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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lokomotive

(s. d.) als Bahnräumer angebracht, der auch zuweilen bei europäischen L. (Taf. I, Fig. 9) anzutreffen ist. Das Drehgestell ist auch bereits bei neuern deutschen Schnellzuglokomotiven angewendet worden. Für Schmalspurbahnen hat man oft vierräderige L. von der in Taf. I, Fig. 11, dargestellten Bauart. Derselbe Typus wird auch für Feldbahnen angewendet. Über Straßenbahnlokomotiven s. Straßenbahnen.

Die Zugkraft, welche von einer L. zur Fortbewegung einer Last auf horizontaler Bahn aufgewendet werden muß, welche also die Reibung zwischen den Rädern der angehängten Wagen und den Schienen zu überwinden hat, beträgt nur einen verhältnismäßig geringen Bruchteil der zu bewegenden Last, etwa 1/240. Wenn aber die Bahn ansteigt, so ist auch noch Kraft zum Heben der Last auf die entsprechende Höhe notwendig. Für Bahnen mit starker Steigung werden deshalb besonders starke und schwere L. notwendig; so beträgt die Leistung der Doppellokomotive für den Gotthardtunnel (s. unten) etwa 700 Pferdestärken. Die stärkste Steigung, welche noch mit gewöhnlichen, durch die Adhäsion zwischen Schienen und Rädern wirkenden L. betrieben werden kann, ist etwa 1:20. Für größere Steigungen wandte man früher an den steilsten Stellen stationäre Dampfmaschinen an, welche die Züge mittels starker auf Trommeln gewundener Seile emporzogen (s. Seilebenen). In neuerer Zeit sind für große Steigungen verschiedene Bergbahnsysteme konstruiert worden (s. Bergbahnen).

Die Bestrebungen der neuesten Zeit, die L. zu vervollkommnen, sind sowohl auf Verbesserung des Kessels wie der Maschine gerichtet. Der Lokomotivkessel, wie er oben beschrieben ist, bestehend aus dem cylindrischen Langkessel, der die Heizröhren, und dem kastenförmigen Vorderkessel, der die Feuerbüchse enthält, erfährt seiner zusammengesetzten Bauart wegen im Betriebe große Formänderungen, die durch starke Verankerungen in gewissen Grenzen gehalten werden müssen. Die Herstellung eines Lokomotivkessels einfacher stabiler Form, so daß die Verankerung entbehrlich würde, müßte den Betrieb weit sicherer machen. Ein einfacher cylindrischer Außenkessel gestattet jedoch den Einbau der notwendigen großen Feuerungsanlage nicht. Von Interesse ist die von Lentz vorgeschlagene und in Taf. II, Fig. 7, dargestellte Bauart, wonach der Langkessel aus zwei kegelstumpfförmigen, mit den weitern Seiten verbundenen Teilen besteht, deren hinterer, etwas nach vorn ansteigend angeordneter die Feuerbüchse aus Wellrohr enthält. Die ankerlosen Kessel ermöglichen eine weitere Steigerung des Dampfdruckes. Die Bestrebungen, die Lokomotivmaschine zu verbessern, richten sich dahin, den Betrieb ökonomischer zu gestalten. Da bei den stationären Dampfmaschinen und Schiffsmaschinen durch die Einführung der Compoundmaschine (s. Dampfmaschine) ein so bedeutender Fortschritt in Bezug auf Dampfverbrauch erreicht wurde, lag es nahe, das Compoundsystem auch auf die Lokomotivmaschine anzuwenden. Seit der Mitte der siebziger Jahre sind die sog. Compoundlokomotiven verschiedener Systeme in Betrieb, mit denen man eine Kohlenersparnis von 20 bis 37,85 Proz. erzielt. Das verbreitetste und zugleich älteste, schon 1876 von Mallet angegebene System ist das der Compoundlokomotive mit zwei Cylindern. Es werden dabei für das Anfahren besondere Konstruktionen notwendig; denn da der Kesseldampf während des normalen Ganges erst in den kleinern Cylinder und aus diesem in den größern tritt, beim Anfahren aber beide Cylinder mit Dampf gleichzeitig versehen werden müssen, macht sich eine Einrichtung notwendig, den Kesseldampf mit reduziertem Druck dem größern Cylinder direkt zuzuführen. Solche Anfahrvorrichtungen, deren Öffnen und Schließen direkt durch Bewegung des Steuerhebels mit erfolgt, sind von Borries, Lindner u. a. konstruiert worden. Den Querschnitt durch die Dampfcylinder einer Malletschen Compoundlokomotive giebt Taf. II, Fig. 5. Taf. II, Fig. 6, zeigt Wordsells Verbundsystem (1890) mit innenliegenden Cylindern. Als weiteres System ist das der dreicylindrigen Compoundlokomotive zu nennen. L. dieses Systems erhalten nach Webb (1878) zwei außerhalb des Rahmens angebrachte Hochdruckcylinder, von denen aus die hintere Achse angetrieben wird, und einen in der Mitte angeordneten Niederdruckcylinder, dessen Getriebe an der gekröpften Mittelachse angreift. Durch Teilung des Niederdruckcylinders erhält man die Compoundlokomotive mit zwei Hochdruck- und zwei Niederdruckcylindern, von denen die einen außerhalb des Rahmens liegen können. Endlich sind noch Güterzugmaschinen mit vier Cylindern gebaut worden, bei denen jederseits des Rahmens außen je ein Hoch- und Niederdruckcylinder hintereinander angebracht sind, wie bei der Doppellokomotive für die Gotthardbahn (s. unten).

