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Lissabon
Keins der weltlichen Gebäude mit Einschluß der königl. Schlösser ragt durch architektonische Schönheit hervor. Von den Schlössern bewohnt der König jetzt den 1743 angefangenen und 1750 vollendeten Pa/co das Necessidades mit Park und Kirche. Frühere Residenz ist der Pa/co de Belem.
Neben dem Palast ist die königl. Reitschule. Der Pa/co d'Ajuda auf einer Anhöbe, 1 km nördlich vom vorigen, ist ein gewaltiges viereckiges, doch noch unvollendet gebliebenes Bauwerk mit einem Naturalienkabinett und wertvollen Sammlungen. Daneben sind zu nennen: die Münze (schon seit 1720) mit Stempelfabrik, die Staatsdruckerei, das 1834 zum Parlamentsgebäude erhobene ehemalige Benediktinerkloster (Palaxio das Córtes) mit dem Staatsarchiv (Torre de Tombo), das Stadthaus (Camara Municipal, 1875) mit seinen Marmortreppen, das Marine-Arsenal, die Stadt- und Polizeipräfektur, das Kriegsarsenal, die Markthalle und das Schlachthaus im Norden der Stadt. Außerdem giebt es ein großes Zellengefängnis (Pentitenciara), ein Gefängnis für Männer (Limociro, einst ein königl. Schloß), ein Frauengefängnis (Aljube) und eine Besserungsanstalt für verwahrloste Kinder in dem ehemaligen Kloster der heil. Monica.
L. hat nur sieben Denkmäler: das bronzene Reiterstandbild König Josephs I., die Statuen der Herzöge und Marschälle von Terceira und von Sá da Bandeira, das von Cam/oes (seit 1867), die Bronzestatue Dom Pedros IV. und das Monumento dos Restauradores de Portugal, der Befreiung vom
span. Joch (1640) gewidmet.
Die Verwaltung liegt in den Händen von 25 Ratsherren (Vereadores), an deren Spitze ein Bürgermeister (Presidente da Mamara Municipal) steht. Der Sicherheitsdienst wird von einer Militär- und einer Civilpolizei gehandhabt; erstere (Guarda municipal) besteht aus 4 Schwadronen Kavallerie und 6 Compagnien Infanterie; letztere zählt etwa 1000 Mann. Die Feuerwehr zählt ungefähr 600 Mann, 32 Stationen mit ebensoviel Spritzen, 6 Dampfspritzen, 3 Stationen mit 12 Leiterwagen. Die Stadt wird außer durch das schlechte Wasser der Hausbrunnen durch zwei Wasserleitungen versorgt, durch den Aqueducto das Aguas Livres und den Kanal von Alviclla. Ersterer, unter Johann V. (1732-38) begonnen und 1749 vollendet, beginnt ungefähr 10 km von L. Von seinen 127 Bogen sind die, welche das Thal von Alcantara überschreiten, besonders großartig. Der Kanal von Alviella (1871-80 erbaut) erhält seine Wasser aus dem Flüßchen Alviella, ungefähr 30 Km von L., besitzt 111 Arkaden und 94 Tunnel. Die Kosten betrugen 3500 Contos de Re/is (15 1/1 Mill. M.). 1892 verbrauchte die Stadt 8 165 386 cbm Wasser. 13 Behälter führen das Wasser den Häusern zu und speisen 59 öffentliche Brunnen (chafarizes). Die Kanalisation hatte bis 1892 eine Länge von 176 521,5 m in eisernen Röhren und umfaßte 12 267 Grundstücke. - Mit Ausnahme von wenigen Privatgebänden und der Avenida da Liberdade, die elektrische Beleuchtung besitzt, zählt die öffentliche Beleuchtung 8000 Gaslampen. Die Straßenreinigung ist noch mangelhaft. L. besitzt mehrere Mineralquellen, die durchschnittlich 12 mg Schwefelstoff per Liter enthalten und gegen Hautkrankheiten und Rheumatismus benutzt werden. Sehr beliebt sind die Bäder im Fluß und an der See.
