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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lokomotive

Gewicht der L. gleichmäßig auf die Radachsen zu verteilen, sind an besondern Hebelverbindungen Federn s angebracht, aus denen die ganze Maschine ruht. Die Art der Verteilung der Achsen unter der L. ist je nach dem Zweck derselben verschieden. Bei Güterzuglokomotiven, bei welchen das ganze Gewicht für die Reibung und Zugkraft nutzbar gemacht werden soll, werden alle Räder gekuppelt. Die Räder stehen dann unter dem Kessel zwischen Feuerbüchse und Rauchkammer (Taf. I, Fig. 9 u. 10). Man verwendet Güterzuglokomotiven, welche bis zu 10 Rädern haben, von denen 8 gekuppelt sind (Taf. I, Fig. 10). Bei der neuen fünfachsigen L. (Taf. III, Fig. 3) für den St. Clair-Tunnel (zwischen Port-Sarnia, Ontario und Port-Huron, Michigan) sind sogar alle fünf Achsen gekuppelt, wodurch die 88,5 t wiegende Maschine im stande ist, in dem 1:50 geneigten Tunnel 770 t zu ziehen. Bei L. für gemischten Dienst, d. h. solchen L., die sowohl zum Bewegen von Güterzügen als von mäßig schnell zu befördernden Personenzügen verwendet werden, sind meist nur zwei Achsen gekuppelt, von denen eine hinter dem Feuerkasten liegt. Schnellzuglokomotiven haben nur eine Triebachse, wenn nur mäßige Lasten auf Bahnen mit geringen Steigungen bewegt werden sollen. Für schwerere Züge und größere Steigungen baut man solche mit zwei gekuppelten Achsen (Taf. I, Fig. 9); die entsprechende preuß. Schnellzuglokomotive hat dieselbe Bauart, wie die Taf. I, Fig. 7 abgebildete Personenzuglokomotive. Zur Mitführung des erforderlichen Brennmaterials und Wassers wird der L. ein besonderer vier- bis achträderiger Wagen, der Tender, angehängt. Das Wasser befindet sich auf diesem Wagen in einer meist hufeisenförmigen blechernen Cisterne, die den ganzen obern Raum des Tenders umfaßt. Der Inhalt dieser Cisterne beträgt etwa 10 cbm. In der Öffnung des Hufeisens liegt das Brennmaterial. Um die Zeit zu sparen, welche nötig ist, einen Tender in gewöhnlicher Weise durch die auf den Bahnhöfen angebrachten Wasserkrane mit Wasser zu füllen, hat der Amerikaner Ramsbottom am Tender Füllschläuche angebracht, durch welche derselbe sich während der Fahrt aus Wasserrinnen, welche an einzelnen Stellen auf der Strecke zwischen den Schienen angebracht sind, selbstthätig füllt (Taf. I, Fig. 8). Es wird hierdurch möglich gemacht, daß Expreßzüge sehr weite Strecken durchlaufen können, ohne anzuhalten. Das Bestreben, das tote (nicht zur Erhöhung der Zugkraft beitragende) Gewicht des Tenders zu beseitigen, hat Veranlassung zum Bau der sog. Tenderlokomotiven (z. B. Tas. III, Fig. 4) gegeben. Diesen L. wird kein besonderer Tender angehängt, sondern sie führen das Brennmaterial und Wasser selbst mit. Das Wasser befindet sich in Kästen zu beiden Seiten des Kessels, die Kohlen bisweilen in einem Kasten hinter dem Führerstand. Die feuerlosen L., die bei Straßenbahnen (s. d.) Anwendung finden, haben keine Vorräte an Wasser und Kohlen mitzuschleppen. Außer den Bremsen (s. Eisenbahnbremsen) wird als Mittel, um eine Hemmung in der Bewegung der L. eintreten zu lassen, das Geben von Gegendampf oder das Reversieren angewandt. Da hierbei die heißtrockne unreine Luft des Rauchkastens in die Cylinder gesaugt wird und letztere dadurch ebenso wie Kolben und Schieber stark leiden, so wird dieses Bremsmittel nur in Notfällen gebraucht. Unschädlich ist das Geben von Gegendampf bei Anwendung der von Lechatelier erfundenen Vorrichtung, bei welcher es mittels eines Hahns oder zweier Ventile möglich ist, Wasser und Dampf aus dem Kessel durch ein gemeinschaftliches Rohr in die Cylinder zu führen, wodurch die Rauchkastenluft abgehalten wird.

