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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Mecklenburg

eine Präpositur (Propstei) mit 9 Pfarren und 8 Kirchen. Die Herrschaft Stargard ist in 6 Präposituren (Synoden) mit 61 Pfarren und 145 Kirchen eingeteilt. Die Oberaufsicht führt das landesherrliche Konsistorium zu Neustrelitz. Ein landesherrliches Schullehrerseminarium besteht zu Mirow, ein landesherrliches Gymnasium und eine landesherrliche Realschule zu Neustrelitz, zwei städtische Gymnasien zu Neubrandenburg und Friedland, eine landesherrliche, als Realprogymnasium anerkannte Realschule zu Schönberg (in Ratzeburg) und eine Baugewerkschule zu Strelitz. Außerdem sind an 250 Stadt- und Landschulen vorhanden.

Rechtspflege und Verwaltung. Die Rechtspflege wird durch 10 Amtsgerichte, 1 Landgericht (Neustrelitz) und ein mit Mecklenburg-Schwerin gemeinsames Oberlandesgericht (Rostock) geübt. Die höchste Verwaltungsbehörde ist das Staatsministerium, repräsentiert durch einen Staatsminister, und für die innern Angelegenheiten die aus dem Staatsminister und zwei Räten bestehende Landesregierung zu Neustrelitz. Das Finanzwesen ist, wie in Mecklenburg-Schwerin, dreiteilig. Ein Etat wird nur für die landesherrlich-ständische Kasse (Centralsteuerkasse) in Neubrandenburg vorgelegt. Die Matrikularbeiträge (s. Matrikel) bilden, soweit sie nach Verhältnis der Kopfzahl auf das Fürstentum Ratzeburg fallen, eine ausschließliche Last der landesherrlichen Kasse. Rücksichtlich der Herrschaft Stargard wurde in der Steuervereinbarung vom 29. Juli 1870 über die Deckung nachstehendes bestimmt: bis 150000 M. zahlt der Landesherr, von da an bis zur Höhe von 195000 M. die Centralsteuerkasse, die folgenden 39000 M. wieder der Landesherr, den darüber hinausgehenden Betrag zu einem Viertel der Landesherr, zu drei Vierteln die Centralsteuerkasse. Durch eine Vereinbarung auf dem Landtage von 1889 wurde, nachdem schon 1886 eine Änderung erfolgt und inzwischen das Reichsgesetz vom 21. Juni 1887, betreffend die Besteuerung des Branntweins, ergangen war und der Großherzog erklärt hatte, die Last aus seinen Einkünften nicht länger tragen zu können, auch in Mecklenburg-Strelitz eine Wechselwirkung zwischen den Überweisungen des Reichs und den Matrikularbeiträgen eingeführt. Vertreter des einzigen Reichstagswahlkreises ist (1893) der Abgeordnete Nauck (deutschkonservativ).