Um besonders hohe Leistungen zu erreichen, hat die neueste Zeit namentlich zwei Konstruktionen gefördert: die Doppellokomotive und die L. mit Doppelkessel. Die erstere, von Fairlie schon 1870 für Schmalspurbahnen konstruiert, ist eine Vereinigung von zwei Maschinen zu einem Ganzen, wodurch nur ein Kessel und nur ein Führerstand nötig ist. Von dieser Bauart, und zwar nach dem Compoundsystem, ist die von Maffei in München gebaute Doppel(Duplex-)lokomotive der Gotthardbahn (Taf. III, Fig. 4). Sie hat 67 t Leergewicht, 9 t Zugkraft und eine totale Länge von 13,776 m. Eine L. mit Doppelkessel ist die von Salomon & Flaman für die franz. Ostbahn gebaute L., bei welcher der Kessel in der Höhenrichtung vergrößert ist, indem über dem untern Siederohrkessel ein Kessel ohne Siederöhren angebracht ist, welche Konstruktion zugleich eine Erhöhung der Feuerbüchse erlaubt (Taf. III, Fig. 5).

Allen L. mit Dampfmaschinen als Motor haftet der bedeutende Mangel an, daß die sehr rasch hin und her gehenden Teile (Kolben, Kolbenstange, Kreuzkopf) und die außerdem auf und ab gebenden Pleuel- und Kuppelstangen eine Anzahl Massenbewegungen erzeugen, die für den ruhigen Gang der Maschine von schädlichem Einfluß sind. (S. Störende Bewegungen.) Durch geeignete Verteilung der Massen, Anbringung von Gegengewichten an den Rädern u. s. w. kann man diese für die Betriebssicherheit sehr nachteiligen Bewegungen wohl herabsetzen, aber nie ganz aufheben; letzteres würde durch Anwendung rotierender Dampfmaschinen (s. d., Bd. 4, S. 743 b) oder Dampfturbinen (s. d.) möglich sein, wenn man den geringen Wirkungsgrad solcher Maschinen mit in den Kauf nehmen wollte. Mehr Aussicht auf Verwirklichung in dieser Beziehung hat die Anwendung der ebenfalls keine störenden Bewegungen hervorrufenden Elektromotoren, die sich bei Straßenbahnen längst bewährt haben. Auf der Chicagoer Weltausstellung 1893 befand sich eine für Hauptbahnen konstruierte elektrische L. (Taf. III, Fig. 2), bei welcher der Strom den zwei in der Maschine gelager-^[folgende Seite]