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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lyon

armee. L. ist seit 1874 durch einen zweiten, äußern Gürtel von Forts, welche die ältern, innerhalb gelegenen in einem Kreis von 80 km Ausdehnung umspannen und 8‒12 km von der Kernumwallung entfernt sind, zur zweitstärksten Festung Frankreichs erhoben worden. Von den ältern Forts sind die einen selbst in der Stadt, aus dem Plateau de la Croix-Rousse oder dem von Fourvière gelegen: Maupetit (früher St. Jean), Blandan (Loyasse), Castellane (St. Laurent), Berruyer (St. Just), Dubois-Crancé (St. Irénée); die andern sind nur 1‒5 km vor die Stadt vorgeschoben, auf dem linken Rhôneufer: Chabert (La Vitriolerie), Montluc (Villeurbanne), im Winkel zwischen Rhône und Saône Montessuy und St. André (Caluire), am rechten Saône- und Rhôneufer Villepatour (La Duchère) und Lapoype (Ste. Foy). Die neuen Forts des linken Rhôneufers sind: Oudinot (Feyzin) zur Beherrschung des Rhônethals und der Bahn nach Marseille, 9 km von der Stadt, Lannes (Corbas, 9 km) und Turenne (St. Priest, 11 km), Séréziat (Bélair, 8 km), Masséna (Bron, 8 km) und Bessières (Genas, 13 km) im O. von L. Im Winkel zwischen Rhône und Saône liegt Guébriant (Bancia, 12 km), Gribeauval (Sermenaz, 10 km). Auf dem rechten Saôneufer folgt das starke Fort Ravailles (Mont-Verdun, 9 km), der Schlüsselpunkt der Verteidigung gegen N., mit drei Anschlußbatterien, und Fort Vauban (Paillet), im W. Fort Chapoly (Montrichard), Fort und Batterie du Bruissin (10 km); im S. Fort d’Aubigny (de Lorette, 10 km) und auf dem Plateau von Irigny die Forts Montcorin und Colbert (Champvillars, 12 km).

Industrie, Handel und Verkehr. Die Seidenindustrie ist die wichtigste in L. und die Seidenstoffe sind weltberühmt. Im Anfang des 19. Jahrh. zählte man ungefähr 4000 Webstühle. Aber nachdem Jacquard (s. d.) seinen Webstuhl erfunden hatte, stieg die Zahl schnell. 1894 arbeiteten 85000 Webstühle für die Seidenfabrikanten, darunter 16000 in L., die andern in der Umgebung. Außerdem existieren auch 25000 mechan. Webstühle in 230 Fabriken in dem Depart. Rhône und den angrenzenden Departements, welche, wie die Handwebstühle, für die Seidenfabrikanten von L. arbeiten. Man erzeugt alle Arten von Seidenstoffen; in den letzten Jahren sind Schnürungen, gemusterte und einfarbige Stoffe, Surrah-, Moiré-, Sammet- und Atlasstoffe, chines. Kreppe und Musseline besonders wichtig geworden. Seidenweber giebt es etwa 95000; rechnet man die Spuler, Zettler, Arbeiter in Färbereien, Appreturanstalten u. s. w. dazu, so beschäftigt die Seidenindustrie in und um L. 210000 männl. und weibl. Arbeiter. Fabriken bestehen 310; Ein- und Verkäufer der Seidenwaren werden 320, Seidenhändler etwa 70 gezählt. Die Fabrikate gehen vornehmlich nach Nordamerika (etwa für 50, vor den hohen Eingangszöllen 100 Mill. Frs.), nach England, China, Japan und Indien. Die Exportziffern betragen 250 Mill. Frs. für die Seidenstoffe und 120 bis 150 Mill. Frs. für verarbeitete Stoffe, wie Modewarenstoffe, Kleider- oder Regenschirmstoffe u. s. w. Man zählt über 75 Appreturanstalten, 89 Färbereien mit 6000 Arbeitern. Die Gold- und Silberwirkerei beschäftigt 1000 Arbeiter in 70 Fabriken, 27 Fabriken bestehen für Seiden- und Wollposamenterien.