Verfassung der beiden Großherzogtümer. Die auf der Union der Prälaten, Mannen und Städte der mecklenb. Lande vom 1. Aug. 1523 und dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleiche vom 18. April 1755 beruhende landständische Verfassung gilt für beide Großherzogtümer ausschließlich des Domaniums, der Stadt und Herrschaft Wismar und des Fürstentums Ratzeburg. Die Landesvertretung, das «Korps der Ritter- und Landschaft», zerfällt in das Korps der Ritterschaft, zu welchem sämtliche mit einem Rittergut (Hauptgut) Angesessenen, etwa 700 an der Zahl, ohne Unterschied des adligen und bürgerlichen Standes, gehören, und das Korps der Landschaft, worin die 47 Landstädte (die Residenzstadt Neustrelitz gehört zu diesen nicht) und die Seestadt Rostock vertreten sind. Rostock und Wismar haben ausgedehnte Selbstverwaltung, eigenes Gesetzgebungsrecht sowie verschiedene Hoheitsrechte. Beide Stände, Ritterschaft und Landschaft, gliedern sich nach den beiden vormaligen Herzogtümern Schwerin und Güstrow, oder nach drei Kreisen, indem das Herzogtum Schwerin den Mecklenburgischen Kreis bildet, während das Herzogtum Güstrow in die Kreise Wenden und Stargard zerfällt. Jeder Kreis hat einen Erblandmarschall, und jedes Herzogtum vier Landräte, die auf Vorschlag der Stände von den Großherzögen (sieben von Schwerin, einer von Strelitz) auf Lebenszeit ernannt werden. Diese nebst einem Bürgermeister von Rostock, also im ganzen 12 Mitglieder, bilden das Landtagsdirektorium. In dem Engern Ausschuß, der als ständiges Kollegium die Landstände vertritt, ist jedes Herzogtum durch einen Landrat, jeder Kreis durch je einen ritterschaftlichen Abgeordneten und je einen Abgeordneten der Vorderstädte Parchim, Güstrow und Neubrandenburg und endlich die Seestadt Rostock gleichfalls durch einen Abgeordneten vertreten. Landtage werden in jedem Spätherbst, abwechselnd in Sternberg und Malchin, gehalten; außerdem können jederzeit außerordentliche Landtage berufen werden. Ritter und Landschaft tagen in einer Versammlung, und es entscheidet absolute Stimmenmehrheit der Anwesenden. Doch steht jedem Stande die abgesonderte Beschlußfassung frei, und wenn die Beschlüsse beider Stände auseinander gehen, kommt ein Landtagsbeschluß nicht zu stande. Die landesherrlichen Kommissarien verhandeln mit den Ständen schriftlich und durch Vermittelung der Landmarschälle. Ohne Zustimmung der Stände darf keine ihre Privilegien berührende neue Verordnung ergehen und keine neue Steuer aufgelegt werden. Auch muß bei den allgemeinen Landesgesetzen zuvor das «ratsame Erachten» der Stände eingeholt werden. Dagegen sind die Großherzöge, soweit es nur ihr Domanium angeht, in der Gesetzgebung und Besteuerung unbeschränkt. Doch haben sie in der Vereinbarung vom 29. Juli 1870 erklärt, abgesehen von der ordentlichen Hufensteuer in bisheriger Höhe, von dem ihnen zustehenden Recht der Besteuerung des Domaniums für die Dauer der Vereinbarung zu der Aufbringung der Kosten des Landesregiments oder zu allgemeinen Landeszwecken keinen Gebrauch machen zu wollen, ohne im übrigen auf das ihnen zustehende Recht selbst zu verzichten. Neben den Landtagen kommen «Konvokationslandtage» vor, zu welchen nur die Stände eines Landesteils von dem betreffenden Landesherrn berufen werden; ferner «kommissarisch-deputatische» Verhandlungen zwischen landesherrlichen Kommissarien und ständischen Deputierten; außerdem halten die Stände unter sich «Konvente», teils allgemeine, teils besondere. Innerhalb der Ritterschaft werden drei Abteilungen unterschieden: 1) der eingeborene und recipierte Adel, 2) die nicht rezipierten, aber receptionsfähigen adligen und 3) die nicht receptionsfähigen bürgerlichen Gutsbesitzer. Der eingeborene und recipierte Adel behauptet thatsächlich ein ausschließliches Recht auf die Verwaltung und Pfründenbesetzung der drei 1572 der Ritter- und Landschaft zur christl. Auferziehung der inländischen Jungfrauen überwiesenen Jungfrauenklöster zu Dobbertin, Malchow und Ribnitz, soweit nicht vertragsmäßig der Landschaft ein beschränkter Anteil an jenem Recht zugestanden war. Mecklenburg-Schwerin hat zwei, Mecklenburg-Strelitz eine Stimme im Bundesrate. Die Titel beider Großherzöge sind ganz gleichlautend, ebenso die Wappen. Das Wappen, in einfacher Gestalt ein Büffelkopf, in vollständiger seit 1657 eingeführter Zusammenstellung, hat sechs Felder und ein Mittelschild; letzteres ist quer geteilt, die obere