Dem Lokomotivführer sind von seinem Standorte (Taf. II, Fig. 3) hinter dem Feuerkasten alle Vorrichtungen zugänglich, durch welche die Funktionen der L. geleitet und geprüft werden. Vor sich hat er den Griff des Regulatorhebels l, der den Dampfzutritt in die Cylinder öffnet, die Steuerungsvorrichtung t meist zur Rechten. Es befinden sich ferner an der Wand der Feuerbüchse die Probierhähne u und das Wasserstandsglas v, durch welche der Stand des Wassers im Kessel erkannt wird, das Manometer w und ein Hahn, durch welchen Dampf aus dem Kessel in den Tender zum Wärmen des Wassers in demselben gelassen werden kann. Vom Führerstande aus sind sodann noch zu handhaben die Vorrichtungen zur Ingangsetzung der Injektoren sowie die Vorrichtungen zur Regulierung des Luftzugs im Schornstein, Handhaben x, x zum Öffnen und Schließen des Aschenkastens y, zum Öffnen und Schließen der Hähne an den Cylindern (Zischhähne), durch welche das sich hier ansammelnde Kondensationswasser abgelassen wird. Zu erwähnen ist schließlich noch der Sandkasten z (Taf. II, Fig. 1), welcher auf dem Kessel angebracht ist und aus welchem man durch das Leitungsrohr Sand vor die Triebräder auf die Schienen streuen kann, wenn die Räder wegen zu großer Schlüpfrigkeit der Schienen nicht greifen. Auch die Luftdruckbremse, hier nicht vorhanden, wird vom Führerstand aus in Gang gesetzt.

Das Eigengewicht der L., des Tenders und der darangehängten Wagen heißt das Zuggewicht, die Massen, welche transportiert werden, bilden die Nutzlast. Der Betrieb gestaltet sich um so günstiger, je größer die Nutzlast im Verhältnis zum Zuggewicht ist. Eine Personenzuglokomotive wiegt im Mittel etwa 30 t, eine L. für gemischte Züge etwa 40 t, schwere Güterzuglokomotiven bis zu 50 t (die oben erwähnte L. für den St. Clair-Tunnel 88,5 t); ein Tender wiegt im gefüllten Zustand etwa 30 t. Die Leistung, welche eine Güterzuglokomotive entwickelt, variiert zwischen 250 und 450 Pferdestärken. Solche L. ziehen auf ebener Eisenbahn Lasten von 600 bis 1000 t mit einer Geschwindigkeit bis zu 45 km in der Stunde, wobei sie auf den durchlaufenen Kilometer Bahnlänge 14-23 kg Steinkohlen verbrauchen und oft über 3000 kg Wasser in der Stunde verdampfen. Die Stärke der Schnellzuglokomotive wechselt zwischen 300 und 500 Pferdestärken. Gute L. dieser Art ziehen Lasten bis 150 t mit einer Geschwindigkeit bis zu 90 km in der Stunde. (S. Eisenbahnstatistik, Bd. 5, S. 886 b.)

Um Bahnstrecken durchfahren zu können, welche Krümmungen mit kleinen Halbmessern haben, werden die Räder der L., nicht wie dies gewöhnlich geschieht, steif in gerader Linie im Rahmen vereinigt, sondern es werden die Maschinen so konstruiert, daß das Vorderteil, für welches ein besonderes Rahmenstück angeordnet wird, um einen Zapfen drehbar ist, so daß sich die Achsen den Krümmungen leichter anschmiegen. Bei solchen Maschinen und Tendern ruhen dann meist je vier Räder vereinigt in einem Rahmenstück. An der Taf. III, Fig.1, dargestellten nordamerik. Schnellzuglokomotive, welche dieses Drehgestell zeigt, ist vorn der sog. Cowcatcher