Von andern Betrieben sind besonders zu nennen: 12 große Maschinenbauanstalten, die Werkstätte der Mittelmeerbahn, Herstellung von Bijouterie- und Goldschmiedearbeit (jährlich 8 Mill. Frs.), Leonischen Waren (s. d.), ital. Nudeln (jährliche Produktion 12 Mill. Frs.); Buntpapierfabriken, 3 Papierfabriken (577500 Frs.); Etablissements für Eisenindustrie mit 16500 Arbeitern, 15 Fabriken für chem. Produkte, 10 Glasfabriken mit 2000 Arbeitern (jährliche Produktion 6 Mill. Frs.), 6 Kerzenfabriken (10 Mill. Frs.), 12 Seifenfabriken (3,5 Mill. Frs.), zahlreiche Werkstätten für Hutmacherei, Gerberei, Buchdruckerei u. s. w. Außerdem ist aber kein Zweig der Fabrikationsthätigkeit unvertreten. – Bei so großartiger Fabrikthätigkeit ist der Handel von großer Bedeutung. Derselbe wird auch gefördert durch die günstige Lage an dem Zusammenflusse zweier von Schiffahrt belebten Flüsse und im Mittelpunkte wichtiger Straßen zwischen dem Mittelmeer, dem Innern Frankreichs, der benachbarten Schweiz und Italien sowie durch das Bahnnetz. Neben dem Seidenhandel ist auch der Handel mit Wein und Branntwein, mit Baumwolle und Schafwolle (5‒6 Mill. kg jährlich), mit Tüchern und Zeugen, Würsten, Stein- und Holzkohlen, Kastanien, Käse, Epicerien und Droguen, Korn, Mehl, Öl, Seife und ital. Strohhüten von großer Bedeutung. Unter den Bankinstituten ist der Crédit Lyonnais (eingezahltes Kapital 100 Mill. Frs.), 1863 begründet, mit 95 Filialen in Frankreich und Algerien und 15 im Ausland, das wichtigste, daneben die Société Générale (120 Mill. Frs.), Comptoir d’Escompte de Paris (80 Mill.), Hong-kong und Shang-hai Banking Corporation (50 Mill.), Société Lyonnais (30 Mill. Frs.). – Dem Verkehr in der Stadt und nach den Vorstädten dienen 12 Pferdebahnlinien, darunter 5 von der Place Bellecour ausgehende, 5 Dampf- und 4 elektrische Straßenbahnen, 4 Omnibuslinien, 2 Drahtseilbahnen nach Croix-Rousse und 1 nach Fourvière, St. Just und St. Irénée, und 2 Dampfschiffgesellschaften. Die Stadt besitzt neun Bahnhöfe; der wichtigste ist der von Perrache am Cours du Midi. L. liegt an den Bahnlinien: Paris-L. (Bahnhof Vaise und Perrache)-Marseille, Vesoul-Besançon-L. (St. Clair, Brotteaux, Perrache), L.-Grenoble, Paris-Nevers-L. (Vaise und Perrache), L. (St. Paul und Gorge de Loup)-Montbrison, L. (Croix-Rousse)-Bourg. Lokalbahnlinien führen nach Aoste-St. Genis, vom Bahnhof St. Just nach Mornant und Vaugneray, von Croix-Rousse nach Trévoux. Lebhaft ist der Frachtverkehr auf den Flüssen.

L. ist der Geburtsort der röm. Kaiser Claudius und Caracalla, des Politikers Jules Favre, des Marschalls Suchet, des Physikers Ampère, der drei Botaniker Jussieu, des Webstuhlerfinders Jacquard, des Malers Meissonnier, des Nationalökonomen J. B. Say und der Dichterin Louise Labé.

Geschichte. L. war schon zur Zeit der alten Gallier bedeutend. Es lag im Gebiet der Segusianer und wurde Lugdunum genannt. Munatius Plancus führte 43 v. Chr. eine röm. Kolonie dahin, und bald gewann die Stadt unter röm. Herrschaft große Blüte. Augustus residierte mehrere Jahre daselbst und Claudius verschönerte die Stadt. Unter Nero brannte L. ab. Noch finden sich Reste von drei Aquädukten, einer Naumachie, zwei Theatern u. s. w. Hier fand das Christentum in Gallien zuerst festen Boden. Seit 534 teilte L. die Schicksale des Fränkischen und Neuburgundischen Reichs. Mit der umliegenden Landschaft bildete es die Grafschaft Lyonnais, und unter Konrad Ⅱ. fiel es mit Arelat ans Deutsche Reich. Aus der Gerichtsbarkeit der Grafen kam Stadt und Grafschaft 1173 unter die der Erzbischöfe