschee verwandelt. Sie hat drei Schiffe und birgt die Gräber Johanns IV. und seiner Gemahlin. Die Klosterkirche S/ao Vicente de Fóra ist die Begräbnisstätte der portug. Könige. Das ehemalige Kloster ist heute die Residenz des Patriarchen und zugleich des Erzbischofs von Mitylene. Die größte und zugleich eine der reichsten Kirchen ist S/ao Domingos; sie hat nur ein von rosafarbenen Säulen getragenes Schiff und dient besonders zu kirchlichen Staatsceremonien. Sämtliche Klöster verfallen mit dem Tode des letzten Insassen dem Fiskus.