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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Metz

Behörden. Die Stadt ist Sitz der Bezirks- und Kreisbehörden, eines Bischofs, Konsistoriums der reform. Kirche, des israel. Konsistoriums für den Bezirk Lothringen, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Colmar) mit 12 Amtsgerichten (Ars a. d. Mosel, Bolchen, Busendorf, Château-Salins, Delme, Diedenhofen, Dieuze, M., Remilly, Rombach, Sierck, Vic a.d. Seilte), eines Amtsgerichts, Hauptzollamtes, einer Oberpostdirektion, Reichsbankstelle sowie des Generalkommandos des 16. Armeekorps, eines Gouvernements, einer Kommandatur, der Kommandos der 33. und 34. Division, der 66., 67., 08. und 10. bayr. Infanterie-, 33. und 34. Kavallerie-, 16. Feldartillerie-, 3. Fußartilleriebrigade und 6. Festungsinspektion, eines Artilleriedepots, Bezirkskonnnandos und einer Fortifikation.

Anlagen, Straßen und Plätze. Die Stadt liegt in ihrem ältern Teile an den Abhängen eines Höhenzugs zwischen der Seille und der Mosel, im neuern auf den Moselinseln und hat vielfach enge Straßen sowie altertümliche Häuser. Von den Plätzen sind bemerkenswert der Kaiser-Wilhelms-Platz (als Exerzierplatz dienend), die Esplanade mit schönen Anlagen, ehernem Reiterstandbild des Kaisers Wilhelm I. (1892), Standbild des Marschalls Ney (1855) und Springbrunnen, der Paradeplatz und der Theaterplatz mit Springbrunnen. Thore, Plätze und Straßen tragen seit 1872 neben den franz. auch deutsche Namen.

Gebäude. M. hat 7 kath., 3 evang. Kirchen und eine Synagoge. Die got. Kathedrale St. Stephan, eine kreuzförmige Basilika mit Querhaus und Kapellenkranz, 2 Türmen und 2 Nebenkapellen (122 m lang, 31 m breit, 42 m hoch) auf einem der höchsten Punkte der Stadt, gehört verschiedenen Zeiten an. Der Bau ist im 13. Jahrh. begonnen und bis 1546 vollendet, der "Mutteturm" (92 m) ist das Wahrzeichen der Stadt, der andere (86 m) ist unvollendet, die Westfa/cade stammt von 1761 bis 1764; seit 1873 wird die Kirche restauriert. Im Innern schöne Glasmalereien, ein wertvoller Schatz und im südl. Turme eine 13 000 kg schwere Glocke (La Mutte). Die neue Garnisonkirche mit got. Turm (97 m) ist 1881 vollendet. Auf dem Nordfriedhofe steht das Denkmal für die 1870 begrabenen 8400 Franzosen. Weiter sind bemerkenswert der Justizpalast (1776 begonnen), das Stadthaus, das Bezirkspräsidium (ehemaliges Präfekturgebäude), das Theater (1739), die Kaiser-Wilhelms-Kaserne (ehemals Caserne du Génie, 1840-42 erbaut, für etwa 2000 Mann), das Prinz-Friedrich-Karl-Kasernement (1893), gedeckte Markthallen (1831 vollendet) und der Hauptbahnbof, 1875-78 nach den Entwürfen von Jacobsthal-Berlin für 3 Mill. M. erbaut.

Bildungs- und Wohlthätigkeitsanstalten. M. hat ein Lyceum (Gymnasium mit Vorschule und Internat), eine Realschule (Oberrealschule), ein kath. Seminar, höhere Mädchenschulen, kaiserl. Taubstummenanstalt, städtische Mittel-, Musik-, Zeichenschule, kath. Privatgymnasium, Handels-, Handarbeits- und Gewerbeschule für Mädchen, eine Kriegsschule, eine Stadtbibliothek (55 000 Bände, 1146 Handschriften, 400 Karten) im ehemaligen Kloster St. Eloy, städtisches Museum (Altertümer, Münzen, Gemälde, Naturalien), Museum Migette (Zeichnungen und Gemälde auf die Stadtgeschichte bezüglich), botan. Garten, zahlreiche Wohlrhätigkeitsanstalten und Vereine, eine Wasserleitung (von Gorze, s. d.), Schlachthaus, Leihhaus, Sparkasse.