Unter den Gemeinnützigen Anstalten sind 13 meist aus Privatmitteln erhaltene Hospitäler, worunter ein französisches (Asylo de S/ao Luiz) und ein englisches. Unter den 9 portugiesischen befindet sich ein Marine- und ein Militärhospital, ein Hospital für Aussätzige, das noch von den Kreuzzügen her datiert und seit 1849 mit dem St. Josephshospital verbunden ist. Letzteres (Hospital Real de S/ao José) vereinigt eine Menge kleiner Krankenhäuser. Ferner enthält L. eine Irrenanstalt (Rilhafolles), eine Blindenanstalt, ein neuerdings geschaffenes bakteriologisches und ophthalmologisches Institut sowie ein Quarantänelazarett auf dem linken Flußufer, Belem gegenüber. Daneben sind zu nennen: die Santa Casa da Misericordia, das Findelhaus, das große Waisenhaus, Casa Pia, in den Räumen des Hieronymitenklosters in Belem sowie die öffentliche Speiseanstalt. Die wichtigste Freimaurerloge ist O Grando Oriente Lusitano.
Bildungswesen. L. besitzt eine Polytechnische Schule (500 Studierende), eine mediz.-chirurg. Akademie, eine Kadettenanstalt (Escola do Exercito), eine Gewerbeanstalt nebst Handelsschule, eine Gewerbeschule, eine mit Tierarzneikunde (1830) verbundene landwirtschaftliche Schule (Instituto Real de Agronomioet Veterinaria), eine Marineschule, eine Akademie der schönen Künste, ein königl. Konservatorium für Musik und dramat. Unterricht, eine königl. Akademie der Wissenschaften, eine Geographische Gesellschaft, eine Gesellschaft der mediz. Wissenschaften, ein Geodätisches Institut, eine höhere wissenschaftliche Anstalt, eine Akademie für Musikliebhaber. Für die Pflege des Körpers sorgt ein Turnverein (Real Gymnasio Club). Die Escola do Exercito betrachtet als Hauptaufgabe das Studium des Festungswesens und der Artillerie. Der Besuch des Lyceums oder Teilnahme an den Schlußprüfungen für einzelne Fächer ist Vorbedingung für den Zutritt zu den höhern Lehranstalten. Außerdem bestehen 59 Gemeindeschulen, die nach Geschlechtern getrennt sind und teilweise Vorbereitungsanstalten für Elementarlehrer bilden. Für diese Schulen unterhält die Stadt mehrere Bibliotheken. Ferner befinden sich hier mehrere Asyle für die Erziehung armer Kinder, für Blinde und Kleinkinderbewahranstalten. Höhern Studienzwecken dienen besonders die Bibliotheca Publica und die Bibliothek der Wissenschaften. Erstere enthält ungefähr 300 000 Bände nebst 952 Paläotypen, 7349 Handschriften und eine reiche Münzsammlung. Auch das Staatsarchiv, Torre do Tombo, enthält eine Menge von Dokumenten, darunter 82 902 allein auf Indien bezügliche Handschriften. Hierher gehören ferner die verschiedenen Museen (Museu Colonial, Mueu Industrial Commercial, Museu Militar, Museu Agricola e Florestel, Museu Nacional de Historia Natural), das astronomische wie meteorolog. Observatorium der Polytechnischen Schule. Mit der Polytechnischen Schule ist ein botan. Garten verbunden. Theater giebt es 7, darunter das 1846 eröffnete und an der Nordseite des Rocio gelegene Theater Dona Maria II., meist Theatro Normal genannt. Opern giebt das Theatro de S/ao Carlos. Sehr beliebt sind die Stiergefechte. Neben vielen Fachschriften, Witzblättern erscheinen 22 polit. Zeitungen (6 republikanische, 3 liberale, 8 konservative).
Industrie, Handel und Verkehr. In industrieller Beziehung hat L. Fortschritte gemacht. Außer der Anfertigung von Schmucksachen, Filigran-, Gold- und Silberwaren, einer hier uralten Industrie, bestehen in L. und nächster Umgebung Kork-, Tabak-,