Die Industrie erstreckt sich auf Gerberei, Sattlerei, Schuhwaren- und Konservenfabrikation, Glockengießerei, Brauerei, Kalkbrennereien, der Handel auf Eisen, Holz, Wein, Getreide, Landesprodukte, Geflügel (Metzer Poularden) und Tafelobst. Außer der Handelskammer und Reichsbankstelle (Umsatz 1893: 847 Mill. M.) bestehen eine Filiale der Luxemburger Bank und sechs andere Bankinstitute. In der Umgebung werden Erdbeeren, Obst (Mirabellen, Tafelobst), Gemüse und Wein gebaut. M. ist Sitz der 6. Sektion der Südwestlichen Baugewerks-Berufsgenossenschaft sowie der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Lothringen.

Festung. Unter franz. Herrschaft ist M. mit verschiedensten Systemen bedacht worden, so daß die alten Festungswerke eine wahre Musterkarte überlebter "Fortifikationen" aufweisen. In den sechziger Jahren legte man selbständige Fortbefestigungen an. Bei Ausbruch des Krieges 1870 waren die meisten Neubauten uoch unvollendet, weshalb der Kommandant bald von dem planmäßigen Ausbau abging, um die Sturmfreiheit durch provisorische Einrichtungen anzustreben. Während der Einschließung durch die deutsche Armee wurde noch immer eifrig an der Befestigung gearbeitet. Einige Jahre später wurden verschiedene Neubauten zur Ergänzung der Befestigungslinien errichtet, so daß auch bei dem nunmehr vorgeschobenen Fortgürtel franz. und neudeutsches System miteinander wechseln. Der Hauptsache nach besteht die Stadtumwallung aus einem alten System von bastionierten Fronten mit detachierten Werken. Ein Versuch, die Festungswerke einigermaßen von der Stadt loszulösen und vorzuschieben, hatte schon im 18. Jahrh. zur Erbauung mehrerer größerer Forts geführt, z. B. Belle-croix (jetzt Steinmetz) und Moselle (Voigts-Rhetz). Der vorgeschobene Festungsgürtel von 8 km Durchmesser breitet sich meist aus den sich an den Ufern der Mosel und Seille erhebenden Höhen aus: die Forts St. Julien (jetzt Manteuffel), Queuleu (Goeben), Plappeville (Alvensleben) und St. Quentin (Feste Friedrich Karl mit Fort Manstein); in der Ebene liegen die Forts St. Privat (Prinz August von Württemberg), Woippy (Kameke), St. Eloy (Hindersin), les Bordes (Zastrow) und andere.

Geschichte. M., das Divodurum (Götterburg) der Gallier, im Gebiete der Mediomatriker, daher von den Römern Mediomatricum (Medrialici) genannt, woraus Metae, Metis, M. entstand, war röm. Militärstation, wurde Mitte des 5. Jahrh. durch die Hunnen zerstört und später Hauptstadt von Austrasien. Im Vertrag von Mersen kam M. zum Ostfränkischen Reich, nahm besonders im 11. Jahrh. einen bedeutenden Aufschwung, wurde zu Anfang des 13. Jahrh. Freie Reichsstadt, durch ihren Handel und ihren Reichtum von Bedeutung. Kaiser Karl IV. verkündete daselbst auf dem Reichstage von 1356 die sog. Goldene Bulle. 1444 wurde M. sechs Monate durch die mit Herzog Rene von Lothringen verbündeten Franzosen belagert. Die Folgen der wiederholten Kämpfe mit Lothringen, des innern Verfalls des Stadtregiments, der in der Reformationszeit durch religiösen Zwiespalt sowie durch Anzettelungen Frankreichs wesentlich genährt wurde, und das dem König Heinrich II. von Frankreich von den prot. Fürsten des Reichs übertragene Protektorat über die Bistümer M., Toul und Verdun erleichterten die 1552 erfolgte Besetzung der Stadt durch franz. Truppen unter dem Herzog von Montmorency. Vergebens belagerte Kaiser Karl V. die Stadt vom